VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 21

13.
Miscellanes
box 44/9
4.
Oesterreichische Finarbeit.
Zweiter Filmabend des Par=Noran-Kongresses 1936.
Der Leiter des Instituts für
ist, in der Geistigkeit der Zeit, die sie dar¬
Filmkultur in Wien, Dr. Ludwig
stellen, wurzelnd, zumindest indifferent.
Gesek, brachte am 1. August im
Uns fehlen im österreichischen Film noch
Stadttheater zu seinen sehr interes¬
ganze Stoffgruppen, so das Volksstück oder
santen Ausführungen Ausschnitte
das volksnahe Stück aus den Bergen in der
aus berühmten österreichischen
Art der Trenkerschen Filme. Schätze an
Spielfilmen und mehrere Kultur¬
Bauernkraft und Brauchtum sind noch zu
filme. Der Abend wurde von den
heben, die den österreichischen Film auch im
fremden und einheimischen Gästen
christlichen Sinne bereichern können.
mit überaus großem Beifall aufge¬
Die Schaffung der österreichischen Wo¬
chenschau, die im Dienste vaterländischer
nommen.
Kulturpropaganda steht, geht auf die Ini¬
Daß es einen österreichischen Film gibt
tiative des verewigten Bundeskanzlers
und daß es ihm gelungen ist, sich Weltruf zu
Dr. Dollfuß zurück.
verschaffen, steht eigentlich in Widerspruch
Die Vaterländische Front und die Ka¬
zu den Erfahrungen, die wir sonst über die
tholische Aktion haben sich im Institut für
wirtschaftlichen und raumpolitischen Grund¬
Filmkultur ein Instrument geschaffen, in
lagen einer Filmproduktion haben, denn
Österreich auf dem Gebiete des Spielfilms
dem heutigen kleinen Österreich steht keines¬
die Verwirklichung kulturpolitischer Ge¬
wegs die große Menschenzahl und der Reso¬
sichtspunkte durchzusetzen.
nanzboden für die Auswertung seiner Filme
Ein Stiefkind der österreichischen Film-
im eigenen Staate zu Gebote, wie ihn etwa
produktion war lange Zeit der Kulturfilm.
die großen, film mächtigen Staaten besitzen.
Die Arbeit machte sich fast nie bezahlt, denn
Zwei Momente möchte ich anführen, die es
die Zahl der Kinos in Österreich reicht
begründen, daß Österreich als ein kleiner
Staat dennoch eine Weltproduktion schaffen
konnte: Das erste ist, daß unser Vaterland
ein Teil des großen deutschen Sprachgebie¬
tes ist und dadurch des Vorteiles eines
großen, einheitlichen Sprachraumes, der
sonst nur den großen Filmmächten zu Ge¬
bote steht, teilhaftig wird. Das zweite Mo¬
ment: Der Österreicher, der auf eine viel¬
hundertjährige Theatertradition zurückblickt,
hat Theaterblut. Diese Begabung kommt auch
dem Film zugute. Unser Vaterland hat al¬
lein durch seine Künstler großen Anteil an
der Weltfilmproduktion. So hat kürzlich
eine reichsdeutsche Zeitung die 24 besten
Darsteller des deutschsprachigen Films zu¬
sammengestellt, darunter befanden sich acht
Österreicher, also ein Drittel. Auch in Eng¬
land und Amerika trifft man überraschend
viel Filmschaffende, die entweder österrei¬
chischer Herkunft sind oder zumindest durch
die österreichische Schule gegangen sind.
Der österreichische Film ist noch jung.
Daß er heute eine wirtschaftl. und kulturelle
Bedeutung erlangt hat, beruht einfach auf
der glücklichen Tatsache, daß die ersten
Filme, die Österreich in die Welt geschickt
hat, gut waren und sich mit einem Schlag
ihre Sympathie eroberten.
Die österreichische Filmproduktion, die
etwa 20 bis 25 Prozent der deutschsprachi¬
gen bestreitet, hat in ihren Stoffen und
ihren Arten einen großen Spielraum.
Ich möchte vier große Gruppen
herausgreifen: Die eine, die wir unter
dem Schlagwort „Wiener Impressionis¬
mus“ zusammenfassen können, wird gekenn¬
zeichnet durch die Filme „Maskerade“ und
„Episode". Es gehören dazu „Hohe Schule",
„Vorstadtvarieté“, Letzte Liebe" und „Ma¬
ria Baschkirtseff". Ihnen allen ist gemein¬
sam der rückwärtsgewandte Blick, das
Wurzeln in der angekränkelten Atmosphäre
der Vergangenheit, mit der nicht kritisch
abgerechnet, sondern die mit einer gewissen
wehmütigen Liebe verkörpert wird. Es ist
Schnitzlersche Luft, die in diesen Filmen
weht, ob sie nun die Skandalgeschichte eines
Aktbildes („Maskerade") oder das Märchen
von der platonischen Freundschaft des
Kunstmäzens („Episode"), ob sie die Tra¬
gik eines überlebten Ehrenkoder („Hohe
nicht aus, eine Kultursilmproduktion auf
freiwilliger Basis aufzubauen.
Es ist das Verdienst von Ministerialrat
Lanske, dem Vorsitzenden der Österreichi¬
schen Filmkonferenz, durch die Festsetzung
des Aufführungszwanges für eine gewisse
Anzahl von österreichischen Kulturfilmen
eine österreichische Kulturfilmproduktion
ermöglicht zu haben.
Vielleicht können Sie, wenn Sie wieder
in Ihre Heimat kommen, den einen oder
anderen dieser Filme benützen, um Verständ¬
nis für unser Land zu wecken, das, mit
guten Kräften gesegnet, um den Aufbau
einer neuen christlichen Ordnung ringt, in
der nicht die Zahl, sondern der Geist der
oberste Wert ist, in der ewige Werte höher
gestellt sind als der Tageslärm und in der
auch für den Film das programmatische
Wort unseres Herrn Bundeskanzlers Dok=
tor v. Schuschnigg Anwendung finden soll
und wird, das sagt: „Die Ordnung der
rrschaft (und damit auch der Filmwirt¬
schaft) ist eine der wichtigsten Aufgaben von
heute. Sie kann nichts anderes bedeuten als
die Sinngebung der Wirtschaft von der
Kultur her und ihre Unterstellung unter
das Gesetz der Kultur.“
H. G.