VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 27

13. Miscellaneous
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nur das graziöse Gerüst seines Baues und kann über
Schlange am Busen des Schauspiels genährt wurde.
das Unorganische der Zutaten nicht forttäuschen. Als
Von solcher verderbten Psyche war
im ersten und
Mann von kultureller Lebenserfassung macht er
zweiten Akt nichts vorbereitet worden. Doch im dritten,
nächst einen wirklichen Fund. Er trägt ihn in seine
ja im dritten, muß die arme Gabriele für Henri Bern¬
dramatische Zimmerarbeit, die ihn nicht haben will.
steins psychologisches Gewissen herhalten. Sie offenbart
Überrascht sieht man in Henri Bernsteins erstem Akt
sich plötzlich als ein wirres, psychopathisches Problem
den jungen Denis le Guenn, der wahrhaft liebt und
des Neides. Man sitzt verdonnert vor einem Vulkan,
doch keine Werbung wagt, weil er sein Mißtrauen
der aus einer blumigen Wiese bricht. Man erlebt die
gegen die Vergangenheit der geliebten Frau nicht über¬
erste große Szene à la psychologie. Aber man geht
winden kann. Doch nicht etwa ein berechtigtes Mi߬
nicht mit. Man sieht keinen Übergang und macht dem
trauen, sondern er glaubt den vollen, feurigen Glauben
klugen Architekten Vorwürfe. Das ist das Schlimmste
an Henriettens Reinheit. Er besitzt ihn, aber das Leben
für ein französisches Drama.
erweist von vornherein, daß er ihn nicht besitzen durfte.
Zwischen Import und Import leben wir Deutschen.
Henriette hat vor Jahren ein Verhältnis gehabt, das
Aber wir dürfen dem Südosten treuer bleiben als dem
sie, vom neuen Glück ergriffen, trotz ihrem ernsten Vor¬
Nordwesten. Aus Österreich kam uns sogar immer
satz Denis nicht gesteht. Hier nestelt sich in der Tat
wieder die ersehnte, steigernde Ergänzung. In ein
etwas Starkes und Tiefes, dem Franzosen nicht Zu¬
goldenes, ewig zugängliches Land sehen wir hinüber,
getrautes an. Doch er, der weder Henri noch Bernstein
wenn wir von Grillparzer zu Anzengruber, von Anzen¬
ist, sondern Henri Bernstein, vergißt im zweiten Akt,
gruber zu Schnitzler blicken. Aber man mache beizeiten
was er im ersten gegeben. Laßt mich mit der Psycho¬
seine Gefühle rar. Der deutsche Michel wird auch
logie in Ruhe, denkt er — ich muß vor allen Dingen
leicht nach der anderen Seite hin zu gläubig. Das gal¬
zu meiner großen Szene kommen. Der dumme Deutsche
lische Gift ist freilich in jedem Falle schlimmer als das
hätte sie ihm geschenkt. Enttäuscht sieht er Denis und
wienerische Zuckerwerk. Nun möge man sich zusammen¬
Henriette aus ihrem seinen Gespinst heraushüpfen und
nehmen und nicht mit dem anmutig Gebärdenhaften,
mit anderen Pariser Herrschaften der Grobschlächtig¬
immer Wiederholten seinen Magen überladen. Wir
keit dienen.
begreifen hier nun einmal nicht, was eine „Jause" is,
Im dritten Akt freilich besinnt sich Henri Bernstein,
auch nicht die dramatische Jause. Das ist ein Geschlecht
um nicht allzu siegesgewiß zu werden, auch wieder auf
von Komödien, die in Wien wohl hundertfach ge¬
das Psychologische. Aber der Faden, den er in die
schrieben worden sind, aber von Fall zu Fall die
Hand nimmt, scheint nicht der richtige zu sein. Er hat
Physiognomien der leitenden Dichter annehmen.
sich im entscheidenden Moment vergriffen. Gabriele
Martha Karlweis, deren Komödie „Der Herrenmensch¬
Jannelot, der Freundin Henriettens, hatte auch der Zu¬
das Münchener Residenztheater ans Licht gebracht hat,
schauer herzlich vertrauen zu dürfen geglaubt; er hatte
ist eine Tochter des handfesten, klugen Volksstückdichters
unmöglich annehmen können, daß da eine giftige
C. Karlweis, der nun schon lange im Jenseits weilt.
Ihre Kindheit war noch vom anz
umwittert, ihr Reisen sah den Aufst
und Hermann Bahrs. So plaude
Meister, eine sympathische junge
eine recht wohlschmeckende dramat
weilen kriegt man sogar einen N.
Kaviar auf ihren Brötchen serviert
gänglichkeit des Genusses muß er
geht als grausamer Genießer von
über. Wie etwa in Wien von ein
ins Burgtheater. Dennoch „lügen
Man behält eine bessere Erinnerun
lauernde Raffinement des Par
Wienerin ist nicht raffiniert. Die
ihrer Seele leichter Last durch das
Träume. Gerührt denkt man da¬
Dame, die sich nun lächelnd auf ein
verneigt, ein Spielkind gewesen ist,
mal nach Wien gekommen, mit
noch an die Stadt der gewaltigen
S
Walt Whitm
Schritt für Schritt, doch unablässig und
der Einwirkung hat der innerste, neu
Amerikas, der „Neuen Welt“, und hat
synthetische Offenbarung, hat die Per
mans und haben seine „Grashalme
modernen europäischen Kultur seit 22
nen. Besonders erstaunlich aber muß
die Whitman seither gerade in Frank¬
nischen Ländern gefunden hat! Denn