VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 5


— Masken, die das Leben form
Geheimnis der Aehnlichkeit
Von
Augustin.
Aus sehr vielen Einzelheiten setzt sich des Menschen Antlitz Häupter die beiden Partner sind. Dann ist es meistens so, daß viel mehr zu tun, als den
nicht zusammen. Augen und Mund, Nase und Stirn, Wangen die eine von den zwei Persönlichkeiten, die einander zum Ver= der als „Kaiserbart“ bezeich
wie zum Beispiel ein Hotel
und Kinn, dazu noch die Tönung der Haut und die Farbe wechseln ähnlich sehen, eine überragende Bedeutung gewonnen
von Haar und Augen, das ist alles. Die Ohren spielen in diesem hat, während die andere in der weiteren Oeffentlichkeit ziemlich Kunst so weit, daß sie tatsäch
Ensemble schon keine entscheidende Rolle mehr. Und trotzdem unbekannt ist. Die eine ist berühmt, die andere aber wäre nur galten.
Das war anfangs nur
hat jeder sein eigenes Gesicht, trotzdem weiß die Natur aus in ihrem engen Kreis bekannt, käme ihr nicht der Umstand


Koketterie, und niemand hätt

diesen wenigen Motiven eine Unzahl von Variationen zu kom¬
solche Doppelgänger=Aehnlich
ponieren. Viele, viele Millionen von Gesichtern gibt es, von
auch eine gewisse praktische
verschiedenen, von persönlichen Gesichtern. Aehnlichkeiten be¬
stehen selbstverständlich. Sie sind mehr oder weniger deutlich
Die Saat des,
ausgeprägt, aber sie gehen meistens doch nicht so weit, daß man
Ich weiß nicht, ob
in einer Ansammlung von Menschen eine bestimmte Person
einen Doppelgänger hatte. Al
nicht auf den ersten Blick erkennen würde. Nur sehr selten
seinem Erdenwallen schossen
passiert es, daß man auf jemanden zutritt, ihn herzlich begrüß
nach einem warmen Regen
und sich damit einem sehr erstaunten Blick aussetzt, der auf
lange anhaltenden Erfolges de
eine Erklärung und Entschuldigung wartet. Solche Ver¬
Viele Dutzende von Dutzend
wechslungen sind, wie gesagt, nicht häufig. Ganz selten jedoch
altigen Schicksal des Lieder
ist es, daß ein Mensch dem andern gleicht so „wie ein Ei dem
einfach nicht anders konnten
andern", daß diese Aehnlichkeit frappant ist und zu Ver¬
gleiche Art sprießen zu lassen
wechslungen geradezu herausfordert: Doppelgängertum!
brille aufzusetzen. Einige Jahr
Nikolaus II. und Georg V.
in den Straßen Wiens umher




erwecken, als schnitten sie es
Vermutlich das berühmteste und auffälligste Doppelgänger
wären sie eben dabei, die,
König Georg V.
Zar Nikolaus II.
paar aller Zeiten waren Zar Nikolaus II. von Rußland und
.

.
zustatten, daß sie der Doppelgänger einer Berühmtheit ist
Berühmtheit dürfte natürlich von der Tatsache, daß sie noch
in einer zweiten, sozusagen inoffiziellen und apokryphen Aus¬
gabe herumläuft, kaum übermäßig erbaut sein, während der
Doppelgänger über das Gnadengeschenk einer solchen Aehnlich
keit natürlich stolz und glücklich ist und seinen Spaß daran hat


mit einem berühmten oder hochgestellten Mann verwechselt zu
werden. Der Titan Ludwig van Beethoven machte sich nicht
viel aus Popularität und persönlichen Ehrungen, während sein
Doppelgänger, der Wiener Buchdrucker Ludwig Wilhelm
Wittich, es wahrscheinlich viel beglückender empfand, wenn ihm
die Leute auf der Straße respektvoll nachblickten. Er sonnte
im Abglanz eines fremden Ruhmes. Er zog eine Aufmerksamkei
auf sich, die ihm selbst versagt geblieben wäre. Er spielte mit
einiger Absichtlichkeit den großen Beethoven.

Diese Absichtlichkeit aber ist der entscheidende Punkt. Das
Doppelgängertum läßt sich nämlich ebenso leicht verwischen,
Johannes Brahms
Ludwig Wilhelm Witti
Ludwig van Beethoven
der vor einigen Wochen verstorbene König Georg V. von
keinen von ihnen störte es me¬
England. Die beiden Herrscher sahen einander ungemein ähnlich.
im Schubert-Fach hatte.
Sie standen ungefähr im gleichen Alter, waren von der gleichen
Bekannt
Statur, die Abweichungen in der Gesichtsbildung ließen sich
Es ist Sache des Schau
nur nach genauer Prüfung feststellen und diese wurde erschwer¬
Doppelgänger, der sich nicht
durch die Kongruenz des Ausdrucks und der Barttracht. Ganz
gleiche Kunst. Er freut sich da¬
besonders kam diese ungewöhnliche Aehnlichkeit zur Geltung,
zu sein und zieht daraus ein
wenn die Souveräne in großer Uniform erschienen. Dann trug
So gab es in Wien zwei A
der Glanz der Dekorationen, der brillantenbesetzten Kreuze und
Die eine war der wirkliche
Sterne das seine dazu bei, um die Aehnlichkeit womöglich noch
stadtbekannte Porzellanhändle
zu verstärken. Dennoch war die Gefahr, den König von England
einen guten Tag, wenn er
mit dem Zaren von Rußland zu verwechseln, nur eine äußerst
gehalten wurde.
geringe. Sie beschränkte sich darauf, daß man bei einem flüchtigen
Auch bei festlichen The
Blick in eine illustrierte Zeitschrift nicht sofort mit Bestimmtheit
versierte Publikum, wenn
sagen konnte, ob ein Bild den englischen König oder den Zaren
einen Herrn mit Stirnlocke
darstellte. Das ging nämlich erst aus dem begleitenden Text
sicher, wenn es eigentlich vor
hervor. Sonst aber hätte sich wohl praktisch nie eine Gelegenheit
Dr. Leo Feld
Dichter Artur Schnitzler sein
Artur Schnitzler
ergeben können, um zwei Persönlichkeiten von derart welt¬
gänger sein, der Schriftsteller
politischer Bedeutung, die zudem nie aus dem für sie charakte¬
wie es sich betonen und unterstreichen läßt. Man braucht bloß
In Wien kann man
ristischen hösischen Rahmen heraustraten, falsch zu apostrophieren.
das Haar anders zu fristeren und die Barttracht zu verändern, bewundern, das nicht anders
Dazu waren sie durch ihre Stellung zu sehr distanziert. Dennoch um die Aehnlichkeit bereits um ein bedeutendes herabzumildern
sind Inseparables, tragen den
ist es verlockend, sich die absolut theoretische Möglichkeit aus
Wenn sich also der Doppelgänger in seiner Rolle nicht wohl= und die gleiche Krawatte. Ih
zumalen, daß durch irgendeinen skurrilen Zufall einma
fühlt und sie ihm nicht gefällt, liegt es durchaus in seiner Hand
gängertum zur höchsten Stuf
Georg V. mit dem Zaren aller Reußen verwechselt worden
Verwechslungen seiner eigenen Person zu entgehen. Anderseits Die beiden Herren sind die 2
wäre. Was für heillose diplomatische Situationen und Ver¬
aber kann er nach der eben erwähnten Methode eine bestehende Golz. Sie sind auch für Ken
wicklungen hätte dies zur Folge gehabt!
Aehnlichkeit verstärken und ausbauen.
In der Zeit Franz scheiden. Aber sie sind zu diese
Absichtliche Doppelgänger.
Josephs gab es genug soignierte alte Herren, die es sich an Sie sind Zwillinge. Angeblich
gelegen sein ließen, dem Kaiser möglichst ähnlich zu sehen. Wenn wissen, welcher von ihnen
Ganz anders sieht das Doppelgängertum aus, wenn es

sich nicht um den einmaligen Fall handelt, daß zwei gekrönte eine gewisse Aehnlichkeit gegeben war, so brauchten sie nicht der Emil ist.