VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 54

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13. Miscellaneous
„OBSERVER
1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus

vom
1935
ihnen wohnte ein funger,
Währinger Grund, und die Siedlung schob sich immer
weiter ins Wein= und Ackergelände vor. Bei der Feld= ebenfalls bald von Erfol¬
gasse, die heute Gymnasiumstraße heißt, fing es an. Da Thimig. Als er heiratet
Feuilleton
wuchsen sie wie Pilze aus der Erde, diese Villen, deren kurze Zeit, doch kehrte er
die liebgewordene Gege
Stil zwischen Schweizerhäuschen und falscher Goti¬
Cottage.
und Renaissance schwankte (begann doch damals eigenes Haus mit einem
Von Anna Katharina Rehmann.
heute noch selbst pflegt.
Makarts Stern zu strahlen), mit Erkern, Türmchen und
jungen Jahren die fr
Das war an einem schönen Frühlingstag, zu Balkons geschmückt, gegen Süden und Osten ab¬
geschlossen. Denn es war die Zeit der Schleier und
geübt, sein Leben zwisch
Anfang der siebziger Jahre, als sich der Architekt Ferstel
Sonnenschirme, der Butzenscheiben und Garten dankbaren Beschäftigung
entschloß, einen Ausflug ins Grüne zu machen. Ueber
häuschen —, die Zeit der Sonnenangst. Und in diese künstlerischen Arbeit zu
die Währinger Hauptstraße und die Feldgasse wanderte
etwas zu feierlichen Häuser mit den etwas zu schattigen Haus gewissermaßen ein
er, an alten Heurigenschenken und jungen Gärten
wachsen ist, braucht nich
vorbei, bis hinüber zum Döblinger Spitz, und dann Gärten zogen alsbald die Mitglieder des neuen Cottage¬
vereines. Zunächst Menschen, die nicht mehr im Beruf Auch eine Tochter des
weiter, gegen Westen, ins freie Land hinaus. Felder
Cottage treu geblieben.
standen — denn wer konnte täglich den weiten Weg in
Weinberge, Weinberge, Felder, dazwischen ein paar
die Stadt zurücklegen? Also Rentner — und es gab Industriellen Max v. G
Wiesenstücke, auf denen Ziegen weiden, und gelbe Sand
aneinanderstießen, zu sei¬
damals noch Rentner —, pensionierte Offiziere und
gruben, deren seltsame Formationen sich vergebens be¬
zum Mittelpunkt eines
mühen, der lieblichen Gegend etwas Wildes zu Beamte, die relativ leicht zu einem eigenen Haus und
machte. — Dem Beispiel
Grund gelangten. Sie entrichteten anstatt der Miet¬
verleihen. Freilich, dort im Norden, die Türkenschanze
v. Sonnenthal. Er üb¬
mit den Pulvermagazinen, sieht recht wehrhaft aus. Zur eine regelmäßige Abzahlung an den Verein, und nach
schauspielerin Straßmann
einer gewissen Reihe von Jahren war der Besitz ih¬
Zeit der Truppenübungen ist der alte Kampfplatz
seine Nachbarn sahen
Eigentum. Sie konnten in guter Luft und ländlichen
erfüllt von Kommandorufen, vom Gerassel und Ge¬
Ruhe einem friedlichen Lebensabend entgegengehen und Hofequipagen bei ihm v.
trappel, und die Soldaten bringen mit ihrer Ein¬
und Erzherzoge scheuten¬
sich außerdem noch daran freuen, daß hier draußen alles
quartierung ein lautes, lustiges Leben in die
ort nicht, um den bew¬
so viel billiger war als diesseits des Linienwalles, der
verträumten Gassen von Währing und Weinhaus. be¬
freundschaftlich verbund
Wiens neun Bezirke einschloß und an dessen Schranken
heute herrscht Ruhe und Gottesfriede. Herr Ferstel hat
suchen. Als nächster zog
die nicht unbeträchtliche Lebensmittelsteuer eingehoben
die Schanze erstiegen, blickt hinüber zu den zauberhaft
den heute noch die Ged
weichen Linien des Wiener Waldes, atmet die reine, süße wurde.
innert, dass von seiner
Luft und wendet den Blick dann dorthin, wo hinter
Außer den Rentnern und Pensionisten gab es
bekannten Professor Ant¬
grün schimmernden Bodenwellen, von grauem Dunst
noch eine andre Art von Pionieren des Cottage,
Babette Reinholdt ha
bedeckt, die Großstadt lauert. Ihre fernen Geräusch,
von der Sehnsucht nach Ruhe und Natur aus der
saugendes Summen an
Karl Ludwig=Straße (je
dringen wie ein gieriges,
Großstadt getrieben wurden. Es waren die Künstler
Ferstels Ohr — der Baumeister vernimmt und versteht
und unter ihnen vor allem die Schauspieler des nach ihrer Verheiratung
den Ruf seiner Stadt: eine Erkenntnis, ein Entschluß
um eine Villa in der Ha¬
k. k. Burgtheaters. Dieses Institut konnte sich damals
erwacht in ihm, als er den Weg zurückeilt, und form
noch die Großzügigkeit leisten, seine Mitglieder mit gefähr um dieselbe Zei
sich bald zu realster Wirklichkeit.
Fiakern abholen und heimbringen zu lassen, so daß die pädagog Leschetizky sein
Straße auf. Er war
Entfernung von ihrer Arbeitsstätte bei diesen Schau
Pianistin Essipoff verhei¬
spielern keine Rolle spielte. Unter den ersten, die heraus
Kurz darauf wurde auf Ferstels Anregung der
eine große internationale
Cottageverein gegründet. Und noch ehe der Bau der zogen, war das Ehepaar Ernst und Helene Hartmann,
Votivkirche, Ferstels größtes Werk, vollendet war, das hier in einer selbst erbauten Villa ein arbeits seine Schüler wurden
standen schon etliche Landhäuser und Villen auf dem reiches und von Erfolg gekröntes Leben führte. Bei Weg zum Weltruhm an