13. Miscellaneous
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stlerische Symbolisten los. Und die Leser - tertii gaudentes
Er kam unterhielten sich großartig. „Ich habe zwei Kapitäne an
rück als Bord, bezeichnete Wilhelm Singer, der Chef Pötzl
neuen
und Bahrs, die Sachlage, „aber der Steuermann
Wien
bin ich!
auf ihn
Kurz, Hermann Bahr machte jede geistige Mode
er wird
mit, aber vorher, solange sie noch nicht Mode war,
kel der
nachher interessierte sie ihn nicht. Er fühlte die Dinge
Gefühl
voraus und verließ sie, wenn sie eintraten, denn es
hen, ihr
waren andre vorauszufühlen. Vinzenz Chiavacci hatte
damals zwei Urwiener Typen geschaffen, die „Frau
Sopherl vom Naschmarkt" und den „Herrn von
s Hin¬
Adabei. Ein idealer Herr von Adabei, aber auch das
er nicht
Gegenteil, war Hermann Bahr. Anscheinend aben¬
empfing
teuernd und wetterwendisch, drehsüchtig und ver¬
gefinger
wandlungslüstern, suchte er immer nach höheren, nach
se bein
reicheren, immer besseren Blickpunkten für die Welt.
sondern
Ach, und die Welt stand bis zum Gipfel hinauf voll von
dina¬
neuen halb= und unentschleierten Göttern. Es war,
bereiter
wie der Verarmte hinterher sieht, eine reiche Zeit. Da
ben.
standen Ibsen, Strindberg, Nietzsche, da war Stendal,
er mit
Bourget, Baudelaire, Verlaine, Zola und Maurice
immer
Barrès
jener Barrès, nach dem Bahr sich horchend
under
es mit aufrichtete, da waren die Brüder Goncourt, Huys¬
mans, Wilde, da waren Schnitzler, Hofmannsthal, Max
ben, ich
Burckhardt, Kold Hauptmann und
art.
Halbe — kurz, es war des Entdeckens, Enthüllens,
kündeter
Entschleierns kein Ende. Und Hermann Bahr, hin¬
Kultur¬
gerissen von der Fülle, ein geborner geistiger
Bahn
Schlangenmensch, fand sich zu jedem, wurde Dekadent
nntags¬
und Impressionist, Naturalist und Uebernaturalist,
goldn.
gemacht Bejaher und Ueberwinder, er holte die Zukunft ein und
gleichen blickte dann zurück. Das Zeichen, worin er geboren,
wurde, war der Sagittarius, der Bogenschütze, der „in
Jeden
Couple alten Zeiten gern als Zentaur“ abgebildet wurde
Wagner vorwärtsschnaubend, doch mit zurückgewendeten
sche Am Haupt.
Und der, zu dem er vorwärtsschnaubend zurück
ner ist
fand, hieß: Goethe. Es ist vielleicht sein allergrößte
Pötz¬
saken, so Verdienst, den zukünftigsten Künstler Deutschlands, de
er und allerweitest vorangedrungenen eingeholt, den
Dämmer des nächsten Jahrhunderts Stehenden den es erschien 180,
Deutschen bekanntgemacht zu haben. Hatte Richard nähe der gläubi
Wagner als Kapellmeister durch neue Zeitmaße den er immer gewesen
Sinn der Beethovenschen und Weberschen Melodie er¬ er sich selbst nannt
klärt, so erklärte Bahr den verschollenen Goethe mit auf dem Vortrags
dem Gehör für die inneren Werte, und man darf ihn der von Oesterre
ehrenvoll den Generalmusikdirektor J. W. v. Goethe
gleichen Eifer spra
nennen.
Naturell der Duse.
So drang die „interessante Begebenheit Hermann
Ohr: Ex Austria
Bahr in seine Zeit ein und wurde eine Macht. Er hat was heute an
Adalbert Stifter wiederentdeckt, und er war der erste
Sehers. Nach
der das Rätsel Hugo Wolf erriet. Er schildert Wolf, wie
Leiter des Burgt
er in einer Dachkammer des Trattnerhofes am früher
persönlich wenigen
Morgen seinen eben vom Trinken und „Drahn" heim¬
Direktor gegeben
gekehrten Kameraden schwelgerisch Verse aus Kleist
und lehrreichsten
„Penthesilea" vorlas. Und er hat in einem ans Okkulte wenn man Bahrin
streifenden Einakter („Der arme Narr") — Kainz gal
Füßen sitzen und
ihn unvergeßbar - Wolf, den Narren, über die Berufs¬
aus einem Bahrsch¬
und Normalmenschen triumphieren lassen, weil er die
Ignaz Seipel kam
Fähigkeit besaß, eine einzige deutsche Versmelodie zu
Bahr zu einem S
hören, die die andern eben nicht hörten: „Der Herbst
über die Ringstra
schaut übers Joch.
Berufen Gott dien
Bahr wurde, sagten wir, eine Macht, ohne es zu
Es gab zuletzt
wollen: plaudernd, systemlos lehrend, im Kaffeehaus
Bahr, dessen Pha¬
in seiner Wohnung, in seinen Büchern eine Macht. Ein
Müde und mit verk
Thema tippte ihn an, die Brause seines Geistes entlut
Mund. Eine große
sich. Und wir alle haben von ihm gelernt wie die der sich selbst nicht
Koranschüler in der Medresse, auch die, die nur in
Czernowitz präsenti¬
Distanz von ihm lebten, nicht sein Kaffeehaus, seine
mochte es wissen.
Wohnung, auch ihn selbst nicht kannten, kein Gespräch
wachen Geist, ein
keine Korrespondenz mit ihm pflogen, nicht einmal seine ausbrannte.
Bücher lasen. Er wirkte, weil er da war. Wie jede Kraft
Und es die
durch die Luft wirkt. Wie Wagner auf den Komponisten
lange vor Hermann
der „Alda", obwohl Verdi bloß die „Tannhäuser
steller und Dichter
Ouvertüre kannte. Oder wie es heute noch auf dem
der Dramen und
Balkan ist, wo man in Tetowo genau weiß, was der
Schulmeister, Anak
Fremde in Monaster gesprochen hat. So wirkte Bahr
Proteus seiner selbst
Es gab einmal einen jungen Hermann Bahr, der
steht heute der weiß
sein Einjährigenfahr bei den Deutschmeistern machte
Bahr vor uns, al¬
das Virginiastroh hinterm Ohr, „Sechser“ an den gewesen: nunquam
Schläfen, vibrierend von Feschität. Es gab, wir sahen das Motiv dieser for
es, den dreißigjährigen Frondeur Hermann Bahr, und Fluß befindlichen
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stlerische Symbolisten los. Und die Leser - tertii gaudentes
Er kam unterhielten sich großartig. „Ich habe zwei Kapitäne an
rück als Bord, bezeichnete Wilhelm Singer, der Chef Pötzl
neuen
und Bahrs, die Sachlage, „aber der Steuermann
Wien
bin ich!
auf ihn
Kurz, Hermann Bahr machte jede geistige Mode
er wird
mit, aber vorher, solange sie noch nicht Mode war,
kel der
nachher interessierte sie ihn nicht. Er fühlte die Dinge
Gefühl
voraus und verließ sie, wenn sie eintraten, denn es
hen, ihr
waren andre vorauszufühlen. Vinzenz Chiavacci hatte
damals zwei Urwiener Typen geschaffen, die „Frau
Sopherl vom Naschmarkt" und den „Herrn von
s Hin¬
Adabei. Ein idealer Herr von Adabei, aber auch das
er nicht
Gegenteil, war Hermann Bahr. Anscheinend aben¬
empfing
teuernd und wetterwendisch, drehsüchtig und ver¬
gefinger
wandlungslüstern, suchte er immer nach höheren, nach
se bein
reicheren, immer besseren Blickpunkten für die Welt.
sondern
Ach, und die Welt stand bis zum Gipfel hinauf voll von
dina¬
neuen halb= und unentschleierten Göttern. Es war,
bereiter
wie der Verarmte hinterher sieht, eine reiche Zeit. Da
ben.
standen Ibsen, Strindberg, Nietzsche, da war Stendal,
er mit
Bourget, Baudelaire, Verlaine, Zola und Maurice
immer
Barrès
jener Barrès, nach dem Bahr sich horchend
under
es mit aufrichtete, da waren die Brüder Goncourt, Huys¬
mans, Wilde, da waren Schnitzler, Hofmannsthal, Max
ben, ich
Burckhardt, Kold Hauptmann und
art.
Halbe — kurz, es war des Entdeckens, Enthüllens,
kündeter
Entschleierns kein Ende. Und Hermann Bahr, hin¬
Kultur¬
gerissen von der Fülle, ein geborner geistiger
Bahn
Schlangenmensch, fand sich zu jedem, wurde Dekadent
nntags¬
und Impressionist, Naturalist und Uebernaturalist,
goldn.
gemacht Bejaher und Ueberwinder, er holte die Zukunft ein und
gleichen blickte dann zurück. Das Zeichen, worin er geboren,
wurde, war der Sagittarius, der Bogenschütze, der „in
Jeden
Couple alten Zeiten gern als Zentaur“ abgebildet wurde
Wagner vorwärtsschnaubend, doch mit zurückgewendeten
sche Am Haupt.
Und der, zu dem er vorwärtsschnaubend zurück
ner ist
fand, hieß: Goethe. Es ist vielleicht sein allergrößte
Pötz¬
saken, so Verdienst, den zukünftigsten Künstler Deutschlands, de
er und allerweitest vorangedrungenen eingeholt, den
Dämmer des nächsten Jahrhunderts Stehenden den es erschien 180,
Deutschen bekanntgemacht zu haben. Hatte Richard nähe der gläubi
Wagner als Kapellmeister durch neue Zeitmaße den er immer gewesen
Sinn der Beethovenschen und Weberschen Melodie er¬ er sich selbst nannt
klärt, so erklärte Bahr den verschollenen Goethe mit auf dem Vortrags
dem Gehör für die inneren Werte, und man darf ihn der von Oesterre
ehrenvoll den Generalmusikdirektor J. W. v. Goethe
gleichen Eifer spra
nennen.
Naturell der Duse.
So drang die „interessante Begebenheit Hermann
Ohr: Ex Austria
Bahr in seine Zeit ein und wurde eine Macht. Er hat was heute an
Adalbert Stifter wiederentdeckt, und er war der erste
Sehers. Nach
der das Rätsel Hugo Wolf erriet. Er schildert Wolf, wie
Leiter des Burgt
er in einer Dachkammer des Trattnerhofes am früher
persönlich wenigen
Morgen seinen eben vom Trinken und „Drahn" heim¬
Direktor gegeben
gekehrten Kameraden schwelgerisch Verse aus Kleist
und lehrreichsten
„Penthesilea" vorlas. Und er hat in einem ans Okkulte wenn man Bahrin
streifenden Einakter („Der arme Narr") — Kainz gal
Füßen sitzen und
ihn unvergeßbar - Wolf, den Narren, über die Berufs¬
aus einem Bahrsch¬
und Normalmenschen triumphieren lassen, weil er die
Ignaz Seipel kam
Fähigkeit besaß, eine einzige deutsche Versmelodie zu
Bahr zu einem S
hören, die die andern eben nicht hörten: „Der Herbst
über die Ringstra
schaut übers Joch.
Berufen Gott dien
Bahr wurde, sagten wir, eine Macht, ohne es zu
Es gab zuletzt
wollen: plaudernd, systemlos lehrend, im Kaffeehaus
Bahr, dessen Pha¬
in seiner Wohnung, in seinen Büchern eine Macht. Ein
Müde und mit verk
Thema tippte ihn an, die Brause seines Geistes entlut
Mund. Eine große
sich. Und wir alle haben von ihm gelernt wie die der sich selbst nicht
Koranschüler in der Medresse, auch die, die nur in
Czernowitz präsenti¬
Distanz von ihm lebten, nicht sein Kaffeehaus, seine
mochte es wissen.
Wohnung, auch ihn selbst nicht kannten, kein Gespräch
wachen Geist, ein
keine Korrespondenz mit ihm pflogen, nicht einmal seine ausbrannte.
Bücher lasen. Er wirkte, weil er da war. Wie jede Kraft
Und es die
durch die Luft wirkt. Wie Wagner auf den Komponisten
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der „Alda", obwohl Verdi bloß die „Tannhäuser
steller und Dichter
Ouvertüre kannte. Oder wie es heute noch auf dem
der Dramen und
Balkan ist, wo man in Tetowo genau weiß, was der
Schulmeister, Anak
Fremde in Monaster gesprochen hat. So wirkte Bahr
Proteus seiner selbst
Es gab einmal einen jungen Hermann Bahr, der
steht heute der weiß
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Bahr vor uns, al¬
das Virginiastroh hinterm Ohr, „Sechser“ an den gewesen: nunquam
Schläfen, vibrierend von Feschität. Es gab, wir sahen das Motiv dieser for
es, den dreißigjährigen Frondeur Hermann Bahr, und Fluß befindlichen