VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 5

13. Miscellaneous
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Gestalten von solcher Frische und von
Eine osterreichische
so tiefer Menschlichkeit, daß sie ruhig neben
den Figuren aus den berühmten Werken be¬
Shakespeare-Aufführung
stehen können. Die daran vorgenommene
So eigentümlich es klingt, es ist doch „Bearbeitung" beschränkt sich selbstver¬
wahr: Es gibt Shakespeare-Stücke, die bei ständlich nur auf ganz leichte Retouchen.
Hie und da werden psychologische Motive
uns überhaupt noch nicht auf die Bühne
gekommen sind. Eines von diesen wird in stärker herausgearbeitet und stellenweise
werden Charakterzüge, die dem Empfinden
der von Walter Firner geleiteten „Öster¬
unserer Zeit nicht mehr ganz entsprechen,
reichischen Volksbühne am Samstag zum
erstenmal gespielt werden. Der Schauplatz gemildert.
Ich bin froh, daß ich wenigstens auf die¬
dieser „Uraufführung eines Shakespeare
sem Wege wieder Kontakt mit Wien be¬
Werkes in Österreich ist die „Scala, mit
wirkend sind lauter erreichische Schau¬ komme, mit Wien, mit dem mich mein
spieler Schauspielerinnen. Die Regie ganzes Leben über geistige Beziehungen
verbunden haben. So verdanke ich unend¬
führt Frau Direktor Ziegel, Gattin des
lich viel dem unvergeßlichen Arthur
Leiters der Hamburger Kammerspiele, aber
Schnitzler — um nur einen Namen zu nen¬
auch dessen eifrigste und fleißigste Mit¬
nender für meine künstlerische Ent¬
arbeiterin. Also nicht „Direktorin
wicklung eine große Bedeutung gehabt hat.
Grund eines Ehekontrakts, sondern
Grund ihrer künstlerischen Arbeit.
Shakespearesche Dichtung, die man zum
erstenmal auf der Bühne sehen wird, ist das
Lustspiel „Die beiden Veroneser“.
Über die Inszenierung erzählt Frau Direktor
Ziegel folgendes:
„Wien ist künstlerisch für mich kein frem¬
der Boden, ich hatte seinerzeit Gelegenheit,
unter Direktor Emil Geyer hier als Schau¬
spielerin zu gastieren, aber als Regisseurin
ist es ein Debut. Zur Regie bin ich auf dem
Umweg über das eigene Spielen gekommen.
ich begann damit vor neun Jahren und muß
gestehen, daß diese Aufgaben mich unge¬
mein reizen. So sehr, daß sie meine aktive
Bühnentätigkeit eigentlich immer mehr zu¬
rückdrängen. Das soll natürlich nicht
heißen, daß ich in Hamburg gar nicht mehr
Theater spiele — eine meiner letzten Rollen
war „Die Frau, die weiß, was sie will von
Oskar Strauß und Alfred Grünwald —, aber
wie gesagt, Regie führen fesselt mich immer
mehr. Die Hamburger Kammerspiele sind
unter der Direktion meines Mannes — ich
darf es, glaube ich, ohne Überhebung sagen
zu einem richtigen Shakespeare-Theater
von Deutschland geworden. Neben einem
gemischten modernen und klassischen
Repertoire spielen wir systematisch Shake¬
speare-Stücke. Besonders gern jene, die
wenig oder gar nicht bekannt sind. Mein
Mann hat sich gewissermaßen zu einen
Spezialisten für Bühneneinrichtungen dieser
Stücke entwickelt und auch die am Sams
tag von der „Österreichischen Volksbühne
gespielten „Beiden Veroneser“ haben von
ihm ihre jetzige Bühnenform erhalten. Die
„Beiden Veroneser sind meinem Gefühl
nach (und ich hoffe, daß das Publikum mir
recht geben wird) eines der bezauberndsten
Spiele des großen englischen Dichters und
es ist eigentlich unbegreiflich, warum es so
unbekannt geblieben ist. Es sind da einige