I, Erzählende Schriften 36, Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 12

Flucht in
die
Finsternis
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36. Flucht in densseinas

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WIEN, I., WOLLZELLE 11
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Ausschnitt aus:
du Journal: National Zeitung Adend.
Basel
RRTHRRT
—.
Arthur Schnitzlers letztes Werk.
Werke in Verfeinerung des Geistes und der Nerven fdition, verlassen von allen guten Geistern u
gültige Zeugen sind einer Kullur, deren Untergang gläubig, sehr fern den Menschen gegenüber,
Arthuf Schnitzler: Flucht in Finsternis. No¬
man nachtrauern mag bei allem Bekennen zur Zu- den Kräften der Vergangenheit ihnen Schätze
Felle. (S. Fischer, Verlag, Berlin.)
kunft. Zu einer Zukunft, da nicht mehr die schreiende] Formung darreichen. Während nun diese Situa
Is ist etwas Seltsames um dieses Buch. cEine me- Not das Ohr taub macht für Klänge von so stillem
(Leibhaltigenz vom Aspekt des unkämpferische
und faszinierendem Reiz, wie sie Schnitzler anzustim¬
dizhische Studies, denkt man zunächst, nicht sonderlich
schen des Untergangs aus erfasst wurde, von d
men vermochte. Der zum mindesten immer als Re¬
Inferessiert. Denn was sollen uns in der jetzigen Not¬
kein Blick in eine Weiterentwicklung der Kul
präsentant seiner Epoche, des Wienertums seinen Rang
zeit, da ganz andere Probleme in den Seelen breunen,
stattet ist, sehen wir im -Zentaurs eine Jug
unter den Besten behaupten wird.
N. P.
die noch so detailliert dargelegten Irrgänge ausbre¬
dieser Epoche stehen, die menschliche Eigenkrä
chenden Wahnsinns? Die Angelegenheit des Herrn
wickelt, die sich gegen den Verfall wehrt. Ob
Sektionsrat Robert ... bleibt trotz der geflissentlich
folg, zu welchem Ende? Das wissen wir aus
Der Zentaur.
gewährten Anonymität doch nur ein Einzelfall von
Buche nicht. Wenn wir es aus uns wissen —
durchaus nicht symptomatischer Bedeutung.
so, dann wenden wir uns an diese jungen Me
Frank Thiess: Der Zentaur. (J. Engslhorns Nachf.
Trotzdem liest man weiter, um bald vollkommen
je nach unserer Veranlagung mit unseren Ziel
Stuttgart.)
eingesponnen zu sein von jener bestrickenden herb¬
Programmen, oder aber wir empfinden jene
Mit diesem Roman ist das vierbändige epische Werk
süssen Melodik des Wiener Zauberers, von dieser 8o
Verwandtschaft, jene Verbundenheit mit ihnen,
=Jugends des Dichters abgeschlossen, das den Weg der
stillen und doch so unendlich feinen, fast schmerzhaft
Dichter immer wieder dazu treibt, sich mit ihn
Jugend in die Welt gestaltet. Der -Zentaurs unter¬
einanderzusetzen. Sicher aber ist in, diesem
zarten Kunst, die behutsam die Fäden der Handlung
scheidet sich von dem voraufgehenden Roman-Der
webt und gleichzeitig die Charaktere der Helden ent¬
noch nichts entschieden über das Wohin. Wenn
Leibhaftiges vor allem darin, dass hier versucht wird,
wickelt. Die lächelnd und wehmütig noch einmal das
heutiger Jugend Kreise gibt, die diesee Wohin#
einen positiven Weg des jungen Menschen in die Zu¬
dann misstraut ihnen und ihren #framme
Lied von Sterben und Vergeben anstimmt, die in
kunft aufzuzeigen, während dort noch das restlose Ver¬
bitter-unerbittlicher Ironie die Handlung der Kata¬
Dichter offenbar zu sehr, als dass er Hite Auf
sagen des aus allen Bahnen der Tradition geworfenen
strophe zutreibt, zum erschütternden tödlichen und
in sein Bild von dieser Jugend gerecht“irtigt
Nachkriegsmenschen, seine bedingungslose Kapitula¬
(Politische Programme rechts und links,denen
doch eigentlich sehr lächerlichen Ende.
tion in ein hemmungsloses, nur am momentanen Be¬
Gestalten anhangen, bleiben belanglos.) Was i
Schnitzler greift widerum ins Gebiet des Unbe¬
dürfnis der Lustbefriedigung gemessenes Leben Vor¬
gelungen ist, wiederum mit seiner bekannten
wussten, in jenes Reich, da die Ahnungen herrschen,
wurf psychologischen Erfassens war. So wenig wir da¬
und sauberen Klarheit zu gestalten und unverge#
und sucht ihre emetaphysische Logik, darzulegen, ihre,
mals zu überzeugen waren, dass diese Generation der¬
bildhaft in einer eindeutig epischen Sprache
die menschlichen Geschicke lenkenden Gesetze zu er¬
massen und eindeutig dem Leibhaftigen verfallen war,
wärtig zu halten, das ist die Schwere, aber aug
gründen. Dass ihm dies gelingt, dass er schliesslich
so weuig will es uns aber auch einleuchten, dass in Grösse des Entschlusses dieser Menschen, sich
ein pathologisches Schulbeispiel in höhere Regionen zu
diesem Schlussband, wie uns versprochen wird edie
scheiden, nicht aber — von wem immer — übe
erheben vermag, das gibt seinem Buche auch den
entscheiden zu lassen.
geistigen und religiösen Zielpunkte unserer Jugend zu
menschlichen Wert.
erkennens seien. Das aber ist das Positive an diesem
So seltsam es für diese Kritik klingen mag
Seine künstlerischen vorrüge aber lassen sich nicht
Werk, diese Zielpunkte werden auch nicht aus eine¬
all dem ist eigentlich nur der Hintergrund des
in Worte fassen. Man zerstörte das Schwebende, das
der weltanschaulichen Rüstkammern der Vergangen¬
haften Geschebens dieses umfangreichen Werk
Unsagbare und doch in jenem scheinbar so gelassenen,
heit hervorgeholt und vorzeitig als die der Jugend
fasst. Der Flieger Almquist, der Held des Roman
innerlich so vibrierenden Stil Gesagte, jenen Duft von
aufgezeigt, in ihr Dasein und Handeln anmasslich hin¬
Vordergrund, gehört gar nicht dieser Jugend al
lächeind-wehmütigem Wissen und skeptischer Erotik,
eininterpretiert. Vielmehr ist es doch so, dass hier
ist ein Einsamer, der sich durch unendlich sc
von alter Kultur von etwas weichlicher, ja, und trotz- noch einmal das Thema des eLeibhaftigens aufgegrif¬
Widerstände schliesslich zum Helden seiner Zeit
dem bestrickender Verführung, um deretwillen wir ien wird — das Thema der ganzen Tetralogie übrigens
ringt — zum Helden dieser Jugend, die sich an
Schnitzler liebten als Zeugen einer versinkenden, viel-]—: junge Menschen in dieser unserer Zeit des Ueber-klaren Härte dem Leben gegenüber schuli, ihr
leicht schon für immer versunkenen Zeit. Deren besie I ganges, der zerstörten Werte, der zerrissenen Tra-Ilinien abgewinnen will für ihr eigenes Verhalten