VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 38

13. Miscella

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Spectakel machten. Eine jämmerlich verhunzte Ballade
von des Sängers Fluche machte den Anfang. Herr
rank Weekind, dessen Geist dereinst lichtere Tage
gesehen hat, entblödete sich nicht, mit unsagbar
falscher Stimme und Betonung etliche ebenso lap¬
pische, als von Zoten vollgesättigte Lieder vorzutragen,
worauf er mit linkischer Verbeugung wieder ver¬
schwand. Sodann vernahm das Publicum des Theaters
an der Wien, wo dieser Jungwiener Scandal vor sich
gieng, ein Lied Mädchenreigen aus dem Munde des
Herrn Natzler, wie man es beim erstbesten Volks¬
sänger witziger und besser hören kann. Dann er¬
stürmte Herr Streitmann mit einem öden Soldaten¬
liede die Galerie und hätte mit seinem scheu gewordenen
Tenor beinahe das ganze Theater demoliert. Und nun
brilliertes Hansi Niese mit einem Lied über die
Wanderungen eines Flohes und mit einem altöster¬
reichischen Bauerntanz, worauf schliesslich recht
komisch aussehende Schattenbilder, gestellt von einem
Pariser Beleuchtungsinspector, in Begleitung einer
tief tragischen Musik des Franzosen Fragerolles die
Legende des
Ahasver veranschaulichen sollten.
Jetzt gieng aber auch ein Spectakel los, wie man ihn
in Wien nicht alle Tage erlebt.
Also dieses Jungschweinerne des Herrn Wede¬
kind, diese verballhornte Ballade von Uhland, diese
witz und geistlosen Lieder und diese armseligen
Beleuchtungskünste eines eigens nach Wien berufenen
Beleuchtungsinspectors vom Montmartre sind das
Um und Auf dessen, was uns die Jungwiener Dichter¬
schule zu singen und zu sagen hat?
Wo bleibt der Liebe Augustin, wo bleibt die
Wiener Eigenart und Bodenständigkeit, wo bleibt die
Jungwiener Poesie, von der in hundert Reclameartikeln
und tausend Reclamenotizen so viel Wesens gemacht
wurde? Wo ist Herr Bahr mit seiner neugewachsenen
und frisch aufgebügelten Stirnlocke, wo ist seine
dionysische Pantomime vom Lieben Augustine? Weh