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der dekorte Operettenkompon
Dichter untereinander.)
Man kann jetzt beobachten, wie sich der Ge¬
schmack für französische Stücke ändert. Die Cochon¬
nerie wird langweilig, und die üblichen, alten
Schwerenöther, die im zweiten Akt in einem
Hotel oder Restaurant mit vielen Thüren aus einer
Verlegenheit in die andere stolpern, machen den Ein¬
druck der oft gehörten Anekdote. Die Stücke dieser
Art gleichen sich seit zehn Jahren. Sie unterscheiden
sich nur dadurch, daß in dem einen der betrogene
Ehemann Duval und der Ehebrecher Durand heißt
und in dem andern ist es umgekehrt. Der französische
Normalschwank hat plötzlich versagt. In Paris ebenso
wie in Berlin und Wien. Ein neues Genre französi¬
scher Dramatik ist jetzt marktgängig geworden. Liebes¬
geschichten, mit Romantik garnirt. Der Wortwitz,
sporadisch gebracht, bringt Sonnenschein in die Hand¬
lung, die Situation stellt nicht mehr die Vernunft
auf den Kopf.
Von dieser Qualität ist Caillavet und de Flers
„Die Liebe wacht", welche Novität gestern im Burg¬
theater, theilweise reizend gespielt, sehr angesprochen
hat. Die Firma Bloch' Erben in Berlin, der dieses
Lustspiel gehört, hat es von den Wiener Theater¬
direktoren in die Höhe lizitiren lassen. Gegen eine
Tantiemengarantie von 8000 Kronen sollte es endlich
dem Deutschen Volkstheater zugeschlagen werden.
Das Burgtheater entschied sich dafür. Damit waren
alle Lizitanten aus dem Felde geschlagen. Zwei
Sachen waren dafür entscheidend: die Firma des
Theaters und der Umstand, daß dieses Wiener
Theater allein eine Abendtantième von mehr als
700 Kronen liefern kann.
Von dem französischen Genre, das jetzt gut
im Kurse steht, ist auch die Komödie „Der Clown"
(„Le poliche“) von Bataille, die das Joseph¬
städter Theater nächsten Dienstag gleichzeitig mit
Berlin zur Aufführung bringt.
Der Viveur würdigt sich zur Rolle eines Ge¬
sellschaftsclowns herab, um die Zuneigung einer
Frau zu erringen. Sie lacht über ihn und ist sein.
Er geht dann daneben her, als Hofnaer der schönen
Frau. Und sein Herz blutet, wenn er sieht, daß sie
einen Anderen liebt. Der Andere betrügt sie und sie
bricht beinahe haltlos zusammen. Aber da faßt sie der
vermeintliche Polichinelle in seinen starken Armen auf
und findet Töne echter Männlichkeit, er wird ihr Herr,
er ballt die Faust gegen sie. Es liegt etwas Strind¬
berg'sches in dieser Situation. Und sie duckt sich davor.
Sie klammert sich an ihn, wie der Hund an den
Herrn, der ihm die Peitsche zeigt. Der Triumph des
Mannes !
Es währt nicht lange! Schon im nächsten Akt¬
ist er wieder der winselnde Weiberknecht. Und sie lang¬
weilt sich bei ihm. Noch einmal will er den Clown
spielen. Es verfängt nicht mehr. Sie verläßt ihn. Es
zieht sie zu dem zurück, der sie brutal betrogen hat.
Und der „Clown fragt schmerzli: „Was zieht Dich
zu ihm
„Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil die Bekannt¬
schaft zu kurz war, weil ich ihn noch nicht ausge¬
kostet habe, weil ich noch nicht fertig mit ihm war...
Es ist ein Stück Psychologie des Weibes.
Um den Schauspieler Treumann prozessiren jetzt
die Operettentheater. Treumann tanzt gut und singt
gut. Aber sein Können steht nicht im Verhältniß zu
den Prozessen, die um ihn geführt werden. Die Ge¬
richte haben ihn populär gemacht. Er hat zwei Wal¬
zen in seinem Leierkasten: den „Pfefferkorn" und den
„Danilo". Die beiden spielt er in einem Stück, mit
einer gewissen Liebenswürdigkeit, sehr wirksam.
„Aus dem Pfefferkorn" — sagte ein Bühnen¬
autor kürzlich von ihm — „hat er einen Rabbinats¬
triller in alle Operetten übernommen.“
Dieser „Rabbinatstriller“ ist jetzt ein fliegendes
Wort geworden.
Das Carl-Theater hat den vielumstrittenen
Schauspieler prozessual ersiegt und — im Johann