VII, Verschiedenes 13, 1933–1934, Seite 30

13.
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WIEN, I., WOLLEILE 11
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an
Mittwoch, 27. September


doch, sollte man meinen, eine gemeinsame
und einheitliche, es war die Ehre des Schrift¬
HET
stellers, des geistig schöpferischen Menschen,

des geistig kameradschaftlichen Menschen. Es
war und ist aber auch gerade in diesem Zeit¬
punkt die Ehre des geistigen Oesterreich.
Daß eine österreichische Verbrüderung intel¬
Der zertrümmerte Penklub
lektueller Persönlichkeiten zersprengt wird
aus keinem anderen Grund, als, weil in
Deutschland, in jenem Deutschland, das wir
Das Ereignis an sich ist betrüblich, aber, den Antigeist gehört, daß es jetzt gewisser¬
kaum mehr kennen und wiedererkennen, die
nicht überraschend. Der Wiener Penklub war
Schicksalskollegen gerade dieser Persönlich¬
maßen eine Dienstpflicht enthusiastischer
keiten geschmäht, verfolgt und totgeschwiegen
Unbedenklichkeit gibt. Als der Penklub¬
nie eine wirklich geistige Verbrüderung. Er
werden — das ist ein jämmerlicher Tat¬
Präsident Felix Salten nach Ragusa fuhr,
gab öfters Anlaß und nicht nur Vorwand
bestand.
wollte er der Hitler=Diskussion überhaupt
zu mitunter auch würdigem geselligen Bei¬
ausweichen und hat diese Absicht, die er
sammensein. Er ermöglichte manche schöne
Der Wiener Penklub — schließlich hat
übrigens in Ragusa selbst mit anerkennens¬
und auch notwendige Geste der Huldigung
er noch immer Zeit und Möglichkeit dazu —
werter Deutlichkeit korrigierte, später mit
für diesen oder jenen Besucher aus geistigen
müßte gerade jetzt in die vaterländische
der Rücksicht auf jene reichsdeutschen Kame¬
Gefilden. Die innere Verbundenheit der hie¬
Front des Geistes einrücken. Es gab und
raden, die der Verfolgung knapp noch ent¬
vereinigten Schriftsteller jedoch durfte nie¬
gibt diese vaterländische Front vermutlich
gangen waren, begründet. Es war also eine
mals überschätzt werden. Dabei spielte das
sogar nicht erst, seit Grillparzer die Träume
menschliche Absicht, über die sich im Augen¬
politische Moment eigentlich noch die ge¬
seiner Bitterkeit ausschöpfte und Arthur
blick, wäre sie in jenem Augenblick so genau
ringste Rolle. Es ist jetzt viel die Rede von
Schnitzler die Wienerwaldhänge seiner
formuliert worden, gewiß hätte diskutieren
dem „überparteilichen Charakter des Pen¬
Levete entlang schritt. In dieser Front
lassen. Sehr bald aber schwanden ja alle
gibt es auch keinen Unterschied und keinen
klubs. Die Wahrheit ist, daß sein eigentlicher
solche Möglichkeiten und Spekulationen auf
Gegensatz der Meinung, soweit diese wie
Gründer John Galsworthy an politische
einen letzten Rest humanitärer Gewissens¬
jede wahre und aufrechte menschliche Ge¬
Spaltungen kaum ernstlich gedacht hat.
regung der Nazisieger.
sinnung auch die Achtung des ehrenhaften
Schon deshalb nicht, weil in England poli¬
Es gab und galt also nun nichts an¬
Gegners miteinschließt.
tische Umstände und Gedankengänge niemals
deres mehr als die Ehre des Wiener Pen¬
rein gesellschaftliche und schon gar nicht klubs zu retten und diese Ehre war denn
Ludwig Ullmann.
kameradschaftliche Bindungen sprengen
könnten.
Auch bei uns in Wien hat, so oft der
Penklub sich um seine Souper-Tischchen
versammelte, keiner von uns je an politische
Gegensätze gedacht. Innerhalb eines nor¬
malen staatlichen und geistigen Lebens wäre
dies auch völlig absurd gewesen. Es mußte
erst das Hitler=Ereignis kommen, von dem
freilich die meisten Penklubmitglieder bis
heute noch nicht begriffen zu haben scheinen,
daß es im Grunde ein unpolitisches Ereig¬
nis, nämlich ein Ereignis gegen jede mensch¬
liche und gesittete Form von Politik ist.
Dies vor allem hat den Wiener Penklub
dem Untergang geweiht: daß man angesichts
der völligen Niedertrampelung und Aus¬
peitschung allen Geisteslebens im Dritten
Reich noch immer an dem vor allem den
Tatsachen noch völlig gegenstandslos ge¬
wordenen Begriff eines geistigen Deutsch¬
land festhielt. Oder vielmehr besser gesagt:
dieses geistige Deutschland, das heute nur in
der Emigration existiert, mit jenen Nazi¬
agenten identifizierte, die sich unterdessen als
neuer gleichgeschalteter deutscher Penklub
etabliert hatten. Es konnte kein Einverständ¬
nis geben, auch kein stillschweigendes, mit

gen