13. Miscellaneous
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TELEPHON -2-
Ausschnitt aus:
vom
11.
Jules Romains in Wien.
Jules Romains, der bekannte französische Dichter, ist
jestern abend, von Paris kommend, hier eingetroffen, wo er
m Rahmen des Kulturbundes heute abend im Konzerthaus
inen Vortrag über „Auteur et public" halten wird. Er
st in Wien kein Unbekannter mehr. Zu wiederholten Malen
hat er sich hier aufgehalten, namentlich anläßlich der großen
Beethoven=Feierlichkeiten und der Aufführung seines
Diktator“ im Burgtheater. Jules Romains hat in jungen
Jahren den „Unanimismus" begründet, der für die zeit¬
genössische französische Literatur von entscheidender
Wirkung war.
Nachdem Jules Romains seine Wiener Freunde be¬
grüßt hat, entspinnt sich bald ein Gesprach, das sich natürlich
um die zeitgenössische Literatur im allgemeinen und speziell
um das Werk des Dichters dreht.
„Wie Sie wissen, widme ich mich jetzt ganz meinem
großen Romanzyklus „Les Hommes de bonne volonté, dessen
fünfter und sechster Band eben erschienen sind. Ich sehe noch
eine weite Entwicklung dieses Werkes voraus, an dem ich
bisher nur Freude erlebt habe. Dieses Werk, das einen
Querschnitt durch das französische Leben der letzten fünfund¬
zwanzig Jahre darstellt, soll noch sehr ausgebaut werden. Ich
arbeite aber außerdem gleichzeitig noch an einem großen Ge¬
dicht L'homme blanc. Ab und zu aber verlasse ich ganz gern
mein Arbeitszimmer und gehe auf Reisen. So habe ich jetzt
eine große Vortragstournee hinter mir, die mich durch
Norwegen und Dänemark geführt hat und auf der ich außer
dem heutigen Thema auch ein zweites behandelte, in dem ich
zu ergründen suchte, was Europa vom französi¬
schen Geiste zu erwarten hat.
Wir stehen in der Literatur jetzt im Stadium der Ver¬
wirklichung und haben das Suchen und Tasten der Nach¬
kriegszeit überwunden. Das Publikum verlangt von uns
Dichtern mehr als Essays und Skizzen, es will wieder größere,
langatmigere Werke zu lesen bekommen. Eine gewaltige
Reaktion gegen den oberflächlichen Snobbismus der „Jazz¬
literatur", wie ich diese Nachkriegsprodukte nennen möchte,
macht sich immer mehr bemerkbar. In Frankreich ist man
überhaupt Neuerungen viel schwerer zugänglich: alles wird
nur sehr langsam und vorsichtig aufgenommen, dafür aber
wiel länger und ausdauernder bevorzugt. Deshalb wirken sich
verschiedene kurzlebige Richtungen, die in andern Ländern
immerhin eine Zeitlang bestehen, bei uns erst gar nicht
aus. In meinen Mußestunden schreibe ich auch für eine große
Zeitung, die „Dépêche de Toulouse, politische Aufsätze und
Betrachtungen. Da das Blatt in französischen Parlaments¬
kreisen sehr verbreitet ist, so habe ich oft mit Genugtuung
feststellen können, daß meine Meinung eine sehr direkte
Wirkung auf die Debatten ausgeübt hat. Innige Freundschaft
verbindet mich mit Stefan Zweig, dessen Umdichtung von
Volpone“ ich in Paris aufführen lassen konnte. Jetzt, da ich
wieder in Wien weile, muß ich in trauernder Erinnerung
zweier zu früh verstorbener großer österreichischer Dichter ge¬
denken, die beide in Paris und Frankreich als Repräsentanten
des geistigen Oesterreichertums viele Freunde und Bewunderer
haben: Arthur Schnitzler und Hugo v. Hofmannsthal. Ich
würde sehr begrüßen, wenn die empfindsamen, schönen
lyrischen Essays von Hofmannsthal ins Französische übersetzt
den.
In meinem Wi¬
ich keine
auf Grund
persönli-
chen
was das
in
in den ver¬
chiedenen
schaffen
ever.
a
the
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TELEPHON -2-
Ausschnitt aus:
vom
11.
Jules Romains in Wien.
Jules Romains, der bekannte französische Dichter, ist
jestern abend, von Paris kommend, hier eingetroffen, wo er
m Rahmen des Kulturbundes heute abend im Konzerthaus
inen Vortrag über „Auteur et public" halten wird. Er
st in Wien kein Unbekannter mehr. Zu wiederholten Malen
hat er sich hier aufgehalten, namentlich anläßlich der großen
Beethoven=Feierlichkeiten und der Aufführung seines
Diktator“ im Burgtheater. Jules Romains hat in jungen
Jahren den „Unanimismus" begründet, der für die zeit¬
genössische französische Literatur von entscheidender
Wirkung war.
Nachdem Jules Romains seine Wiener Freunde be¬
grüßt hat, entspinnt sich bald ein Gesprach, das sich natürlich
um die zeitgenössische Literatur im allgemeinen und speziell
um das Werk des Dichters dreht.
„Wie Sie wissen, widme ich mich jetzt ganz meinem
großen Romanzyklus „Les Hommes de bonne volonté, dessen
fünfter und sechster Band eben erschienen sind. Ich sehe noch
eine weite Entwicklung dieses Werkes voraus, an dem ich
bisher nur Freude erlebt habe. Dieses Werk, das einen
Querschnitt durch das französische Leben der letzten fünfund¬
zwanzig Jahre darstellt, soll noch sehr ausgebaut werden. Ich
arbeite aber außerdem gleichzeitig noch an einem großen Ge¬
dicht L'homme blanc. Ab und zu aber verlasse ich ganz gern
mein Arbeitszimmer und gehe auf Reisen. So habe ich jetzt
eine große Vortragstournee hinter mir, die mich durch
Norwegen und Dänemark geführt hat und auf der ich außer
dem heutigen Thema auch ein zweites behandelte, in dem ich
zu ergründen suchte, was Europa vom französi¬
schen Geiste zu erwarten hat.
Wir stehen in der Literatur jetzt im Stadium der Ver¬
wirklichung und haben das Suchen und Tasten der Nach¬
kriegszeit überwunden. Das Publikum verlangt von uns
Dichtern mehr als Essays und Skizzen, es will wieder größere,
langatmigere Werke zu lesen bekommen. Eine gewaltige
Reaktion gegen den oberflächlichen Snobbismus der „Jazz¬
literatur", wie ich diese Nachkriegsprodukte nennen möchte,
macht sich immer mehr bemerkbar. In Frankreich ist man
überhaupt Neuerungen viel schwerer zugänglich: alles wird
nur sehr langsam und vorsichtig aufgenommen, dafür aber
wiel länger und ausdauernder bevorzugt. Deshalb wirken sich
verschiedene kurzlebige Richtungen, die in andern Ländern
immerhin eine Zeitlang bestehen, bei uns erst gar nicht
aus. In meinen Mußestunden schreibe ich auch für eine große
Zeitung, die „Dépêche de Toulouse, politische Aufsätze und
Betrachtungen. Da das Blatt in französischen Parlaments¬
kreisen sehr verbreitet ist, so habe ich oft mit Genugtuung
feststellen können, daß meine Meinung eine sehr direkte
Wirkung auf die Debatten ausgeübt hat. Innige Freundschaft
verbindet mich mit Stefan Zweig, dessen Umdichtung von
Volpone“ ich in Paris aufführen lassen konnte. Jetzt, da ich
wieder in Wien weile, muß ich in trauernder Erinnerung
zweier zu früh verstorbener großer österreichischer Dichter ge¬
denken, die beide in Paris und Frankreich als Repräsentanten
des geistigen Oesterreichertums viele Freunde und Bewunderer
haben: Arthur Schnitzler und Hugo v. Hofmannsthal. Ich
würde sehr begrüßen, wenn die empfindsamen, schönen
lyrischen Essays von Hofmannsthal ins Französische übersetzt
den.
In meinem Wi¬
ich keine
auf Grund
persönli-
chen
was das
in
in den ver¬
chiedenen
schaffen
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