VII, Verschiedenes 13, 1933–1934, Seite 24

13. Miscellaneous
box 44/6
RAI
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Grosse Volkszeitung,
Wien, 20. Sept, 1933.
vom
ein komfortabler Raum. Das kellerartige sie unausgesetzt zu „schneuzen". Diese Marköre Geschäft ging gut,
Nachfolger, der de
Wien im Kaffeehaus.
Gewölbe glich weit eher einem alten Burg waren aber ursprünglich nicht Kellner, nicht
fangs des neunze
In den schweren Zeiten nach der zimmer. Auch die Einrichtung mit ihren jene prunkvoll gekleideten Respektspersonen
Rang ablief
Befreiung Wiens von Türkengefahr, als die groben, roh gezimmerten Tischen, die Be¬ wie etwa vor einem und anderthalb Jahr
hunderten, sondern Diener, die die Gut¬
leuchtung durch Pecksackeln sowie das nich
Indessen war
alte Kaiserstadt eben wieder daran war,
immer sehr vornehme Publikum des Lokals punkte der Billardspieler aufzuschreiben
schöne, reich bebil¬
von den fürchterlichen Schlägen der letzten
hatten, und erst allmählich wandelte der
Ludwig Viktor Eck
hoben den düsteren, unfreundlichen Eindruc
Jahre zu erholen, da konnte man allenthalben
Name seine Bedeutung, wie überhaupt da¬
keineswegs. Erst später wurde es be
schrift des Gremiun
bei Volksfesten, Jahrmärkten, Kirchweih
Kolschitzky gemütlicher, und da kamen dann Kaffeehaus von einst seinen Zweck und seine
Wien erzählt —
veranstaltungen und andern Gelegenheiten
Bedeutung
auch nicht selten Graf Starhemberg, Prin
und wollte nicht
wo größere Mengen zusammenströmten, einen
Eugen und wohlhabende Bürger zu Besuck
keiten hören und
War man früher gekommen, um den
Mann in Türkenkleidung sehen, der zwei
in sein zweites Kaffeehaus „zur Blauen
für diese Unterha=
schwarzen Trank halb wider Willen zu
Fässer vor sich stehen, über sie ein Brett
Flasche" (Stock=im=Eisen=Platz 6). Er servierte
prunkvolleren Nah
schlürfen, hatte man später gern Kolschitzky
gelegt hatte und darauf nun eine Pfanne
den Kaffee im Mörser gestoßen, gekocht un¬
Erzählungen seiner Heldentaten während der wirkte sich hier aus
stellte, die einen primitiven Herd bildete
mit Milch geweißt, plauderte gern mit den
stadt Frankreichs.
Darüber hing an einem Dreifuß ein blauen
Gästen, die er selbst und seine Gattin Ursula Belagerung gelauscht, so vernahm man bal¬
auch wieder mit Vergnügen andre Neuigkeiten, der dortigen Gast¬
Blechkessel mit lustig brodelndem Wasser, und
bedienten.
richtete denn Ign
allmählich trafen einander die Kuriere, und
von Zeit zu Zeit schenkte der Türke in kleiner
Etliche Jahre später übersiedelte de
damit waren die Kaffeehäuser zur Zentrale des Hauses Plan
Schalen eine dunkle Suppe aus, die er den
Pole neuerlich. Endlich war sein Wunsch in
des lokalen und internationalen Tratsches ge= Markt 12) eine G
Publikum für einen Kreuzer anbot. Dan¬
Erfüllung gegangen, er durfte ein Grundstück
Prunks den Nam
worden. Von diesen Kurieren bezogen die
schrie er wieder sein: „Allah il Allah
am Untern Werd in der Gegend der späterer
haus" erhielt. Sie
ersten Zeitungen mancherlei Nachrichten, ge¬
Schwarzen, echten türkischen Kaffee, nur einen
Ferdinandsbrücke sein Eigen nennen. Da ga¬
legentlich stammten die Neuigkeiten wohl über¬ der Wiener ber¬
Kreuzer kostet die türkische Suppe Kaffee!
es denn nun bald reges Leben, das zur Nach
Künstler und es
Das Publikum scheint aber die Neuheit nich
ahmung reizte, und es tauchten Konkurrenten haupt aus dem Kaffeehaus, und da man sich
nun einmal gewöhnt hatte, hier bei einer einmal eine
übermäßig geliebt zu haben, der orientalisch¬
auf. Die waren aber weit weniger berühm
schreibungen des
als Kolschitzky und seine Nachfolger, die später Schale Schwarzen oder Weißen viele
Trank war zu bitter, und erst als durch
Plankengasse aus
aus der Welt zu erfahren, die Neuig
Zufall, man erzählt sich bei einem Brigitta
am Anfang der Jägerzeile in der Leopoldstad
keiten der Politik, Literatur und des Wiener Persönlich
kirtag, Sirup in Kolschitzkys Gebräu — de
ein schönes, großes Kaffeehaus mit Garten
uns zum Beispiel
Theaters im Kaffeehaus zu hören
„Türke" war nämlich niemand andrer als der und schattigen Sitzplätzen errichteten. Um
kam einer der Kaffeesieder des achtzehnten immer mit histori¬
verdienstvolle Kundschafter aus der Be¬
1700 gab es erst vier derartige Lokale in
Jahrhunderts, Cramer, auf den Gedanken, und bildhaft das
lagerungszeit — geriet, als er den bitterer
Wien, und im nächsten halben Jahrhunder
große Zimmer
seinem Lokal im Schlossergäßchen durch
Trank versüßte, da entdeckten die Wiener di¬
kamen nur sieben hinzu. Aber allmählich ent
wickelte sich das Gewerbe doch, wenn auch die das Auflegen verschiedener Zeitungen eine be¬ Neunerschen Haus¬
Spezialität aus dem Feindeslager und sin
vorbehalten, das
sondere Note zu geben. So wurde denn das
ihr über alle Not der Zeit hinweg bis heute
Konkurrenten keineswegs versuchten, einander
durch besondere Ausstattung ihrer Lokale zu Kaffeehaus im Schlossergäßchen bald ebenso Schachspieler.
treugeblieben.
der nur durch ein¬
berühmt wie Jahrzehnte später ein ande¬
Freilich, leicht hatte es Kolschitzky im überbieten: weiß getüchte Wände, an denen
ringsum Bänke liefen — allerdings nicht Lokal in der gleichen Gasse, die Ludlamshöhle Räumen getrennt
Anfang auch nicht. Als sich die Erfolge ein
raucht werden durft
stellten und das Umherziehen sich als nicht mehr roh gezimmerte, sondern schon ge= bei Vater Haidvogel. Aus nah und fern fand
Zedlitz, Raimund
man sich ein, um die Blätter zu lesen, und
genügend nutzbringend erwies, da bat er den polsterte und lederüberzogene Bänke
Witthauer, Braun
Magistrat um ein Haus als Belohnung für schwere eichenhölzerne Tische, und ein Un= insbesondere die Schriftsteller, denen es an
Maler Schwind
seine heldenmütige Tat während der Be= geheuer stand in der Mitte des Raumes, das Geld gebrach, alle Zeitungen zu kaufen, trafen
leben und Max Lö=
lagerung. Vorerst erhielt er nur eine Brand=Billard. Es soll geradezu einer Kegelbahn an einander gern beim Cramer. So erlangt
Nikolaus Lenaus
stätten auf der Heyd“, aus deren Erlös und Größe gleichgekommen sein. Zinnerne Wand das kleine Kaffeehaus unsern vom Stephans¬
geringen Ersparnissen ein Lokal im Bischofs leuchter trugen die zwei oder drei kläglichen platz eine Berühmtheit wie später nur ganz Schachspielern kie
Unschlittkerzen, die abends mäßiges Licht ver= wenige andre Gaststätten der Stadt. Was das Grillparzer und D
hof (Domgasse 6) gemietet wurde. Dieses erst
Wiener Kaffeehaus war aber alles eher denn breiteten, und es war Aufgabe des Markörs, Wichtigste für den klugen Wirt war, auch das Fensternische saß