VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 40

13. Miscellanes
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mag, wird die politische Charakterlosigkeit der v. Bienerth, erfolgen.
Großes kommt, ist das Gesetz und die Ehre
Poiret=Gewändern, bei Stucken der in Börsen¬
gerettet. Der Mann mit den aufmerksamen
kreisen beliebte Marienkultus mit dem romanti¬
und vertrauenden Augen ist schon beschwich¬
schen Apparat der mittelalterlichen Legende
tigt, wenn ich das stattliche Wort „Welt¬
Brahm hat sich wie gewöhnlich am vorsichtigsten
literatur ausspreche und ihm noch irgend¬
gehalten und sein altes Glück wiedergefunden
einen kleinen Segen mitgebe, den er seiner
Karl Schönherr, gegen den sich das reichs¬
Frau aus dem vertraulichen Gespräch mit
deutsche Publikum bisher sehr spröde verhielt,
einem Maßgebenden nach Hause bringen darf.
hat endlich eingeschlagen mit Donner und Blitz
Hinterher beglückwünsche ich mich zu meiner
dank der kulturkämpferischen Gewitterstimmung,
Zurückhaltung. Sollte ich ihm sagen, daß ich,
die die antimodernistische Politik der Kurie zu
weil Kritiker, ein Don Quichotte bin, daß ich,
seinen Gunsten verbreitet hatte. Die literari¬
nur weil es Sommer war und Winter wurde,
schen Bestrebungen im strengeren Sinne sind
mir immer wieder einen neuen Glauben macht
nur von den kleinen und den Nebenbühnen ge¬
an den, der kommen muß, dessen Name wird
fördert worden. Ist Hans Kyser der neue
sein Kraft, Macht und Herrlichkeit? Mein lieber
Hebbel, für den ihn einige seiner Gläubigen
Bekannter gibt sich schon zufrieden, wenn nur
halten, nach seiner „Medusa", dieser schwitzenden
etwas „los" war. Vielleicht erhält er recht, viel¬
Tragödie von Kunst und Brunst? Wird Morit
leicht kommt es gar nicht mehr darauf an, daß
Heimann, der das Deutschtum noch mehr liebt
das Theater eine literarische Mission erfüllt.
als besitzt, uns nach dem „Joachim von Brandt
Zirkus und Variété sind ihm über, weil sie ganz
zugleich reinliche und unterhaltliche Charakter¬
aus sich herausarbeiten, um die als legitim und
komödien geben? Hat Hermann Essig, den die
souverän anerkannten Instinkte des Publikums
Gesellschaft Pan vorstellte, die tiefere Naivität,
zu befriedigen. Lassen sich die Theater auf den
weil er eine grasfressende Kuh auf die Bühne
niederen Standpunkt des Bedürfnisses ein, so
bringt? Ist das Publikum, das „Frühlings Er
werden sie verachtet; erhalten sie sich literarische
wachen" bejubelt und zur klassischen Vorlage der
Ambitionen, so begeben sie sich in den gefähr¬
sexuellen Aufklärung erhoben hat, für die
lichen Verkehr mit den Dichtern, die der Masse
späteren Mißgeschicke Wedekinds verantwortlich
einen persönlichen Willen entgegensetzen, die sich
zu machen? Muß die Kritik verschweigen, daß
für wichtig genug halten, um über die Visionen
dieser ehrliche und geniale Charlatan keinen
ihrer Einsamkeit und Eigenheit dem Volke zu
dramatischen Dialog schreiben kann und
predigen.
daß seine Figuren umfallen, wenn der gewalt¬
Reinhardt hat sich wie gewöhnlich am meisten
tätige Marionettenspieler sie nicht mit sehr sicht
geregt, er stellte neue oder fremde Schriftsteller
baren Drähten emporreißt? Hat überhaupt seit
vor, Franzosen, Belgier, Ungarn, russische
Gerhart Hauptmann, als er noch Schlesier war,
Juden und Christen, auch Deutsche, aber an
und seit Schnitzlers Wiederentdeckung Wiens
jedem Gericht war ein Gewürz, auf das man
einversche Figuren hervor¬
sich verließ, bei Pinski jüdisches Milieu und
gebracht, die die eigene Bewegung im Leibe
Jargon, bei Vollmöller eine tadellos montierte
haben, die uns in einem stillen Augenblick un¬
Flugmaschine, bei Sternheim eine verlorene
aufgefordert besuchen und mit vertrauten
Damenhofe, bei Cavus eine Ausstellung von Stimme anreden?
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Koalitionsminister nicht
Ich gestehe, daß diese rein literarischen Fragen
am Schluß der Saison mich nicht allzusehr auf¬
regen; sie können überhaupt nur sub specie
aeternitatis behandelt werden, oder wenigstens
von einer Höhe, die weitere Zeiträume über¬
sieht. Wir wollen auch nicht allzu undankbar
und ungeduldig sein; es ist nicht lange her, daß
auch die feineren Köpfe von interessanten Neu¬
erscheinungen in Deutschland verwöhnt wurden,
und die sieben mageren Jahre sind noch nicht
um. Viel wichtiger sieht heute das Problem des
Theaters selbst aus, das sich als Institut, als
Organisation entwickeln will, das alle möglichen
Seitenwege geht, bei den Nachbarkünsten An¬
leihen macht und, wie es gewöhnlich geschieht,
durch Neuerungen und Erfindungen auf alten
Besitz, verlorenen und vergessenen, zurückkommt.
Es ist zehn Jahre her, daß man in
Berlin für das intime Theater zu schwärmen
anfing. Die Intellektuellen wollten es so, die
sich etwa auf Montmartre mit kleinen drama¬
tischen Verwegenheiten und Ausschweifungen
amüsiert hatten. Was davon blieb, sind die
Nachtkabaretts, die mit Hilfe ihrer Hausdichter
Stupiditäten hervorbringen, die sich eine
kritische Würdigung bescheiden der ieten und
in dieser Sicherheit ein häufig inträgliches
und glückliches Dasein führen sollen. Als
edelste Reliquie dieser Bestrebungen, die auf
eine Verfeinerung und Differenzierung des
Theaters als Lokal hinausgingen, hat sich
Reinhardts Kammerspielhaus erhalten. Dieses
Kunsttempelchen, das wie ein Salon aussieht,
forderte die zarteren Geister auf, sich in einem
kleinen Raum mit einem gewählten Publikum
auf feine und geistreiche Weise zu unterhalten.
Wenn sie sich sicher fühlten, wenn sie die tech¬
nischen Handgriffe gelernt hatten, konnten sie
vor die grobe Menge treten. Dieses Theater der
Fünfhundert aus der outen und zahlungs¬