I, Erzählende Schriften 43, Der Sekundant, Seite 9

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43. Der Sekundant
fügte, da alltwörtele er gar nichts mehr, sondern ging nur
aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Ich weinte zuerst etwas, denn ich wollte doch nur ver¬
stehen, wo eigentlich die Millionen geblieben wären. Aber
dann nahm ich mich zusammen und war ganz still.
Ir der Seigerschule Maxim Jatobsen, Berlin W. 50, beginnt am 1. Fe¬
bruar ein Sonderkursus für fortgeschrittene Geiger.
ihm kein anderer sagt, daß er tot ist; er würde es nicht
überleben, denke ich — und lache zugleich. Und schon
sitzen wir auch beide beim Mittagessen, und der Diener
serviert; ich wundere mich, daß Eduard sich etwas
zum Essen auf den Teller nimmt — er braucht
es doch nicht mehr. Ihm gegenüber sitzt Agathe, ich
bin überhaupt nicht mehr vorhanden. Aber ich sitze auf dem
##nsterbrett, und die Gerdinen schlagen jeden Augenblick
über meiner Stirn zusammen. Ich möchte so gerne sehen,
mit welchen Blicken sie einander betrachten. Plötzlich höre
ich seine Stimme — ach Gott, wenn ich nur sehen könnte
und ich höre ihn ganz deutlich sagen: „Also du frühstückst
mit dem Herrn, der mich erschossen hat.“ Es wundert mich
gar nicht, daß er das sagt, denn ich habe es ja wirklich ge
tan. Sonderbar finde ich nur, daß er eine so dumme Be¬
merkung macht. Er müßte doch wissen, daß es ganz üblich
ist, nach einem Duell miteinander zu frühstücken.
Wieder Schritte im Garten — die Bahre — wie seltsom
der Tote zuerst und nachher die Bahre — was für ein Snob
er ist — und Trauermusik. Eine Militärkapelle? Freilich.
weil er einen Rittmeister erschossen hat. Und Applaus¬
Natürlich — er hat ja die Regatta gewonnen. Ich springe
rasch aus dem Fenster, laufe, so geschwind ich kann, hinunter
zum See. Warum sind denn so wenig Leute da — und
gar keine Boote? Nur ein ganz kleiner Kahn und in dem
Kahn Agathe und ich. Agathe rudert. Nun kann sie es
plötzlich. Sie hat ja neulich gesagt, daß sie gar nicht rudern
kann. Und nun hat sie gar die Regatta gewonnen. Jetzt
plötzlich fühle ich eine Hand am Halse, Ebuards Hand. Die
Ruder entgleiten Agathen. Unser Kahn treibt nur so hin.
Sie verschränkt die Arme. Sie ist sehr neugierig, ob es
Eduard gelingen wird, nich ins Wasser zu werfen. Wir ver¬
suchen uns gegenseitig unterzutauchen. Agathe ist gar nicht
mehr neugierig. Sie treibt auf dem Kahn davon. Es ist ja
doch ein Motorboot, denke ich. Ich tauche immer tiefer.
Warum, warum, frage ich mich, und ich will zu Loiberger
sagen: Es ist ja gar nicht der Mühe wert, daß wir einander
wegen einer solchen Frau umbringen. Aber ich sage es nicht,
am Ende würde er glauben, daß ich mich fürchte. Und ich
tauche wieder empor. Der Himmel ist so unendlich groß,
wie ich ihn noch niemals gesehen. Und wieder sinke ich hin¬
ab und noch tiefer als vorher. Ich müßte ja gar nicht, ich
bin ja allein, der ganze See gehört mir. Und der Himmel
dazu. Und wieder tauche ich empor aus Flut und Tod und
Traum. Ja, so tief ich gewesen, so unerbittlich komm' ich
„. „. N Maskarde has Pochwässer überdalzen rassche,
ner Kichntergend
während die Holzgewächse namentlich dem Eisgang zum Opfer
einer Entschließung.
fallen. Die Verfechter der Kulturwiesen=Theorie dagegen (Krause,
unterzeichnet ist, sch
Andersson, Cajander), besonders Professor R. Gradmann (Er¬
der Ausschreihung
langen), der das Problem kürzlich in einer Fachsitzung der Ge¬
abwohl der Kultusmi
sellschaft für Erdkunde zu Berlin behandelte, betonen, daß die
palast=Ersatzausstellung
Wiesen eine Kulturlandschaft darstellen, die aus der Urvegetation
bewerb in Aussicht ge
der Flußtäler (Schilf, Riedgras, Erlenbruch usw.) durch das regel¬
Recht für sich in
mäßige Abmähen geschaffen und erhalten wurde. Die Arbeit der
„Glaspalastes“, der
Sense hat eine Auslese zur Folge, weil jede Pflanze dem Jahres¬
hayerischen Kunst en
ihren Ideen ungehind
Dieser Protest der Ki
Adolf Abels, sondern
wieder empor, und plötzlich bin ich wach — vollkommen wach.
Zeiten der Not einen
Agathe aber schlief, jedenfalls lag sie mit geschlossenen
Ausarbeitung eines
Augen da. Die Gardinen bewegten sich stärker in dem
Künstlerschaft zu freien
Sommerwitcd, der um diese nachmittägige Stunde immer
Deutsche Ura
vom See heranzuwehen pflegte. Es konnte ja noch nicht
Im Stadttheater Te
spät sein. Nach dem Stand der Sonne kaum mehr als vier,
übersetzte Oper Anton
die Stunde also, in der Mülling mich im Hotel aufsuchen
probe vor deutschem
wollte. War dies auch noch Traum? Alles vielleicht? Auch
gechöhnlich großem Erf
das Duell? Und Loibergers Tod? War es vielleicht Morgen
keit, die rhythmische
und ich schlief — ich in meinem Zimmer im Hotel? Dies
Musik erwiesen sich als
aber war gleichsam mein letzter Fluchtversuch. Ich konnte
lich ist die in Dvoraks
nicht zweifeln, ich war wach, und hier lag Agathe und schlief,
Kreuzung von Stileinfl
Schaden der Gesamtwi
und sie wußte nichts. Nun hatte ich nur mehr die Wahl auf
nicht, wie der Titel verm
und davon zu fliehen, in dieser Sekunde noch — oder reden,
oper ist, sondern ein
ohne noch eine Sekunde zu zögern, Agathe aufwecken und
tschechischem Kleinbürg
reden. Jeden Augenblick konnte die Nachricht da sein. Hörte
lebt sich Dvoratz schi
ich nicht schon Schritte im Garten? War es nicht fast ein
heimatlichem Kolorit
Wunder, daß wir bisher nicht gestört worden waren? Und
aus. Die Aufführung
in jedem Fall, wenn in diesem Haus, wenn hier im Ort noch
hut; der Dirigent Adol
keiner etwas wußte, blieb es nicht ein unfaßbarer Leichtsinn
die zwanglose deutsche
in diesem doch von überallher zugänglichen Gemach, nun, da
und Klangkolorit der
die Zeit der allgemeinen Nachmittagsruhe vorbei war, noch
Beifall des Publikums
weiter zu verweilen? Ich selbst hatte mich rasch erhoben
nun, als ich eben Agathe an der Schulter berühren wollte,
HOCHSCH
als hätte mein Blick sie erweckt, blinzelte sie, strich sich mit der
In der Rechtswissensch
Hand über die Stirn und über die Haare, sah einem kleinen
habilitierte sich als Prir
Mädchen ähnlich, das sich den Schlaf aus den Augen reibt,
recht Dr. jur. Karl Pe
und sie sah mich gewiß nicht anders als wie ein entschwinden¬
Dem Pastor und Pri
des Traumbild. Dann aber hörte sie meine Stimme, denn
versität Hamburg Li
##n villkürlich hatte ich ihren Namen geflüstert, jetzt beschattete
von der Landesschulbeh
sich ihr Antlitz, sie sprang auf, strich sich das Kleid zurecht,
ystematischen Theologie
Ausbildung det an de
strich auch die Kissen glatt und legte sie in flüchtiger Ordnung
Lehrer erteilt worden.
hin. Dann wandte sie sich rasch zu mir und sagte nichts
Professor Herrmann
anderes als: „Geh!“ Ich aber blieb wie angewurzelt stehen,
den Lehrstuhl der Phr
völlig unfähig, ihr zu sagen, was ich sagen mußte, ja un¬
als Nachfolger von P.
fähig, überhaupt ein Wort zu reden. Welch ein Feigling
An der Universität K
war ich! — Mich umbringen, nichts anderes blieb mir übrig.
dierende Vorlesungen be
Aber ich konnte ja nicht einmal einen Schritt tun. Und nur
und sozialwissenschaftlich
hren Namen brachte ich jetzt wieder hervor, lauter, flehen¬
lichen 1390, der medizin
der als vorher. Sie faßte zart meine Hand und sprach
dierende. Darunter befin
weiter: „Ich liebe dich sehr. Ich habe es nicht gewußt, wie
sehr ich dich liebe. Du mußt es ja nicht glauben. Aber
„Künstler hungen
warum sollte ich es dir sagen, wenn es nicht so wäre. Du
eine Kundgebung des
ollst es nur wissen, ehe du gehst.“
Deutschlands“, Ortsgruppe
Nationalhof (Bülowstraße
Schluß in der Abend=Ausgabe vom Montag
und Max Keilson, der
Unterhaldungsblafl d. Von tig N. 3 2./1.1422