VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 20

auch dort, wo er uralte Melancholie aus hei¬
ligen Tiefen seines Blutes holt und die Fahne
der Schwermut über seine Helden und ihre
Schicksale pflanzt.
Was er tut, was er schreibt, geschieht immer
unter dem Himmel einer edlen Idee, ist stets
nach ehrfürchtigen Zielen aus, niemals von
Konjunktur, Geschmack oder Willen des
Tages getrieben. Er wendet sich nicht plötz¬
lich, von einer Diktatur der geistigen Mode
bestimmt, er bleibt seinen inneren Gesetzen
treu. So bewahrt er im Chaos dieser Welt die
schöne, aufrechte Haltung eines biblischen
König der Sprache und des Herzens.
Richard Beer-Hofmann kehrt manchmals
stiller Gast in die Ereignisse dieser kleinen
Welt ein. So in die des Theaters. Er kommt
als Regisseur, er hat den „Faust, für das
ersten Male erschien, die Geltung wunder
Burgtheater eingerichtet und die Dichtung
schönen Treibhausgewächses, erst späterhin selber inszeniert, es war ein Meisterwerk der
erreichte sie Anerkennung des europäischen Ehrfurcht und Dramaturgie. Er hat in der
Geistes, der sich dem Werk Beer-Hofmanns Josefstadt eine denkwürdige „Iphigenie", seine
stellte. Aus dem Luxusmilieu, dem auch Hugo Kenntnis des Theaters, gegeben und die Schau¬
von Hofmannsthal zugetan, wurchs die seltsam spieler sind begeistert von dieser Arbeit mit
und reich geschmückte Prosa seines ersten einem Regisseur, der ein Durchschauer des
Buches vom „Tod Georgs, das damals wie
Theaters, begeistert vor seinen Wundern steht,
eine exquisite Köstlichkeit aus dem Prunk, zugleich aber seine Listen und Tücken kennt.
salon der deutschen Sprache gereicht wurde, Obwohl er nie Schauspieler gewesen, weiß er
sehr persönlich, sehr dekorativ in Form und aus dem Raum des Schauspielers, denen er es
Inhalt, von einer Wortkultur sondergleichen, sagen will, mehr zu berichten, als die gewieg¬
in einer Kunst der Sprache gearbeitet, die testen Routiniers aufbringen, weil es bei ihm
manchen die Bedachtsamkeit, die Präzision nicht aus Kenntnis um das Handwerkliche,
solcher Arbeit zu sehr merken ließ. Prüfen
sondern aus dem hintergründigeren Wissen
der und wägender Geist hielt vor jedem ein
um das Ingenium aller Schauspielerei kommt
zelnen Wort lange Wache, bevor er es der und aus einer magischen Verbundenheit mit
Niederschrift übergab, es war ein Wühlen und den großen Werken der großen Dichter.
Wählen in den Kostbarkeiten der Sprache
Wenn er bei Generalproben oder manchmal
das dann diese Novelle ergab, die gleich auch des Abends im Zuschauerraum sitzt, ist
einem Sprach-Gobelin von erlesener Köstlich
Beer-Hofmann immer zarter, wohlwollender
keit zu einer Zeit erschien, da an den Wänder
Betrachter, einer, der auch dem Alltäglichen
der inneren Lesestuben willfarbig flackern
der Produktion nicht etwa ironisch gegenüber
naturalistische Bilder hingen.
steht, sondern mit der begütigenden und helfen¬
Hinter Beer-Hofmanns Werk stand immer
den Geste, weil er diese Art von Kunsthand¬
jene Wiener dichterische Schule eines äste
werk oder Handwerk an sich als Betriebsam¬
thischen Lebensstils, der junge Menschen keit betrachtet, die sein muß und darum wohl
schon in der Kinderstube, an die der Cottage¬
ist. Wo andere von der, wie sie glauben, hohen
garten grenzte, zu Dichtern werden ließ. In Warte ihrer Fähigkeiten kritisierend und
der Nähe der Hofmannsthalschen Wiege und
schimpfend den Chorus der Mißgestimmten
der Arthur Schnitzlers lief die Kindheit Beer
führen, bleibt Richard Beer-Hofmann immer
Hofmanns und derselbe Wiener Boden fein
leise und zärtlich besorgt ein Freund des
nerviger, abenteuernder Phantasie geneigter, Metiers, dem täglichen Theater der Kleinig¬
zart genießerischer Menschen ließen ein Dichkeiten willig Ohr und Stimme leibend.
ten Wurzel schlagen, das sich aus dem
Spielerischen des Gefühls und der Worte
späterhin immer mehr zum Bekennen steigerte.
Schon im „Grafen von Charolais“ stand das
dramatische Gefüge Beer-Hofmanns als ein
von schönen Worten und noblen Gedanken
erhelltes Stück Theater da, das einem alt¬
englischen Trauerspiel nachgedichtet, durch¬
aus aus eigenen Kräften des Nachdichters
wirkte, vom funkelnden Glanz seiner Sprache
erfüllt, aber nicht nur vom Rhythmus klingen¬
der Verse lebendig gemacht, von der Schick¬
salswelt seiner Gestalten leuchtend geworden.
Berlin brachte dieses Stück zuerst, von Berlin
kam es nach Wien und dann später erst nahm
es das Burgtheater von neuem auf, zu einer
Zeit, als die Schauspieler, an die Beer-Hofmann
gedacht, da er seine Gestalten rief, nicht mehr
da waren, sie zu spielen. Nach dem „Charolais
hat Beer-Hofmann, in der Technik seiner Ar¬
beit belächtig schreitend, von Vers zu Vers
gleichsam mit neuem Überlegen, lange
schwiegen. Bis dann mit „Jaakobs Traum ein
neuer dichterischer Abschnitt begann, mit
seiner „Historie vom König David kehrt
Beer-Hofmann durch die „schimmernde Straße
der Legenden“ heim in die Schatten- und
Lichterwelt des Alten Testaments. Von jenem
unvergeßlichen Schlaflied an Mirjam, das ein