Schon deshalb nicht, weil in England poli¬
Es gab und galt also nun nichts an
tische Umstände und Gedankengänge niemals deres mehr als die Ehre des Wiener Pen¬
rein gesellschaftliche und schon gar nicht
klubs zu retten und diese Ehre war denn
kameradschaftliche Bindungen sprengen
könnten.
Auch bei uns in Wien hat, so oft der
Penklub sich um seine Souper-Tischchen
versammelte, keiner von uns je an politische
Gegensätze gedacht. Innerhalb eines nor¬
malen staatlichen und geistigen Lebens wäre
dies auch völlig absurd gewesen. Es mußte
erst das Hitler=Ereignis kommen, von dem
freilich die meisten Penklubmitglieder bis
heute noch nicht begriffen zu haben scheinen,
daß es im Grunde ein unpolitisches Ereig¬
nis, nämlich ein Ereignis gegen jede mensch¬
liche und gesittete Form von Politik ist.
Dies vor allem hat den Wiener Penklub
dem Untergang geweiht: daß man angesichts
der völligen Niedertrampelung und Aus¬
peitschung allen Geisteslebens im Dritten
Reich noch immer an dem vor allem den
Tatsachen noch völlig gegenstandslos ge¬
wordenen Begriff eines geistigen Deutsch¬
land festhielt. Oder vielmehr besser gesagt:
dieses geistige Deutschland, das heute nur in
der Emigration existiert, mit jenen Nazi¬
agenten identifizierte, die sich unterdessen als
neuer gleichgeschalteter deutscher Penklub
etabliert hatten. Es konnte kein Einverständ¬
nis geben, auch kein stillschweigendes, mit
der Unterdrückung und der Banalisierung
des Geistes an sich.
Daß sich einzelne unter den Wiener
Schriftstellern fanden, die in keiner Form
eine Erklärung gegen Deutschland, auch
nicht gegen Hitler=Deutschland, unterzeich¬
nen wollten, ist politisch wie menschlich be¬
greiflich, wenn der einzelne Bücher= oder
Stückeschreiber, der keinerlei politische per¬
sönliche Bindung fühlt, sich das deutsche
Absatzgebiet und damit vielleicht überhaupt
seine ganze Existenzbasis nicht ruinieren
will. Es wird hierbei nur wiederum ver¬
gessen, daß das Naziregime auch diese Art
von submissester politischer Indifferenz
auf die Dauer nicht dulden wird. Es wird
vergessen, daß jeder derartige Schritt, mag
er noch so wohlüberlegte andere sachliche
oder persönliche Beweggründe haben, von
der genügend agilen Hitler=Propaganda als
Bekenntnis zum Dritten Reich gewertet
wird. Das Beispiel liegt bereits vor in
jenem famosen Münchner Interview der
Frau Grete Urbanitzky und in den Kom¬
mentaren der Nazipresse, die etliche Wiener
Schriftsteller triumphierend als Ueberläufer
bezeichnet hat. Diese Ovationen werden so
manchem von ihnen derzeit nicht übermäßig
angenehm sein...
Nun kommt man zum Auffallendsten des
ganzen Penklub=Debakels. Zu dem Mangel
der Penklub=Mitglieder an österreichischem
Gefühl und an österreichischer Ueberzeu¬
gung. Der ganze dramatische Verlauf dieser
Penklub=Affäre hing ganz und gar von dem
Umsturz in Deutschland ab und von der
persönlichen Einstellung jedes einzelnen zu
diesen neuen Zuständen des Geistes oder
vielmehr Ungeistes und deren praktischen,
auch rein ökonomischen Folgen und
Zwangsumständen. Von Oesterreich, davon,
daß wir alle österreichische Schriftsteller
sind, war eigentlich überhaupt nie die Rede
Auch nicht davon, daß dieses geistige Oester¬
reich heute mehr denn je an die Front des
Widerstandes gegen die Nivellierung durch
sinnung auch die Nichtung des ehrenhaften
Gegners miteinschließt.
Ludwig Ullmann.
Es gab und galt also nun nichts an
tische Umstände und Gedankengänge niemals deres mehr als die Ehre des Wiener Pen¬
rein gesellschaftliche und schon gar nicht
klubs zu retten und diese Ehre war denn
kameradschaftliche Bindungen sprengen
könnten.
Auch bei uns in Wien hat, so oft der
Penklub sich um seine Souper-Tischchen
versammelte, keiner von uns je an politische
Gegensätze gedacht. Innerhalb eines nor¬
malen staatlichen und geistigen Lebens wäre
dies auch völlig absurd gewesen. Es mußte
erst das Hitler=Ereignis kommen, von dem
freilich die meisten Penklubmitglieder bis
heute noch nicht begriffen zu haben scheinen,
daß es im Grunde ein unpolitisches Ereig¬
nis, nämlich ein Ereignis gegen jede mensch¬
liche und gesittete Form von Politik ist.
Dies vor allem hat den Wiener Penklub
dem Untergang geweiht: daß man angesichts
der völligen Niedertrampelung und Aus¬
peitschung allen Geisteslebens im Dritten
Reich noch immer an dem vor allem den
Tatsachen noch völlig gegenstandslos ge¬
wordenen Begriff eines geistigen Deutsch¬
land festhielt. Oder vielmehr besser gesagt:
dieses geistige Deutschland, das heute nur in
der Emigration existiert, mit jenen Nazi¬
agenten identifizierte, die sich unterdessen als
neuer gleichgeschalteter deutscher Penklub
etabliert hatten. Es konnte kein Einverständ¬
nis geben, auch kein stillschweigendes, mit
der Unterdrückung und der Banalisierung
des Geistes an sich.
Daß sich einzelne unter den Wiener
Schriftstellern fanden, die in keiner Form
eine Erklärung gegen Deutschland, auch
nicht gegen Hitler=Deutschland, unterzeich¬
nen wollten, ist politisch wie menschlich be¬
greiflich, wenn der einzelne Bücher= oder
Stückeschreiber, der keinerlei politische per¬
sönliche Bindung fühlt, sich das deutsche
Absatzgebiet und damit vielleicht überhaupt
seine ganze Existenzbasis nicht ruinieren
will. Es wird hierbei nur wiederum ver¬
gessen, daß das Naziregime auch diese Art
von submissester politischer Indifferenz
auf die Dauer nicht dulden wird. Es wird
vergessen, daß jeder derartige Schritt, mag
er noch so wohlüberlegte andere sachliche
oder persönliche Beweggründe haben, von
der genügend agilen Hitler=Propaganda als
Bekenntnis zum Dritten Reich gewertet
wird. Das Beispiel liegt bereits vor in
jenem famosen Münchner Interview der
Frau Grete Urbanitzky und in den Kom¬
mentaren der Nazipresse, die etliche Wiener
Schriftsteller triumphierend als Ueberläufer
bezeichnet hat. Diese Ovationen werden so
manchem von ihnen derzeit nicht übermäßig
angenehm sein...
Nun kommt man zum Auffallendsten des
ganzen Penklub=Debakels. Zu dem Mangel
der Penklub=Mitglieder an österreichischem
Gefühl und an österreichischer Ueberzeu¬
gung. Der ganze dramatische Verlauf dieser
Penklub=Affäre hing ganz und gar von dem
Umsturz in Deutschland ab und von der
persönlichen Einstellung jedes einzelnen zu
diesen neuen Zuständen des Geistes oder
vielmehr Ungeistes und deren praktischen,
auch rein ökonomischen Folgen und
Zwangsumständen. Von Oesterreich, davon,
daß wir alle österreichische Schriftsteller
sind, war eigentlich überhaupt nie die Rede
Auch nicht davon, daß dieses geistige Oester¬
reich heute mehr denn je an die Front des
Widerstandes gegen die Nivellierung durch
sinnung auch die Nichtung des ehrenhaften
Gegners miteinschließt.
Ludwig Ullmann.