VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 6

Berühmte
volgängen.
heimnis der Aehnlichkeit. — Masken, die das Leben form.
Von
Augustin.
sich des Menschen Antlitz Häupter die beiden Partner sind. Dann ist es meistens so, daß viel mehr zu tun, als den weltbekannten Bart des Kaisers,
Nase und Stirn, Wangen die eine von den zwei Persönlichkeiten, die einander zum Ver= der als „Kaiserbart“ bezeichnet wurde, zu kopieren. Manche,
der Haut und die Farbe wechseln ähnlich sehen, eine überragende Bedeutung gewonnen
wie zum Beispiel ein Hotelier in Ischl, brachten es in dieser
de Ohren spielen in diesem hat, während die andere in der weiteren Oeffentlichkeit ziemlich
Kunst so weit, daß sie tatsächlich als Doppelgänger des Kaisers
olle mehr. Und trotzdem unbekannt ist. Die eine ist berühmt, die andere aber wäre nur galten.
dem weiß die Natur aus in ihrem engen Kreis bekannt, käme ihr nicht der Umstand
Das war anfangs nur eine harmlose und verzeihliche


von Variationen zu kom¬
Koketterie, und niemand hätte damals daran gedacht, daß eine
Gesichtern gibt es, von
solche Doppelgänger=Aehnlichkeit später, im Zeitalter des Films,
tern. Aehnlichkeiten be¬
auch eine gewisse praktische Bedeutung erlangen könnte.
hr oder weniger deutlich
Die Saat des „Dreimäderlhauses".
ch nicht so weit, daß man
Ich weiß nicht, ob Franz Schubert zu seinen Lebzeiten
eine bestimmte Person
nen Doppelgänger hatte. Aber ungefähr ein Jahrhundert nach
würde. Nur sehr selten
in Erdenwallen schossen die Doppelgänger wie die Pilze
ritt, ihn herzlich begrüßt
ach einem warmen dem hervor. Das war zur Zeit des
Blick aussetzt, der auf
ange anhaltenden Erfolges der Operette „Das Dreimäderlhaus".
wartet. Solche Ver¬
Viele Dutzende von Dutzendjünglingen waren von dem drei¬
Aufig. Ganz selten jedoch
aktigen Schicksal des Liederfürsten derart begeistert, daß sie
so „wie ein Ei dem
einfach nicht anders konnten, als sich den Bartflam auf die
pant ist und zu Ver
gleiche Art sprießen zu lassen wie er und sich seine Schulmeister¬
Doppelgängertum!
brille aufzusetzen. Einige Jahre lang sah man sie wie im Traum
eorg V.
in den Straßen Wiens umherwandeln. Alle wollten den Eindruck


erwecken, als schnitten sie es gern in alle Rinden ein und als
Auffälligste Doppelgänger¬
König Georg V.
Zar Nikolaus II.
wären sie eben dabei, die „Unvollendete zu vollenden. Und
II. von Rußland und

.

zustatten, daß sie der Doppelgänger einer Berühmtheit ist. Die
Berühmtheit dürfte natürlich von der Tatsache, daß sie noch
in einer zweiten, sozusagen inoffiziellen und apokryphen Aus¬
gabe herumläuft, kaum übermäßig erbaut sein, während der
Doppelgänger über das Gnadengeschenk einer solchen Aehnlich¬
keit natürlich stolz und glücklich ist und seinen Spaß daran hat,
mit einem berühmten oder hochgestellten Mann verwechselt zu
werden. Der Titan Ludwig van Beethoven machte sich nicht
viel aus Popularität und persönlichen Ehrungen, während sein
Doppelgänger, der Wiener Buchdrucker Ludwig Wilhelm
Wittich, es wahrscheinlich viel beglückender empfand, wenn ihm
die Leute auf der Straße respektvoll nachblickten. Er sonnte sich
im Abglanz eines fremden Ruhmes. Er zog eine Aufmerksamkeit
auf sich, die ihm selbst versagt geblieben wäre. Er spielte mit
einiger Absichtlichkeit den großen Beethoven.

Diese Absichtlichkeit aber ist der entscheidende Punkt. Das
dwig Wilhelm Witti
Doppelgängertum läßt sich nämlich ebenso leicht verwischen,
Johannes Brahms
Ernst Wahlin
König Georg V. von
keinen von ihnen störte es merkbar, daß er so viele Konkurrenten
ander ungemein ähnlich,
im Schubert-Fach hatte.
waren von der gleichen
Bekannte Doubles.
gesichtsbildung ließen sich
Es ist Sache des Schauspielers, Maske zu machen. Der
and diese wurde erschwert
Doppelgänger, der sich nicht auf die Bühne stellt, trifft die
und der Barttracht. Ganz
gleiche Kunst. Er freut sich darüber, das Double einer Zelebrität
sehnlichkeit zur Geltung,
zu sein und zieht daraus einen Teil seines Privatvergnügens.
Im erschienen. Dann trug
So gab es in Wien zwei Ausgaben von Johannes Brahms.
tenbesetzten Kreuze und
Die eine war der wirkliche Brahms und die andere war der
hnlichkeit womöglich noch
stadtbekannte Porzellanhändler Ernst Wahlis. Er hatte immer
den König von England
einen guten Tag, wenn er für den berühmten Komponisten
sechseln, nur eine äußerst
gehalten wurde.
man bei einem flüchtigen
Auch bei festlichen Theaterpremieren war das literarisch
sofort mit Bestimmtheit
versierte Publikum, wenn es in den ersten Parkettreihen
in König oder den Zaren
einen Herrn mit Stirnlocke und Spitzbart sah, nie ganz
dem begleitenden Text
sicher, wenn es eigentlich vor sich hatte. Es konnte der gefeierte
tisch nie eine Gelegenheit
Dr. Leo Feld
Artur Schnitzler
Dichter Artur Schnitzler sein, es konnte aber auch sein Doppel¬
iten von derart welt¬
gänger sein, der Schriftsteller Dr. Leo Feld.
aus dem für sie charakte¬
wie es sich betonen und unterstreichen läßt. Man braucht blos
In Wien kann man gegenwärtig ein Doppelgängerpaa¬
falsch zu apostrophieren
das Haar anders zu fristeren und die Barttracht zu verändern, bewundern, das nicht anders als gemeinsam zu sehen ist. Sie
sehr distanziert. Dennoch
um die Aehnlichkeit bereits um ein bedeutendes herabzumildern, sind Inseparables, tragen den gleichen Hut, den gleichen Anzug
retische Möglichkeit aus
Wenn sich also der Doppelgänger in seiner Rolle nicht wohl= und die gleiche Krawatte. Ihnen ist es gelungen, das Doppel¬
urrilen Zufall einmal
fühlt und sie ihm nicht gefällt, liegt es durchaus in seiner Hand, gängertum zur höchsten Stufe der Vollendung zu entwickeln.
en verwechselt worden
Verwechslungen seiner eigenen Person zu entgehen. Anderseits Die beiden Herren sind die Bühnenautoren Arnold und Emil
Situationen und Ver¬
aber kann er nach der eben erwähnten Methode eine bestehende Golz. Sie sind auch für Kenner nicht voneinander zu unter¬
Aehnlichkeit verstärken und ausbauen.
In der Zeit Fran¬
scheiden. Aber sie sind zu dieser restlosen Aehnlichkeit legitimiert.
gänger.
Josephs gab es genug soignierte alte Herren, die es sich an Sie sind Zwillinge. Angeblich sollen es nicht einmal sie selber
längertum aus, wenn es gelegen sein ließen, dem Kaiser möglichst ähnlich zu sehen. Wenn wissen, welcher von ihnen gerade der Arnold und welcher
ndelt, daß zwei gekrönte eine gewisse Aehnlichkeit gegeben war, so brauchten sie nicht der Emil ist.