box 44/10
13. Miscellaneous
Orden
und Landtags geo¬
Ehe an, um dem verehrungswürdigen Publico complicirte
u. s. w. verdanken, da zeigten sich im römischen Weltreich
Das Henkern
Ehebrüche anschaulich vorzuführen. Junge Mädchen er¬
die ersten klaffenden Sprünge. Wie soll auch ein durch Un¬
Von Carl Schönherr.
dreisten sich, Stücke zu schreiben, bei denen Wachtmeister
sittlichkeit entnerotes Volk den Anprall eines urwüchsigen,
Die Tage wurden allgemach wie
dritter Capitulation in Folge heftiger Scham den Rothlauf
gesunden aushalten?
zu haben vermeinen. Hetären, die Dumas nur bühnengerecht Wärmkraft der Sonne mehrte sich von
Darum hat es einen tiefen Sinn, daß unsere
machen konnte, indem er die schönste menschliche Em¬ Da saß der rothe Jörg eines Abend
germanischen Verwandten, die Engländer, Amerikaner und
in der Armensünderzelle des Kreisger
pfindung, das Mitleid, für sie wachrief, werden derzeit mit
Skandinavier, bei aller hohen Cultur einem zurück¬
ihrer ganzen Schamlosigkeit, ohne einen guten Faden, auf
Diese unscheinbare, aber stimmu¬
haltenden Puritanismus wohlgeneigt sind, der mit seiner
das Theater gebracht und erfechten womöglich noch den vor einigen Stunden der Schauplatz
Strenge die durch das Wohlleben so leicht sich einschleichende
Sieg moderner poetischer Gerechtigkeit. Komödien werden eignisses gewesen. Mehrere schwarz gekl
Entsittlichung verhütet. Mag auch viel Heuchelei dabei sein
aufgeführt, in denen sich auf offener Scene abspielt, was nämlich erschienen und hatten laut und
— es ist besser das Gute zu heucheln, als es durch offen¬
selbst die verwegensten Autoren ehemals in die Zwischen man habe der Gerechtigkeit freien Lauf
kundige Frevel aller Art von der Tagesordnung gänzlich
acte verlegt haben. Dazu die cynischen Bücher und eine
abzusetzen. Es ist immer noch moralischer, im Geheimen zu
„Ho, ho," meinte der Jörg.
Lyrik, die in verkehrtesten Gefühlen schwelgt — es ist
sündigen, als auf öffentlichem Markte mit dem Laster Arm
Geschichten meinetwegen!" Denn er w
wahrlich weit gekommen in diesem gepriesenen Zeitalter.
in Arm zu gehen. Die Freiheit des Individuums soll ge¬
nommen eine bescheidene Natur.
Das Laster setzt sich zu Tisch und die Tugend erbricht sich.
wahrt bleiben. Wenn dem Einzelnen ein lockeres Leben
Aber die Herren ließen es sich
gefällt, so hat sich Niemand hineinzumischen. Aber die
Wenn man beherzt genug ist, solchermaßen seinem nehmen:
Gesammtheit darf die Tugend nicht verachten, sondern muß
Mißbehagen Ausdruck zu geben, kommt sicherlich die
„Es bleibt dabei Morgen präcis
sie heilig halten und auf ihren Schild erheben. In diesem
Antwort: Ach, da hat wieder einer der älteren Herren ein
wir auf.
Betracht ist es eben so überaus beklagenswerth, daß das
Haar an uns gefunden!
Der Jörg hatte sich zu guter
Zuchtlose gegenwärtig nicht blos des stillen, sondern auch
Karpfen bestellt und eine Portion Er¬
Nun, zu den älteren Herren zählen wir, das läßt sich
des lauten Beifalls sicher ist. Vor zehn Jahren noch würden nicht leugnen. Aber auch wir waren einmal jung, und
Zwiebel; denn es war Freitag. Herna
zum Beispiel gewisse anstößige Bilder und Texte in dem wahrlich keine Asketen. Nur wäre es uns nicht eingefallen,
einige Solokrebse zu wählen. Warum
auch sonst mitunter über die Stränge schlagenden deutschen
mindestens ein paar niedere Krustenthi
mit unseren Liebeleien die Oeffentlichkeit zu behelligen und
Witzblatt „Simplicissimus" einen Aufschrei der Entrüstung
unseren verworrenen,
von jugendlichem Unverstand
werden, bevor er, der hochorganisir
erregt haben. Heute wird dazu wohlgefällig gelacht. Man triefenden Empfindungen die Schutzmarke einer Welt¬
Reihe kam.
braucht nicht prüde zu sein und der Prüderie das Wort anschauung anzuheften. Wer hätte damals gewagt, sich auf
Mein Gott! Gar so ein schwere
zu reden, wenn man vor Erscheinungen dieser Art erschrickt.
die Darstellung des Lüsternen zu werfen, ohne daß er mit
er nicht begangen. Er hatte halt ein A
Als die Münchener „Jugend“ entstand, war sie Anferungen
Schrecken an die unvermeidliche Entwerthung seiner Per¬
dann wäre er sie wieder gerne los gew
ausgesetzt wegen ihres freien Tones und ihrer
sönlichkeit gedacht hätte? Heute ist keine Gefahr dabei, außer
andere besser gefiel. In der Stadt weiß
Illustrationen, die dem Nackten nicht aus dem Wege
die, welche der ganzen Gesellschaft droht, wenn es so fort¬
solchen Fall noch zu helfen, aber auf
gen, wenn es vom Gesichtspunkte des Künstlers aus zu
geht. Ein Umstand allein vermöchte die nimmermüden Moralbegriffe stärker; da werden die Ehe
rechtfertigen war. Heute ist man über das Nackte längst
Erotiker zu entschuldigen: daß es gar nichts Großes,
nur durch den Tod geschieden. Nun, un
hinaus; das interessirt nicht mehr, sondern es muß das
Schönes, Ernsthaftes mehr im Leben des Volkes gäbe, das
Jörg im guten Glauben ein bischen no
pikante Halbverhüllte, die Zweideutigkeit sein, mit einem
war aber auch Alles.
der Gestaltung werth wäre. Dann freilich hätten sie
Worte: das Lüsterne.
gänzlich Recht, und wir müßten von dieser nichtigen, jämmer¬
Weiß der Himmel, wieso das
Einst schlossen die Romane und Theaterstücke
lichen, lüsternen Zeit, unser Haupt verhüllend, sagen:
kam, daß für den Jörg eine Höhencur
wöhnlich mit der Ehe. Heute fangen sie zumeist nach der Obscoenis pereat:
Ed. Pötzl. dem Vertheidiger lag die Schuld sicher
13. Miscellaneous
Orden
und Landtags geo¬
Ehe an, um dem verehrungswürdigen Publico complicirte
u. s. w. verdanken, da zeigten sich im römischen Weltreich
Das Henkern
Ehebrüche anschaulich vorzuführen. Junge Mädchen er¬
die ersten klaffenden Sprünge. Wie soll auch ein durch Un¬
Von Carl Schönherr.
dreisten sich, Stücke zu schreiben, bei denen Wachtmeister
sittlichkeit entnerotes Volk den Anprall eines urwüchsigen,
Die Tage wurden allgemach wie
dritter Capitulation in Folge heftiger Scham den Rothlauf
gesunden aushalten?
zu haben vermeinen. Hetären, die Dumas nur bühnengerecht Wärmkraft der Sonne mehrte sich von
Darum hat es einen tiefen Sinn, daß unsere
machen konnte, indem er die schönste menschliche Em¬ Da saß der rothe Jörg eines Abend
germanischen Verwandten, die Engländer, Amerikaner und
in der Armensünderzelle des Kreisger
pfindung, das Mitleid, für sie wachrief, werden derzeit mit
Skandinavier, bei aller hohen Cultur einem zurück¬
ihrer ganzen Schamlosigkeit, ohne einen guten Faden, auf
Diese unscheinbare, aber stimmu¬
haltenden Puritanismus wohlgeneigt sind, der mit seiner
das Theater gebracht und erfechten womöglich noch den vor einigen Stunden der Schauplatz
Strenge die durch das Wohlleben so leicht sich einschleichende
Sieg moderner poetischer Gerechtigkeit. Komödien werden eignisses gewesen. Mehrere schwarz gekl
Entsittlichung verhütet. Mag auch viel Heuchelei dabei sein
aufgeführt, in denen sich auf offener Scene abspielt, was nämlich erschienen und hatten laut und
— es ist besser das Gute zu heucheln, als es durch offen¬
selbst die verwegensten Autoren ehemals in die Zwischen man habe der Gerechtigkeit freien Lauf
kundige Frevel aller Art von der Tagesordnung gänzlich
acte verlegt haben. Dazu die cynischen Bücher und eine
abzusetzen. Es ist immer noch moralischer, im Geheimen zu
„Ho, ho," meinte der Jörg.
Lyrik, die in verkehrtesten Gefühlen schwelgt — es ist
sündigen, als auf öffentlichem Markte mit dem Laster Arm
Geschichten meinetwegen!" Denn er w
wahrlich weit gekommen in diesem gepriesenen Zeitalter.
in Arm zu gehen. Die Freiheit des Individuums soll ge¬
nommen eine bescheidene Natur.
Das Laster setzt sich zu Tisch und die Tugend erbricht sich.
wahrt bleiben. Wenn dem Einzelnen ein lockeres Leben
Aber die Herren ließen es sich
gefällt, so hat sich Niemand hineinzumischen. Aber die
Wenn man beherzt genug ist, solchermaßen seinem nehmen:
Gesammtheit darf die Tugend nicht verachten, sondern muß
Mißbehagen Ausdruck zu geben, kommt sicherlich die
„Es bleibt dabei Morgen präcis
sie heilig halten und auf ihren Schild erheben. In diesem
Antwort: Ach, da hat wieder einer der älteren Herren ein
wir auf.
Betracht ist es eben so überaus beklagenswerth, daß das
Haar an uns gefunden!
Der Jörg hatte sich zu guter
Zuchtlose gegenwärtig nicht blos des stillen, sondern auch
Karpfen bestellt und eine Portion Er¬
Nun, zu den älteren Herren zählen wir, das läßt sich
des lauten Beifalls sicher ist. Vor zehn Jahren noch würden nicht leugnen. Aber auch wir waren einmal jung, und
Zwiebel; denn es war Freitag. Herna
zum Beispiel gewisse anstößige Bilder und Texte in dem wahrlich keine Asketen. Nur wäre es uns nicht eingefallen,
einige Solokrebse zu wählen. Warum
auch sonst mitunter über die Stränge schlagenden deutschen
mindestens ein paar niedere Krustenthi
mit unseren Liebeleien die Oeffentlichkeit zu behelligen und
Witzblatt „Simplicissimus" einen Aufschrei der Entrüstung
unseren verworrenen,
von jugendlichem Unverstand
werden, bevor er, der hochorganisir
erregt haben. Heute wird dazu wohlgefällig gelacht. Man triefenden Empfindungen die Schutzmarke einer Welt¬
Reihe kam.
braucht nicht prüde zu sein und der Prüderie das Wort anschauung anzuheften. Wer hätte damals gewagt, sich auf
Mein Gott! Gar so ein schwere
zu reden, wenn man vor Erscheinungen dieser Art erschrickt.
die Darstellung des Lüsternen zu werfen, ohne daß er mit
er nicht begangen. Er hatte halt ein A
Als die Münchener „Jugend“ entstand, war sie Anferungen
Schrecken an die unvermeidliche Entwerthung seiner Per¬
dann wäre er sie wieder gerne los gew
ausgesetzt wegen ihres freien Tones und ihrer
sönlichkeit gedacht hätte? Heute ist keine Gefahr dabei, außer
andere besser gefiel. In der Stadt weiß
Illustrationen, die dem Nackten nicht aus dem Wege
die, welche der ganzen Gesellschaft droht, wenn es so fort¬
solchen Fall noch zu helfen, aber auf
gen, wenn es vom Gesichtspunkte des Künstlers aus zu
geht. Ein Umstand allein vermöchte die nimmermüden Moralbegriffe stärker; da werden die Ehe
rechtfertigen war. Heute ist man über das Nackte längst
Erotiker zu entschuldigen: daß es gar nichts Großes,
nur durch den Tod geschieden. Nun, un
hinaus; das interessirt nicht mehr, sondern es muß das
Schönes, Ernsthaftes mehr im Leben des Volkes gäbe, das
Jörg im guten Glauben ein bischen no
pikante Halbverhüllte, die Zweideutigkeit sein, mit einem
war aber auch Alles.
der Gestaltung werth wäre. Dann freilich hätten sie
Worte: das Lüsterne.
gänzlich Recht, und wir müßten von dieser nichtigen, jämmer¬
Weiß der Himmel, wieso das
Einst schlossen die Romane und Theaterstücke
lichen, lüsternen Zeit, unser Haupt verhüllend, sagen:
kam, daß für den Jörg eine Höhencur
wöhnlich mit der Ehe. Heute fangen sie zumeist nach der Obscoenis pereat:
Ed. Pötzl. dem Vertheidiger lag die Schuld sicher