13. Miscellanos
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er von
meiden müssen — Frauen und Kammerdienern ist nichts
heilig —, dafür aber Ihre fingierten Verhältnisse, so weit sie
ganz außer der Kontrollierbarkeit durch Ihre Gesellschafts¬
klasse, also in höheren Kreisen, stehen, unter der Hand ver¬
breiten — seien Sie sehr mäßig —, glaube ich nur so Ge¬
ringes im Bereich Ihres äußeren Lebens vergessen zu haben,
wie, daß Sie z. B. nicht rauchen, nie von Wilde oder was
gerade der Tagesenthusiasmus ist reden und im allgemeinen,
so schwer es auch einem jungen Mann wird, lieber zuhören
sollen. Mit einem gut dreinschauenden Kopf schweigen, wenn
über große Dinge gesprochen wird, bringt den guten Kopf oft
in den Ruf, größer als die großen Dinge zu sein. Schweigen
hat immer etwas Bedeutungsvolles und blamiert nie. Fran¬
zösisch sprechen Sie; im Englischen lernen Sie noch hundert
Vokabeln über das hinaus, was man beim deutschen Tennis
braucht; italienisch behaupten Sie lesen, aber nicht gleich gut
sprechen zu können; birmanisch treiben Sie als Liebhaberei.
Ihr Bücherl in zweihundert Exemplaren ziehen Sie, kaum
daß es erschienen ist, sofort aus dem Handel, schreiben in jedes
Exemplar eine beziehungsvolle Widmung an die genanntesten
Autoren Europas und schicken es ihnen eingeschrieben mit
der Adresse des Absenders und dem handschriftlichen Ver¬
merk nicht mehr im Handel“. Den Sendungen an die be¬
rühmten deutschen Autoren geben Sie auch noch einen Brief
bei, der den Empfänger zu irgend einer Antwort mit jedem
Satze reizt. Nach diesem ersten Schlag verlassen Sie sofort
die Stadt, wie in Scham darüber, daß Sie durch das Buch
Ihren bisherigen Ruf als europäischer Gentleman schädigten.
Deuten an, daß drängende Freunde die Schuld an der Ver¬
öffentlichung trügen, an die zu denken Ihnen bei dem heutigen
Tiefstande unserer Dichtung nie auch nur im Schlafe einge¬
fallen wäre. Und sie hätten ja auch sofort die ganze Auflage
einstampfen lassen. Dies und ähnliches schreiben Sie auf dem
wappengezierten Briefpapier eines Bekannten, zu dem Sie
sich für die vierzehn Tage zur Jagd einluden, an ein paar
Leute, von denen Sie genau wissen, daß sie überall hinkommen
und aus Mangel an eigenem fremde Bagatellen mit großer
Wichtigkeit erzählen. Vergessen Sie nicht: immer noch sind
Sie der keusche Amateur, wenn auch bereits m. einem wort¬
los zugegebenen Stich in den Berufenen; irgend was an
Ihnen, im Gang, in der Haltung, in der Kravatte, muß
dieses Geständnis unbefragt machen. Sie müssen diskret
merken lassen, wie heftig Sie sich noch gegen das Dichterische,
das in Ihnen ist, sträuben. Wie es aber doch stärker ist als
all Ihr gegensätzlicher Wille, wie es eben eine Elementar¬
kraft ist, gegen die sich nichts machen läßt, wie es sich eben
als das eingeborne Genialische durchsetzt, wobei Ihnen nur
dies zu tun bliebe, die Korrektheit der guten Manieren, die
Haltung zu wahren. Jetzt müssen Sie Kampf markieren, um
später Sieg markieren zu können, jetzt müssen Sie tun als ob
eine Gleichgewichtsstörung wäre, um später eine prachtvolle
Ausgleichung zu finden. Jetzt muß der Grundton sein: „Was
soll ein Dichter in dieser Zeit! Wir wollen das Leben!“
wozu sich später die Tonica ergeben muß: „Ich habe die Fülle
des Lebens, ich bin der Dichter.“ Ohne es noch bestimmt aus¬
zusprechen (das kommt später, sind Sie sich Ihres einzigen
Wertes jetzt schon ganz bewußt, aber Sie wollen nun nicht in
dieser elenden Zeit der Skribenten usw. sich auf den Markt
stellen. Haltung! Ueben Sie Haltung ein wie vorher die
Nuance! — Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie mit
sich allein während all dieser Zeit sehr viel zu tun haben und
sich keineswegs ausschließlich dem kindlichen Genusse hingeben
dürfen, das ledergebundene Handexemplar Ihres Büchers von
vorne und von hinten immer aufs neue zu lesen und zu lieb¬
kosen. Sie haben es verschift und viele Briefe an Berühmte
geschrieben. Es sind gute Leute darunter, besonders
den älteren, die Ihnen anworten werden, danken; andere
werden nicht antworten; einige werden vielleicht das Buch
zurückschicken. Führen Sie eine genaue Liste darüber.
Danken Sie den einen für das Danken in längeren Briefen
ht intimen, aber immer respektvollen Charakters, Fragen
Sie die andern, ob sie Ihr Buch bekommen haben. Neben die
dritten machen Sie ein Kreuz: die nennen Sie in Ihren
späteren Kritiken unbedingt Lit caten. Schreiben Sie den
einen, es würde Sie glücklich nahen, ein Urteil des verehrten
Meisters über Ihr Buch öffentlich wo zu lesen, und sagen Sie
ihm gleichzeitig. Sie bereiteten einen längeren Aufsatz über
ihn vor, der dort und dort (nennen Sie eine große Zeit¬
schrift) erscheinen würde. Unter den guten älteren schon
ganz vertrottelten Herren gibt es immer ein paar, die nach
Ihrem fünften, sechsten Brief nachgeben und ein paar Zeilen
über Sie in Druck gehen lassen. Dies gibt Ihnen das Recht
zu einem intensiven Briefverkehr mit den Betreffenden, deren
Antworten auch ruhig ausbleiben können. Von Zeit zu Zeit
schreiben Sie auch jenen, die Ihnen nie geantwortet haben;
man kann nicht wissen, ob sie es nicht doch einmal tun. Herrn
von Hofmannsthal, der Ihnen natürlich auch nicht geant¬
wortet hat, sprechen Sie nun ruhig auf der Straße an. Er
muß Sie fünf Minuten zu ihm sprechen lassen, was genügt.
Dann: „Hofmannsthal sagte mir neulich ...
Und schon bereiten Sie ein neues Buch vor,
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er von
meiden müssen — Frauen und Kammerdienern ist nichts
heilig —, dafür aber Ihre fingierten Verhältnisse, so weit sie
ganz außer der Kontrollierbarkeit durch Ihre Gesellschafts¬
klasse, also in höheren Kreisen, stehen, unter der Hand ver¬
breiten — seien Sie sehr mäßig —, glaube ich nur so Ge¬
ringes im Bereich Ihres äußeren Lebens vergessen zu haben,
wie, daß Sie z. B. nicht rauchen, nie von Wilde oder was
gerade der Tagesenthusiasmus ist reden und im allgemeinen,
so schwer es auch einem jungen Mann wird, lieber zuhören
sollen. Mit einem gut dreinschauenden Kopf schweigen, wenn
über große Dinge gesprochen wird, bringt den guten Kopf oft
in den Ruf, größer als die großen Dinge zu sein. Schweigen
hat immer etwas Bedeutungsvolles und blamiert nie. Fran¬
zösisch sprechen Sie; im Englischen lernen Sie noch hundert
Vokabeln über das hinaus, was man beim deutschen Tennis
braucht; italienisch behaupten Sie lesen, aber nicht gleich gut
sprechen zu können; birmanisch treiben Sie als Liebhaberei.
Ihr Bücherl in zweihundert Exemplaren ziehen Sie, kaum
daß es erschienen ist, sofort aus dem Handel, schreiben in jedes
Exemplar eine beziehungsvolle Widmung an die genanntesten
Autoren Europas und schicken es ihnen eingeschrieben mit
der Adresse des Absenders und dem handschriftlichen Ver¬
merk nicht mehr im Handel“. Den Sendungen an die be¬
rühmten deutschen Autoren geben Sie auch noch einen Brief
bei, der den Empfänger zu irgend einer Antwort mit jedem
Satze reizt. Nach diesem ersten Schlag verlassen Sie sofort
die Stadt, wie in Scham darüber, daß Sie durch das Buch
Ihren bisherigen Ruf als europäischer Gentleman schädigten.
Deuten an, daß drängende Freunde die Schuld an der Ver¬
öffentlichung trügen, an die zu denken Ihnen bei dem heutigen
Tiefstande unserer Dichtung nie auch nur im Schlafe einge¬
fallen wäre. Und sie hätten ja auch sofort die ganze Auflage
einstampfen lassen. Dies und ähnliches schreiben Sie auf dem
wappengezierten Briefpapier eines Bekannten, zu dem Sie
sich für die vierzehn Tage zur Jagd einluden, an ein paar
Leute, von denen Sie genau wissen, daß sie überall hinkommen
und aus Mangel an eigenem fremde Bagatellen mit großer
Wichtigkeit erzählen. Vergessen Sie nicht: immer noch sind
Sie der keusche Amateur, wenn auch bereits m. einem wort¬
los zugegebenen Stich in den Berufenen; irgend was an
Ihnen, im Gang, in der Haltung, in der Kravatte, muß
dieses Geständnis unbefragt machen. Sie müssen diskret
merken lassen, wie heftig Sie sich noch gegen das Dichterische,
das in Ihnen ist, sträuben. Wie es aber doch stärker ist als
all Ihr gegensätzlicher Wille, wie es eben eine Elementar¬
kraft ist, gegen die sich nichts machen läßt, wie es sich eben
als das eingeborne Genialische durchsetzt, wobei Ihnen nur
dies zu tun bliebe, die Korrektheit der guten Manieren, die
Haltung zu wahren. Jetzt müssen Sie Kampf markieren, um
später Sieg markieren zu können, jetzt müssen Sie tun als ob
eine Gleichgewichtsstörung wäre, um später eine prachtvolle
Ausgleichung zu finden. Jetzt muß der Grundton sein: „Was
soll ein Dichter in dieser Zeit! Wir wollen das Leben!“
wozu sich später die Tonica ergeben muß: „Ich habe die Fülle
des Lebens, ich bin der Dichter.“ Ohne es noch bestimmt aus¬
zusprechen (das kommt später, sind Sie sich Ihres einzigen
Wertes jetzt schon ganz bewußt, aber Sie wollen nun nicht in
dieser elenden Zeit der Skribenten usw. sich auf den Markt
stellen. Haltung! Ueben Sie Haltung ein wie vorher die
Nuance! — Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie mit
sich allein während all dieser Zeit sehr viel zu tun haben und
sich keineswegs ausschließlich dem kindlichen Genusse hingeben
dürfen, das ledergebundene Handexemplar Ihres Büchers von
vorne und von hinten immer aufs neue zu lesen und zu lieb¬
kosen. Sie haben es verschift und viele Briefe an Berühmte
geschrieben. Es sind gute Leute darunter, besonders
den älteren, die Ihnen anworten werden, danken; andere
werden nicht antworten; einige werden vielleicht das Buch
zurückschicken. Führen Sie eine genaue Liste darüber.
Danken Sie den einen für das Danken in längeren Briefen
ht intimen, aber immer respektvollen Charakters, Fragen
Sie die andern, ob sie Ihr Buch bekommen haben. Neben die
dritten machen Sie ein Kreuz: die nennen Sie in Ihren
späteren Kritiken unbedingt Lit caten. Schreiben Sie den
einen, es würde Sie glücklich nahen, ein Urteil des verehrten
Meisters über Ihr Buch öffentlich wo zu lesen, und sagen Sie
ihm gleichzeitig. Sie bereiteten einen längeren Aufsatz über
ihn vor, der dort und dort (nennen Sie eine große Zeit¬
schrift) erscheinen würde. Unter den guten älteren schon
ganz vertrottelten Herren gibt es immer ein paar, die nach
Ihrem fünften, sechsten Brief nachgeben und ein paar Zeilen
über Sie in Druck gehen lassen. Dies gibt Ihnen das Recht
zu einem intensiven Briefverkehr mit den Betreffenden, deren
Antworten auch ruhig ausbleiben können. Von Zeit zu Zeit
schreiben Sie auch jenen, die Ihnen nie geantwortet haben;
man kann nicht wissen, ob sie es nicht doch einmal tun. Herrn
von Hofmannsthal, der Ihnen natürlich auch nicht geant¬
wortet hat, sprechen Sie nun ruhig auf der Straße an. Er
muß Sie fünf Minuten zu ihm sprechen lassen, was genügt.
Dann: „Hofmannsthal sagte mir neulich ...
Und schon bereiten Sie ein neues Buch vor,