VII, Verschiedenes 13, 1933–1934, Seite 23

13. Miscellaneous
box 44/6
Seite 2
Lei¬
eines Fanatikers ausgeliefert." ruft sie pathetisch. Das
ist schließlich das Leben jedes Mannes, der eine Rolle in der
Oeffentlichkeit spielt — was Herr Einstein nicht einmal nötig
gehabt hätte. Aber müßte das im Falle Einstein so, wie ihn
die aufgeregte Phantasie von Ellen Wilkinson sieht, durchaus
ein nationaler Fanatiker sein? Die folgenden Sätze scheinen
uns doch eine unverantwortlich deutliche Einladung an eine ganz
andere Stelle zu enthalten. Wenn zunächst „die Ermordung
Einsteins" als ein zweiter Lusitania=Fall an die Wand gemalt
wird, so darf die Frage aufgeworfen werden: wem die Torpe¬
dierung der Lusitania — die bekanntlich vor ihrer Ausreise von
deutscher Seite gewarnt worden war — eigentlich so wundervoll
in den Kram gepaßt hat, daß es fast aussah, als sei sie die
Erfüllung eines innigen Wunsches geworden?
Sollte sich etwa ein ähnlicher Wunsch im letzten Satz des
Artikels verbergen, der wörtlich also lautet: „Die Welt würde
nicht nur die Hand verantwortlich machen, die den Drücker ab¬
gezogen hätte, sondern die Männer in hohen Stellungen, hinter
jener Hand, die ihre Macht und ihren ungeheuren Einfluß nicht
dazu ausgewandt hätten, solch eine Tat unmöglich zu machen.
Liest sich das nicht schon beinahe wie eine Einladung an
den bolschewistischen Kommunismus, seinem Tod¬
feinde, dem deutschen Nationalsozialismus eins zu versetzen?
Dasselbe England, das jetzt so emsig dabei ist, den kommuni¬
stischen Reichstags=Brandstifter rein zu waschen, würde ohne
weiteres die Partei des Kommunismus ergreifen, falls einer seiner
„Fanatiker — deren er immer gebrauchsfertig auf Lager hat
es für nützlich hielte, Herrn Einstein aus der Mitte seiner Be¬
schützer abzuknallen.
Was gilt den Jüngern Lenins ein Menschenleben? Auch
„der beste Kopf der Welt“ gilt ihnen nichts, wenn sie glauben,
durch einen Mord an ihm die Weltrevolution“ vorwärts treiben
zu können. Das weiß jedes politische Waisenkind. Neu aber ist
die Unbekümmertheit, womit ein englisches Blatt von zwei
Millionen Auflage dem skrupellosen Bolschewismus glaubt einen
Tip geben zu müssen. Ob Ellen Wilkinson ein ahnungsloser
Engel oder selbst eine überzeugte Anhängerin Lenins ist, wissen
wir nicht, würden uns aber nicht wundern, wenn sich das
Letztere herausstellte. Einstein aber, wenn er auf dieser mangel¬
haften Erde nur halb so gut Bescheid wüßte, wie auf den Wolken¬
höhen der Mathematik, würde sich doch vielleicht sagen: Gott
behüte mich vor meinen Freunden — meine Feinde werden si
um mich schon nicht kümmern, solange ich ihr Land meide.
Tatkräftige Mithilfe aller Bevölkerungskreise erford
Anerbittlicher Kampf geg
Der Kampf gegen das Bettelunwesen wird, wie unsere Berliner
Schriftleitung erfährt, von der Reichsregierung mit aller Energie fort¬
gesetzt weden. Dieser Kampf nimmt mit dem großen Winterhilfepro¬
gramm eine besondere Bedeutung an, denn es kommt jetzt darauf an,
daß die Mittel, die zur Linderung der Not zur Verfügung stehen, nicht
auf unkontrollierbare Weise an Unwürdige gegeben und in völlig ver¬
sehlte Kanäle geleitet werden. Hierbei bedarf es vor
allem einer tratkräftigen Mithilfe des Publikums. Almosen
an Bettler werden meist aus Gedankenlosigkeit gegeben oder aus
Bejuemlichkeit, um auf leichte Weise den Bettler auf der Straße oder
an der Haustür loszuwerden. Die Bevölkerung muß sich aber end¬
lich klar darüber werden, daß die Summen, die sie an Bettler gibt,
in weilaus den meisten Fällen nicht wirklich Notleidenden, sondern
Berufsbettlern zufließen, die sich geschickt der Betreuung durch die
Wohlfahrtspflege oder Fürsorge zu entziehen wissen, weil sie durch
die Bettelei höhere Einnahmen haben. Es ist festgestellt worden,
daß so mancher Bettler täglich auf eine Einnahme von 10 bis 20 Mark
kommt. Die Bevölkerung muß sich ferner dessen bewußt werden, daß
sie mit der Unterstützung der Berufsbettler nur allzu oft verbrecherische
Naturen, Arbeitsscheue, Trinker und Betrüger unterstützt. Den Berufs¬
bettlern fehlt im allgemeinen der Wille, sich grundlegend helfen zu
lassen. Er kann und will nicht mehr arbeiten. Betteln ist für ihn
zum Berufe geworden. Solche Naturen dürfen von der Bevölkerung
unter keinen Umständen mehr durch allzu willfähriges Almosengeben
gestützt werden; vielmehr müssen alle diese, wenn im einzelnen auch