I, Erzählende Schriften 43, Der Sekundant, Seite 10

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43. Der Sekundant
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und fre##e sich,
Plötzlich spürte er Bewegung auf dem See. Rasch nahm er
das Fernglas und sah, wie ein Mensch mit dem Wasser
kämpfte.
Eben wollte er das Boot besteigen, als er aus der Seemitte
lautes Rufen hörte, drohende Laute vernahm, einmal gläubte
er: Schande zu hören. Was, dachte Mertens, der erbost war,
daß dieser nette Tag so eine dumme Unterbrechung haben
mußte, wer beschwert sich da. Umständlich machte er den Kahn
los, und fuhr ärgerlich zur Mitte des Sees.
„Was ist hier los“, fragte er absichtlich ruhig in die Baden¬
den hinein.
Der Sekundant
Novelle von
ARTHUR SCHNITZLER
Copyright 1931 by Heinrich Schnitzlei
3. Forts. u. Schluß
„Wann seh' ich dich wieder?“ fragte ich. Ich sagte nicht
Eduard ist tot. Ich sagte nicht: Verzeih' mir. Ich sagte nicht:
Ich war zu feig, um es dir gleich zu sagen. Nein, ich fragte:
„Wann seh' ich dich wieder?“, als gäbe es keine indere Frage,
die jetzt zu beantworten wäre, als gäbe es kein anderes Wort
zu sagen.
„Du wirst mich nie wieder sehen“, sagte sie. „Wenn du
mich lieb hast, wirst du dieser Stunde dankbar sein wie ich.
Wenn du nicht willst, daß diese Stunde aus einem wunder¬
baren, unvergeßlichen Traum eine trübe Wirklichkeit, eine
Lüge, hundert Lügen, eine Kette von Betrug und Häßlichkeit
werde dann geh, geh gleich, reise ab und versuche niemals
mich wiederzusehen.“
In mir raunte es: Eduard ist tot — dein Mann ist iot,
alles, was du sprichst, ist Unsinn, und du ahnst es nicht. Es
gibt keine Lüge, keinen. Betrug, keine Häßlichkeit mehr, du
bist frei. — Aber all das sagte ich nicht, alles wurde plötzlich
so klar in mir, wie ich es noch vor einer Minute nicht für
möglich gehalten hätte. Und ich sagte: „Es ist kein Betrug,
es ist keine Lüge. Betrug und Lüge wäre es nur, wenn du
nach dieser Stunde noch länger in diesem Hause bliebst und
wieder einem andern gehörtest.“ Es war mir, als bekäme
jener Reisetraum von früher Gewalt über mich, oder als be¬
käme ich Macht über ihn.
Agathe erblaßte. Sie sah mich an, und ich fühlte, daß
mein Antlitz ganz staer geworden war. Sie berührte meinen
Arm, als wollte sie mich beruhigen. „Wir wollen doch ver¬
nünftig sein“, sagte sie. „Oder wir wollen es wenigstens
wieder werden. Ich liebe dich, ja, aber ich gehöre nicht dir
so wenig wie du mir. Wir wissen es ja beide. Es war nur
ein Traum, ein Wunder, ein Glück, unvergeßlich, ja, aber
vorbei.“
Ich schüttelte heftig den Kopf. „Alles, was vor dieser
Stunde war, ist vorbei, diese Stunde aber hat alles geändert.
lärm.
„Wo ist der Ertrunkene?“ fragte eine Stimme aus dem
Philharmonisches
Boot.
Kleiber wurde
— da ihm
„Das geht Sie nichts an. Wo ist Ihr Passierschein?“
Verfügung stehen — einge
„Mann, sind Sie wahnsinnig, wo einer am Ertrinken ist.
Brchelter in dirigseten
Platz da, wir fahren!“
„Nicht ein Schritt!“ schrie Mertens, so wie er das als Un¬
Grand Hotel St. Moritz sa
Im
teroffizier gelernt hatte.
nales Bridge=Turnier statt, unter
Was, los, los“, sagte Mertens, „ich sehe ja gar nichts.“
eschaft, und zwar mit solch burt
mende Woche ein zweites Turnier
Und nun stellte er sein Boot quer vor den Kanaleingang,
sich das Grand Hotel und sein B
Bridgespitker entwickelt.
o daß das Motorboot nicht weiter konnte.
Sekunden noch blieben n
Du kannst dem andern nie wieder gehören, du gehörst mir
diesen wenigen Sekunden
allein.“
und überdies noch mich
Noch immer hielt sie meinen Arm berührt, ja nun ergriff
schwiegen. Vor einigen
sie ihn, hielt ihn fest. Ja, sie bewegte ihn leise hin und her,
hätte sie vielleicht verzie
als hoffte sie mich damit aus einer unbegreiflichen Verstörung,
wahrhaften, einen unver
aus einem Wahn zu erwecken. Meine Augen aber blieben
davongetragen. Jetzt ab
starr, ich wußte, daß kaum Liebe in ihnen war, nur Wille,
schlagene, ja, in dieser Se
Drohung heinahe. Und ich merkte, daß ihre Angst wuchs, und
sam wie ein Gespenst, un
so versuchte sie's nun mit einem scherzhaften Ton: „Kind
so sehr ich wußte, daß
sagte sie, „hab ich nicht recht gehabt? Ich habe schon immer
hier hereintreten könne, a
gewußt, warum ich dich Kind nenne. Soll ich nun vernünftig
unbegreiflicher Weise das
sein für uns beide? Leicht ist es ja nicht. Nicht einmal für
meinem Traume getan, se
mich allein. Aber wir müssen, wir müssen verständig sein.“
die Stufen zur Terrasse
mochte, unmöglich war
„Warum müssen wir?“ fragte ich hartnäckig und haßte mich
herankommen zu lassen,
zugleich.
zubereiten. Doch nur
„Wir müssen“, sagte sie, und in immer steigender Angst war
auf meine Lippen: „E
sie gleich mit den stärksten, den unwidersprechlichsten Argu¬
das Wort aussprach,
menten zur Stelle: „Wir müssen vernünftig sein und dürfen
zumute, als müßte in
uns nicht verraten, weil du verloren wärst, wenn er
Gatte eintreten. Zuerst
ahnte ...“
Lächeln en, als wollte
Ich lächelte. Ich konnte nicht anders. Aber ihre Ent¬
mich nicht zu sorgen brau
gegnung, ihre Warnung, der Versuch, mir Angst vor dem
im geringsten anmerlen
Toten einzuflößen, wirkte auf mich nicht nur grauenhaft,
vorgefallen war. Aber
sondern wie mit einer unergründlichen Komik. Es lag
zweifelten Ernst meines
mir in diesem Augenblick gar nicht fern, irgend etwas
etwas anderes bebeutet
Teuflisches zu erwidern, der ganzen Unerträglichkeit, der
sorgnis, sie könne sich ei
Furchtbarkeit dieses Gesprächs durch ein vernichtendes und
Zeit zu fragen: „Was is
zugleich erlösendes Wort ein Ende zu machen. Aber ich
die Möglichkeit, zu antwe
tat es nicht. Ich fühlte meine Ohnmacht grade in diesem
Die Schritte hallten sch
Augenblick, ich fühlte, daß der Tote stärker war als ich, und
ohne sich nur nach mir un
wie in verzweifelter Gegenwehr vermochte ich keine andere
ich folgte chr. Aline sta
Erwiderung zu formen, als das törichte Wort: „Und wenn
und Terrasse, streifte mich
das Schicksal am Ende für mich entschiede?“
Blick, faßte die Hände 5
Sie faßte mich an der Schulter. Angst war in ihren
Tränen ausbrechend, schl
Augen. „Was sagst du da? Wo verirrst du dich hin? Wo
Augen aber starrten vor
verirren wir uns hin?“
Frage in die meinen, als
Stirn saugen; ich legte
Und in diesem Augenblick fühlte ich, daß sie für ihn bangte,
spürte selbst, daß diese ar
für ihn und nicht im geringsten für mich — daß er alles,
bedeutete, eher mich als
und daß ich nichts für sie war . .. Und in diesem Augen¬
blick hörten wir Schritte über den Gartenkies. Nur wenige aber war mehr, als ich
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