VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 190

13. Miscellaneous
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Es bleiben ihnen von heute ab noch drei Monate,
Reform der Irrenpflege vor, so daß die Landesanstalten
Die oberste Leitung beider
innerhalb deren sie um Erlangung der Autorisation
einzig in ganz Oesterreich dastehen werden. Die Geistes¬
österreichische Landesausschuß.
Nachdruck vorderen.
Singen gebracht! Die Sinnlichkeit der Erotik spielt also
Das ist die berühmte Objectivi¬
als Motiv der Kunst nur die gleiche Rolle wie jeder
phrase der Modernen. Daß sie
„Gefesselte Kunst.
andere Erreger. Wenn der eine als Erotiker künstlert,
findet, erkenne man an Zola, de
so thut es der andere aus Idealität. Milton sah sich
tastischen Tendenzraisonneur er
Von Karl Beibtreu.
vom Puritanismus geradeso zum Dichten erregt, wie
sind auch Tolstoi, Ibsen, Björns
III. *)
Maupassant von einer Cocote. Deshalb sprach man
logen. Für die wahre Objecti¬
Von dieser ebenso naiven als beschränkten, völlig
Dichter und auch den bildenden
früher ausdrücklich von „Erotikern", wie Anakreon, Hafiz
undeutschen Auffassung der Kunst zeigt sich auch Berg u. s. w., um den Seelenzustand zu bezeichnen, der die
ja, die sogar untrennbar von all
nicht frei. Der größte Theil seines Werkes ist dem er¬
Kunst schließlich nur zum Ausdruck sinnlichen Wohllebens
bringen, — braucht doch auch der
such gewidmet, Kunst und Sinnlichkeit als unzertrennlich
mißbraucht. Dem Judenliteratenthum aber, dem wahren
um zur Harmonie zu gelangen!
auszugeben. Diesen Unsinn hat die neue naturwissen¬
Shakespeare das ewige Vorbild,
fin de siècle, blieb es vorbehalten, dies für den einzig
schaftliche Aesthetik eingeführt, indem sie wie gewöhnlich
richtigen Normalzustand der Kunst zu erklären und Sinn¬
die Sonne scheint auf Gerechte
das Thierreich zur Norm nahm. Weil dort Singen und
lichkeit mit Kunstbegabung zu identificiren. Um den Un¬
ist thöricht, ihn in seinen Gestal
Farbenspiel nur während der Liebeszeit erscheinen, sol
ist ebensowenig ein Stück Jage
sinn auf die Spitze zu treiben, insinuirt Berg sogar,
natürlich auch der Kunsttrieb lediglich aus der Erotik daß man in kunstgebildeten Kreisen immer am meisten
gewesen, ja nicht einmal all seine
abgeleitet werden.
der Shakespeare, der unsterblich
„liebe". O ja Börsener, Weinreisende, Baron Mikosche
Ein naiver Trugschluß durch Verwechselung der
sind ungeheuer gebildet! Als die raffinirteste Verderb¬
dern der steht deutlich genug
Prämissen, der obendrein nicht mal historischer Prüfung
Figuren! Und hier erkennen wir
niß in England herrschte, decretirte die Aesthetik der
stichhält. Denn die Kunstanfänge der Barbaren fallen Stuart=Cavaliere, daß Shakespeare ein ärmlicher Trop
liche Größe und das Wesen de
stets mit religiösen oder kriegerischen Erregun¬
Denn käme es aufs bloße Gest¬
neben dem großen Zotenreißer Wycherley sei. Nein, um¬
gen zusammen, die Liebespoesie ist niemals primär. Im
handelnden Weltbildes an, dann
gekehrt: die deutsche Classikerperiode stieg aus dem sitten¬
Thierreich bildet die Brunstzeit meist die einzige Er¬
bulirer wie Walter Scott ja
strengen Bürgerthum der Kleinstaaten auf und die grie¬
regung, und die Kunst geht natürlich nur aus gesteigerten
stehen, und sogar Tiefe der Cha
chische oder britische Sittlichkeit stand nie höher, als zur
Erregung des Lebensgefühls hervor. Beim Menschen
Zeit ihrer Tragiker. Als man „Tristan und Isolde sang, zelner Seenen, sind in den be
aber erreichen negative Leidenschaften wie Haß, Rache, war dies nur ein Theil der mittelhochdeutschen Dichtung:
oder der russischen Romancier
Ehrsucht, Zorn, Kampfmuth eine ebenso große Stärke,
es ist die zusammenhaltende We
was aber haben Wolfram v. Eschenbach und vollends
weshalb der Spruch „facit indignatio versum“ sehr oft zu
hafte Verständniß für alle Vor¬
das Nibelungenlied mit der Erotik zu schaffen?
trifft. Und wie die Entrüstung zum Dichter machen kann,
die Verknüpfung von Schuld u
Geradeso kindisch wie obige These ist aber die andere,
Unfreiheit des Willens, die in
so erst recht die Begeisterung für die höchsten Güter: daß der Künstler überhaupt jenseits aller Moral stehe,
Freiheit, Gerechtigkeit, Vaterland — freilich Dinge, die
predigte Nemesis, was den wahr
daß daher, wie Berg ausführt, der Dichter oder Darsteller
dem Juden sehr fern liegen. Dafür kann er sich wenig
separe über alle blos äußerlich
eines Jago selbst gleichsam ein Stück Schurke sein müsse.
stens von seinem Ideal, dem Geld, begeistern lassen, Will man in diesem Gallimathias einen Sinn suchen,
der realistischen Lebensabspiegel
und dies hat sicher schon manchen jüdischen Literaten zum
keineswegs gethan, und die bloß
so wäre es die Selbstverständlichkeit, daß der Künstler
macht so wenig das geistige Sch
als Wiederspiegler der Natur Schön und Häßlich, Gut
*) Siehe Morgenblatt der „Deutschen Zeitung" Nr. 10594
und Böse, mit gleich liebevoller Sorgfalt umfassen müsse, Sinnenfreude. Die ganze Alle¬
und