Fremden Presse, Wien.
Sein Lebenslauf:
Alfred Neugebauer.
Der Gemischtwarenhändler in Geyers
volkstümlichem Repertoirestück in der Jo¬
sefstadt ist eine Theaterrolle, die erst des
menschlichen Odens harrt, des wirkli¬
chen Schauspielers, der aus der Figur
einen Menschen schafft: Alfred Neuge¬
bauer, der Künstler, dem in unserem
Blatte wiederholt Gerechtigkeit widerfah¬
ren ist, dessen Charakterrollen in Leinen
aus Irland“, „Voruntersuchung“, „Braut
von Torotzko, „Kaiser Franz Joseph
wie er uns versichert, seine Lieblingsrol¬
len — die Aufmerksamkeit der Theater¬
kundigen auf diesen Komödianten von For¬
mat und innerer Gestaltungskraft lenkten.
Natürlich ist er Wiener. Im letzten
Monate des Jahres 1889 gebar ihn die
Gattin des Chefs der fürstlich liechtens
schen Kabinettskanzlei. Seine Ähnen stan¬
den 150 Jahre im Dienste des regierenden
Fürsten und so wuchs auch der junge
Alfred in dieser gar nicht bürgerlichen
Umgebung, gegenüber dem Burgtheater,
auf. Schottengymnasium, Jurisprudenz an
der Wiener Universität — bis zum letzten
Rigorosum. Eines Tages fährt er in der
Trambahn. Ein Herr spricht ihn an und
erkundigt sich, ob er nicht Schauspieler
sei. Auf seine Verneinung bietet sich der
Fremde an, ihn zum Theater zu bringen.
Der Manager arrangierte damals ein Gast¬
spiel des Burgtheaters in Triest, im
Theater Politama Rossetti. So betritt der
neugebackene Schauspieler, in der Kar¬
woche 1913, mit Korff und Gusti Wit¬
tels die Bretter, Auf dieses Debut als
Fähnrich im „Weiten Land“ folgt unter
Korffs Patronanz ein Gastspiel in Frank¬
furt, dann eine kurze Zeit des Zagens,
bis der bekannte Kunstverleger Viktor
Fleischer ihn zum Dr. Rundt, Leiter
der damaligen Volksbühne, bringt, der
ihn sofort engagiert. Eine Waffenübung
unterbricht seine Tätigkeit. Aber bei der
Eröffnungsvorstellung der „Kammerspiele
wirkt er wieder mit im „Mann im Souff¬
leurkasten“. Hier, als Mitglied des — wie
er sagt — besten Ensembles, das es je
gab, hat er ausgezeichnete Gelegenheit,
zu lernen. Bei einem Gastspiel in Riga
tritt er innerhalb sieben Wochen in 17
Stücken auf. Da kommt die überraschende
Einberufung. Nach einer abenteuerlichen
Flucht über die preußische Grenze rückt
er als Leutnant der 21er Jäger ein und
wird bereits am 19. August an der ser¬
bischen Front verwundet. Ein paar Monate
später ist er wieder in den Karpathen
und fällt im März des darauffolgenden
Jahres mit schweren Erfrierungen in rus¬
sische Gefangenschaft. Die darauf folgende
Zeit, die reich an den schwersten Ent¬
behrungen war (zweimal war er im Be¬
griffe, Hungers zu sterben, möchte er
doch nicht in seinem Leben missen: sie
war auch reich an Erlebnissen und Er¬
1
in laiwostok an Bord eines von einem
Deutschen kommandierten japanischen Koh¬
lenkutters zu gelangen. Von Hamburg
kehrt er nach sechsjähriger Abwesenheit
nach Wien zurück, findet die Theater¬
verhältnisse lange nicht so desolat, wie be¬
fürchtet und kommt durch Viktor Franz
zu Harry Walden, der ihm gleich eine
seiner Rollen (im „Papa von Caillavet
und Flers) übergibt. In jenem Sommer
starb der große Harry. Neugebauer ar¬
beitet bis zum Herbst 1921 unter Robert,
dann wird er von Dr. Beer für das neu¬
eröffnete Raimund-Theater engagiert, wo
er seine spätere Gattin Margarethe Witz¬
mann kennen lernt (aus erster Ehe hat er
eine Tochter, Auguste, die Medizin stu¬
diert). Hier und im Volkstheater hat er
seine ersten großen Erfolge im „Feld¬
herrnhügel“ und „Antonia“. Unter der Re¬
geführung Forests, dem er künstlerisch
viel verdankt, vollzieht sich der Uebergang
vom Liebhaber und Bonvivant zum Cha¬
rakter darsteller. Es folgt seine Tätigkeit
in Berlin: Zusammenbruch des Lessing¬
theaters unter Hellmer, Rückkehr nach
Wien, wo er einen schweren Kampf ums
Dasein aufnehmen muß, aus dem ihn Di¬
rektor Geyer durch die ehrenvolle Be¬
rufung an das Theater in der Josefstadt,
befreit.
Sein Lebenslauf:
Alfred Neugebauer.
Der Gemischtwarenhändler in Geyers
volkstümlichem Repertoirestück in der Jo¬
sefstadt ist eine Theaterrolle, die erst des
menschlichen Odens harrt, des wirkli¬
chen Schauspielers, der aus der Figur
einen Menschen schafft: Alfred Neuge¬
bauer, der Künstler, dem in unserem
Blatte wiederholt Gerechtigkeit widerfah¬
ren ist, dessen Charakterrollen in Leinen
aus Irland“, „Voruntersuchung“, „Braut
von Torotzko, „Kaiser Franz Joseph
wie er uns versichert, seine Lieblingsrol¬
len — die Aufmerksamkeit der Theater¬
kundigen auf diesen Komödianten von For¬
mat und innerer Gestaltungskraft lenkten.
Natürlich ist er Wiener. Im letzten
Monate des Jahres 1889 gebar ihn die
Gattin des Chefs der fürstlich liechtens
schen Kabinettskanzlei. Seine Ähnen stan¬
den 150 Jahre im Dienste des regierenden
Fürsten und so wuchs auch der junge
Alfred in dieser gar nicht bürgerlichen
Umgebung, gegenüber dem Burgtheater,
auf. Schottengymnasium, Jurisprudenz an
der Wiener Universität — bis zum letzten
Rigorosum. Eines Tages fährt er in der
Trambahn. Ein Herr spricht ihn an und
erkundigt sich, ob er nicht Schauspieler
sei. Auf seine Verneinung bietet sich der
Fremde an, ihn zum Theater zu bringen.
Der Manager arrangierte damals ein Gast¬
spiel des Burgtheaters in Triest, im
Theater Politama Rossetti. So betritt der
neugebackene Schauspieler, in der Kar¬
woche 1913, mit Korff und Gusti Wit¬
tels die Bretter, Auf dieses Debut als
Fähnrich im „Weiten Land“ folgt unter
Korffs Patronanz ein Gastspiel in Frank¬
furt, dann eine kurze Zeit des Zagens,
bis der bekannte Kunstverleger Viktor
Fleischer ihn zum Dr. Rundt, Leiter
der damaligen Volksbühne, bringt, der
ihn sofort engagiert. Eine Waffenübung
unterbricht seine Tätigkeit. Aber bei der
Eröffnungsvorstellung der „Kammerspiele
wirkt er wieder mit im „Mann im Souff¬
leurkasten“. Hier, als Mitglied des — wie
er sagt — besten Ensembles, das es je
gab, hat er ausgezeichnete Gelegenheit,
zu lernen. Bei einem Gastspiel in Riga
tritt er innerhalb sieben Wochen in 17
Stücken auf. Da kommt die überraschende
Einberufung. Nach einer abenteuerlichen
Flucht über die preußische Grenze rückt
er als Leutnant der 21er Jäger ein und
wird bereits am 19. August an der ser¬
bischen Front verwundet. Ein paar Monate
später ist er wieder in den Karpathen
und fällt im März des darauffolgenden
Jahres mit schweren Erfrierungen in rus¬
sische Gefangenschaft. Die darauf folgende
Zeit, die reich an den schwersten Ent¬
behrungen war (zweimal war er im Be¬
griffe, Hungers zu sterben, möchte er
doch nicht in seinem Leben missen: sie
war auch reich an Erlebnissen und Er¬
1
in laiwostok an Bord eines von einem
Deutschen kommandierten japanischen Koh¬
lenkutters zu gelangen. Von Hamburg
kehrt er nach sechsjähriger Abwesenheit
nach Wien zurück, findet die Theater¬
verhältnisse lange nicht so desolat, wie be¬
fürchtet und kommt durch Viktor Franz
zu Harry Walden, der ihm gleich eine
seiner Rollen (im „Papa von Caillavet
und Flers) übergibt. In jenem Sommer
starb der große Harry. Neugebauer ar¬
beitet bis zum Herbst 1921 unter Robert,
dann wird er von Dr. Beer für das neu¬
eröffnete Raimund-Theater engagiert, wo
er seine spätere Gattin Margarethe Witz¬
mann kennen lernt (aus erster Ehe hat er
eine Tochter, Auguste, die Medizin stu¬
diert). Hier und im Volkstheater hat er
seine ersten großen Erfolge im „Feld¬
herrnhügel“ und „Antonia“. Unter der Re¬
geführung Forests, dem er künstlerisch
viel verdankt, vollzieht sich der Uebergang
vom Liebhaber und Bonvivant zum Cha¬
rakter darsteller. Es folgt seine Tätigkeit
in Berlin: Zusammenbruch des Lessing¬
theaters unter Hellmer, Rückkehr nach
Wien, wo er einen schweren Kampf ums
Dasein aufnehmen muß, aus dem ihn Di¬
rektor Geyer durch die ehrenvolle Be¬
rufung an das Theater in der Josefstadt,
befreit.