VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 161

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danken des Genies als Kulturförderers und Kulturvernichters durch
So natürlich und einfach diese Antwort war — oder viel
die Gestalten Orpheus, Christus und Genius verkörpern sollte.
leicht gerade deshalb erschien sie mir wie eine Offenbarung,
Auch eine große vaterländische Romantrilogie „Oesterreich
Bevölkerung die seit
wie ein heller Sonnenstrahl, der die Frauenfrage von der ethischer
bereitet die Dichterin als nächste Arbeitsausführung vor.
worden ist. Ich hat
Seite scharf beleuchtete. Klar trat der überzeugende Gedanke zu
Auf meinen Wunsch zeigt sie mir das Manuskript ihres
Arbeitsminister für
tage, daß die echte Frau, die ihre Lebensaufgabe ernst und ziel
großen Epos „Robespierre", jener gewaltigen Dichtung, die den bewußt auffaßt, nicht zwei Berufe ausfüllen kann. Und welcher achtet, einen ernstlichen
Namen der delle Grazie vor allen anderen in die allererste Reihe von den beiden na ürlicher, wichtiger und staatserhaltender ist,
auf diesem Gebiete her
der modernen Versepik stellt. Sie hat an dem Werke zehn Jahre darüber habe ich im stillen meine eigenen Gedanken
Gesetzentwurf
geschrieben, von ihrem 19. bis zu ihrem 29. Jahre. Während
Und sollte ich einmal nach dieser Richtung
zusammentritte vorgele¬
inter
dieser langen Zeit gab sie sich mit all ihren Sinnen, ihrer ganzen viert werden, so bin ich sehr bereit, dieselben sehr deutlich
(Fortbildungsku
Kraft dieser Arbeit hin, sie ließ sich durch nichts ablenken, durch auszusprechen.
Privatlehrerinnen der
nichts zerstreuen, sie verließ Wien, mit Ausnahme einer Reise
Hof 11, eröffnet Anfang
Die delle Grazie steht heute so hoch als Dichterin, als Kurse für Sprach= und
nach Italien, nicht für einen einzigen Tag, weil sie an ihrer Ausnahme — und bekanntlich bestätigen Ausnahmen die Regel aquivalente Vorbildung
täglichen Arbeitszeit eisern festhielt. Sie hatte mit ihrem Verleger
klub. Leitung Fräulein
sie hätte wohl das Recht, sich für ihren eigenen Gedanken= und
Breitkopf & Härtel, eine bestimmte Lieferungszeit für das Epo
Dienstag ½8 bis 9 Uhr.
Gefühlsstaat eigene Gesetze zu schreiben, die mit den allgemeiner
vereinbart. Durch seine dringende Bitte, den letzten (24.) Gesang
Harmonielehre, Formen
Ansichten nichts zu tun haben — aber sie wäre keine so tief¬
Jeden Freitag 18 bis
rasch fertigzustellen, stürzte sie sich in rasende Arbeit, schrie¬
gründige, tiefempfindende Dichterin, wenn sie — obigen Aus
für Mitglieder der Fach¬
von 8 Uhr morgens bis ½1 Uhr nachts
fieberhaft
monatlich.
spruch nicht getan hätte. Ich speziell lege ihr dafür meine be¬ Kr.,
und schildert mir nun, daß sie nachher, als die Arbeit vollende
Dienstag den 27. d. M.
sondere Verehrung zu Füßen.
war, das trostlose Gefühl unsäglicher Verlassenheit verzweiflungs
phon 13.303.
Wir begegnen uns in der Ansicht, daß die Frau ein
voll gepackt hatte. Es kam ihr plötzlich zum Bewußtsein, daß sie
(Eröffnung
tüchtige, gesunde Bildung braucht, daß sie für das Leben und für
die schönsten zehn Jahre ihres Lebens ihrer Arbeit geopfert und
Gestern wurde in
den Lebenskampf offenes Auge und offenen Sinn haben muß
daß sie einen steten Kampf gegen ihre Jugend und gegen alle die
Türnitz durch Landesa
daß sie ihrem Gatten der furchtlose Kampfgenosse, ihren Kindern
natürlichen Freuden, die diese zu fordern berechtigt gewesen, gekämpft
öffnungszug wurde in
der wohlgerüstete Erzieher sein müsse. Wir sprechen auch noch
habe. Es war ihr, als seien alle dahin, mit denen sie gelebt, über die Koedukation. Die Dichterin spricht aus eigener Er¬
Endstation Türnitz fan
geliebt, gekämpft und gelitten hatte.
Abschluß. Ein Teil der
fahrung, sie ist mit Mädchen und Buben in die Schule ge¬
Wir sprechen nun über ausländische Literatur. Mit heller
Gstettenhofe der leider
gangen und rühmt den naiven, freien, unverdorbenen Ton im
Begeisterung äußert sich die delle Grazie über Flaubert und
Toni Schläger ein
Verkehr.
sein Hauptwerk „Salambo, über die lebendige Pracht seine
(Der Zeitung
Auch die sexuelle Aufklärung wird besprochen. Die delle
Metaphern, über die Glut seiner Schilderungen und die stark
Persien meldeten die
Grazie behandelt auch dieses Thema äußerst seinfühlig. Sie hält
dramatische Kraft seiner Dichtung. Zola ist ihrer Ansicht nach
Mohammed Ali hat
es für wichtig, nicht zu generalisieren. Besonders sensitive Kinder
der größte Epiker Frankreichs und hervorragend sowohl durch
gegeben und die Einbe¬
aufzuklären, sei höchst bedenklich. Es gäbe allerdings Kinder, die
den Mut seiner Ueberzeugung, durch den scharfsinnigen Blick in
für den 14. November
aufgeklärt werden müssen. Aber im ganzen und großen stimm
die Zukunft, als auch durch die große Gabe des Symbolisierens
er tun konnte. Ein re¬
sie doch für die Wahrung der Scheu vor dem mysterium hätte er in der ganzen
die er mit Dostojewsky gemeinsam hat. Ich bin begierig, wie
magnum.
die delle Grazie über die Frauenfrage denkt und wir vertiefer
sehr bezeichnende Anz
Ich hätte noch stundenlang fragen, genießen und mich be¬
uns sofort in dieses Thema. Zu meiner Freude äußert sich die
der „Lokalanzeiger"
lehren lassen können. Aber ich darf die liebenswürdige Güte der
Dichterin äußerst gemäßigt, sie ist keine Frauenrechtlerin pa¬
„ . . . straße 49,
excellence, wenngleich sie selbstverständlich jeden Fortschritt Dichterin nicht mißbrauchen.
Nun weiß ich, wie sie ist, die wahl hochseiner
Dichterin delle Grazie, und ein Dichterwort drücke es aus:
kräftig befürwortet. Aber sie ist keine blinde Parteigängerin. Die
Köchinnen, Hausmädchen
ethische Seite der Frauenfrage ist ihr mindestens so wichtig wie
„Wo Strenges sich mit Zartem,
Löhne in vornehmsten
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
die soziologische und als ich sie frage, warum sie selbst nicht ge¬
werden sich hoffentlich
Da gibt es einen guten Klang.
heiratet habe, erwidert sie mir freimütig: „Weil es mir
Herrschaften zu besichtige
meinem Beruf unmöglich gewesen wäre, eine gute Mutter
Nach einem Aussch
zu sein!
brachte diese einen Rom