VII, Verschiedenes 13, 1933–1934, Seite 37

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13. Miscellaneous
GRA
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Neue
NOV
vom
(Ein Schuß in das Fenster der Villa Schnitzlers.) An einem
Septembermontag bemerkte Frau Olga Schnitzler, die
Witwe des Dichters, daß ihr Wohnungsfenster, das auf die
Sternwartestraße mündet, durchschossen war. Auf dem
Boden des Zimmers fand man kleine Glasscherben, und bald
wurde auch ein Stück eines Bleiprojektils entdeckt. Die
unheimliche Feststellung veranlaßte Frau Schnitzler, sofort die
Polizei zu verständigen. Der Verdacht lenkte sich auf den in der
gleichen Straße wohnhaften Studenten Hans Schmutzer,
den Sohn des bekannten Radierers Professor Ferdinand
Schmutzer. Der Student hatte nämlich im Garten seines Vaters
auf Vögel geschossen. Die Anklagebehörde nahm nun an, daß
Schutzer hiebei unvorsichtigerweise in das Nachbarhaus
Neues Wiener Tagblatt
geschossen habe, und so mußte er sich vor dem Döblinger Straf
richter Dr. Wagner=Löffler wegen Gefährdung der
körperlichen Sicherheit verantworten.
Der Angeklagte gab zu, daß er einen Tag vor der Ent
deckung der Einschußoffnung im Hofe aus Amseln und Eich
hörnchen geschossen habe, weil diese das Obst beschädigten
Es sei jedoch ganz ausgeschlossen, daß der gefährliche Schuß von
ihm stamme, da dies von Frau Schnitzler noch am gleichen Tag
hätte entdeckt werden müssen. Frau Schnitzler sagte als Zeugin
aus, daß sie erst der Meinung gewesen sei, ein Stückchen ihres
Glaslusters sei abgebrochen. Erst als sie aufs Fenster blickte
sah sie, was geschehen war. Sie telephonierte zunächst an die
ihr befreundete Familie Schmutzer, ob der Schuß nicht von
drüben gekommen sei. Dies wurde verneint, worauf Frau
Schnitzler die Polizei verständigte. Tatsächlich waren die zwei
Fensterscheiben so durchschossen, fährt die Zeugin in ihrer Aus¬
sage fort, daß ich annehmen muß, daß die Kugel von unten
also von der Straße, und nicht aus dem Hof gekommen ist
Das Wichtigste aber ist folgendes: Ich habe meinem Freund
Dr. Beer=Hofmann die Sache erzählt, und seine Gattin
meinte dazu: „Das ist bei uns auch schon passiert, aber
wir haben keine Anzeige erstattet, weil es sich möglicherweise
nur um einen Mutwillenstreich handelt. Vielleicht haben Buben
das Fenster durch Steinwürfe eingehaut." Bitte, Herr Rat, ich
betone, für mich wäre es viel beruhigender, wenn ich wüßte,
daß in meinem Falle nur von einem versehentlichen Schuß die
Rede sein kann. Das Dienstmädchen Frau Schnitzlers er¬
klärte, daß sie am Sonntag abend, es dürfte gegen ½7 Uhr
gewesen sein, noch keine Glasscherben bemerkt habe, obwohl sie
viel in der Wohnung herumgegangen sei. — Angekl.: Und ich
hätte auch höchstens bis sechs Uhr schießen können, da es ja schon
um diese Zeit finster war. Der Richter beschloß, die Ver¬
handlung zur Einvernahme des Kriminalbeamten zu vertagen
und festzustellen, ob der Schuß von der Straße abgegeben
werden konnte.
SERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
erstellung, Wien
vom
NOV. 195
Schuß in das Fenster der
Witwe Schnitzlers.
An einem Septembermontag bemerkte
Frau Olga Schnitzler, die Witwe des
Schriftstellers Artur Schnitzler, daß ihr
Wohnungsfenster, das auf die Sternwarte¬
straße mündet, durchschossen war. Am Boden
des Zimmers fand man Glasscherben und
ein Stück eines Bleiprojektils. Der un¬
heimliche Fund veranlaßte Frau Schnitzler,
die Polizei zu alarmieren. Der Verdacht
lenkte sich auf den in der gleichen Straße
wohnhaften Studenten Hans Schmutzer,
den Sohn des bekannten Radierers Professor
Ferdinand Schmutzer. Der Student hat¬
nämlich im Garten seines Vaters auf Vögel
geschossen. Die Anklagebehörde nahm nun an,
daß Schmutzer hiebei unvorsichtigerweise in
das Nachbarhaus geschossen habe, und so
mußte sich dieser vor dem Döblinger Straf¬
richter Dr. Wagner=Löffler wegen
Gefährdung der körperlichen Sicherheit ver¬
antworten.
Schmutzer gab zu, daß er einen Tag vor
der Entdeckung der Einschußoffnung im Hofe
aus Amseln und Eichhörnchen geschossen habe,
weil diese das Obst beschädigten. Es sei jedoch
ganz ausgeschlossen, daß der gefährliche Schuß
von ihm stamme, da dies von Frau Schnitzler
noch am gleichen Tag hätte entdeckt werden
müssen. Frau Schnitzler bekundete als
Zeugin, daß sie erst der Meinung gewesen sei,
ein Stückchen ihres Glaslusters sei abgebrochen.
Erst als sie aufs Fenster blickte, sah sie, was
geschehen war. Sie telephonierte zunächst an
die ihr befreundete Familie Schmutzer, ob der
Schuß nicht von drüben gekommen sei. Dies
wurde verneint, worauf Frau Schnitzler die
Polizei verständigte. Tatsächlich waren die
zwei Fensterscheiben so durchschossen, sagte die
Zeugin, daß ich annehmen muß, daß die Kugel
von unten, also von der Straße und
nicht aus dem Hof gekommen ist. Das wichtigste
aber ist folgendes: Ich habe meinem Freund
Dr. Beer=Hofmann die Sache erzählt,
und seine Gattin meinte dazu: „Das ist bei
uns auch schon passiert, aber wir haben
keine Anzeige erstattet, weil es sich möglicher¬
weise nur um einen Mutwillensstreich handelt.
Vielleicht haben Buben das Fenster durch
Steinwürfe eingehaut." Bitte, Herr Rat, ich
betone, für mich wäre es viel beruhigender,
wenn ich wüßte, daß in meinem Fall nur von
einem versehentlichen Schuß die Rede sein
kann.
Das Dienstmädchen der Frau Schnitzler
erklärte, daß es am Sonntag abend, es dürfte
gegen ½7 Uhr gewesen sein, noch keine Glas¬
scherben bemerkt habe, obwohl es viel in der
Wohnung herumgegangen sei. — Angekl.:
Und ich hätte auch höchstens bis 6 Uhr schießen
können, da es ja schon um diese Zeit finster
war.
Der Richter beschloß, die Verhandlung zur
Einvernahme des Kriminalbeamten zu ver¬
stagen und festzustellen, ob der Schuß von der
Straße abgegeben werden konnte.