I, Erzählende Schriften 33, Traumnovelle, Seite 13

Traunnovelle
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33.
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Dr. Max Goldschmier
Büro für Zeitungsausschnitte
BBRLIN N 4
Teleion Norden 3081
Ausschnitt aus:
Konigsberger Allgemeine Zeitung
2 5. JU. 28
Arthur Schnitzler: „Traumnovelle“.
Das Leben ein Traum — der Traum ein Leben: dieses uralten
Dichtermodivss hät sich jetzt Arthur Schnitzler wieder bemächtigt, um
#s auf seine Wiise zu gestalten. Auf seine Weise, das heißt, mit dem
Wissen um die Unerforschlichkeit seelischer Vorgänge und zugleich doch
mit dem ihm eigentümlichen Trieb, in die Gcheimnisse des Unterbewußt¬
seins zu dringen; mit der Unerbittlichkeit und letzten Ehrlichkeit des
Wahrheitergründers und zugleich doch mit der geistigen Anmut, dem
Schönheitssinn des Künstlers und mit der Behutsamkeit des sorgsamen
Arztes. (An Schnitzlers medizinische Vergangenheit erinnert auch die
Vertrautheit mit dem Milieu der Krankenhäuser and Sterbezimmer, die“
ganze klinische #mosphäre.)
Die Erle isse eines Arztes schildert auch diese „Traum¬
novelle“ (S. Fischer Verlag, Berlin). Erlebnisse, die sich nicht will¬
kürlich, zufällig abspielen, sondern nach einem Gesetz mystischer kausaler
Zusammenhänge oder unter dem Zwang einer dunklen Schicksalsmacht
als Ausflüsse und notwendige Folgen, als Fortsetzung gleichsam traum¬
hafter Gedankensünden sich zu vollziehen scheinen. Nach einem Ballfest,
auf dem er innerlich mit dem Wunsche gespielt, seine Frau zu betrügen,
gerät dieser Dr. Fridolin in eine Kette seltsamer Begebenheiten, die ihm
die Möglichkeit, seinen Gedanken zu verwirklichen, in phantastischer Stei¬
gerung naherücken. Ein Traum seiner Gattin, in dem diese treulos und
grausam erscheint, weckt in ihm Eifersucht (eine fast Hebbelsche Gefühls¬
überspitzung!) und den Vorsatz, die unvollendeten erotischen Abenteuer
fortzusetzen, um sich zu „rächen“. Aber es gelingt ihm nicht, die nächt¬
lichen Ereignisse zu rekonstruieren. Im Tageslicht nimmt sich alles
nstchterner, reizloser aus, zudem verfolgt ihn Mißgeschick: „alles zerfloß
ihm unter den Händen; alles wurde unwirklich, sogar sein Heim, seine
Frau, sein Kind, sein Beruf, ja er selbst, wie er so mit schweifenden
Gedanken die abendlichen Straßen mechanisch weiterging.“ So kehrt er
denn zu seiner Frau zurück und befreit sich von seinem seelischen Druck
durch eine Beichte des Erlebten. Und sie, die Verstehende und darum
Verzeihende, findet das erlosende Wort, das die drohenden Schatten
eines Zerwürfnisses bannt und der Weisheit letzten Schluß ausspricht.
Sie ahnt, „daß die Wirklichkeit einer Nacht, ja daß nicht einmal die
eines ganzen Menschenlebens zugleich auch seine innerste Wahrheit be¬
deutet". „Und kein Traum“ — fügt er hinzu — „ist völlig ein Traum.“
In der Art, wie Schnitzler die Richtigkeit dieses tiefen Gedankens
an den Erlebnissen des Ehepaares nachweist, bewährt sich aufs neue
seine oft bewunderte Erzählerkunst und seine Seelenkultur. Den
Spannungsreiz der Darstellung erhöht die unentwirrbare Verkettung von
Schein und Wirklichkeit, die hage Gedankengänge aus der Traumsphäre
über die Schwelle des Bewußtseins ins Reich des Möglichen münden
läßt und Phantastisch=Mystisches zu tatsächlichem Erleben umwertet.
Echt Schniylerisch, wie die harten Umrisse dieser Tatsachen im Zwielicht
der Angenblicksstimmungen verschwimmen, die sie erzeugt (man spürt den
Anatol=Schöpfer!), sehr fein, bester Novellismus, wie alles aus der
scelischen Perspektive der Hauptgestalt und doch irdendwie von einer
höheren Warte, gleichsam durchs Fenster, gesehen ist. Will man noch
eine Moral von der Geschicht', so wäre es diese: wir sollen kernen, im
Buch des Schicksals zu lesen, sollen fühlen, was es mit uns vorhat, und
erkennen, daß es uns oft Wünsche nur darum versagt, um uns Un¬
gewünschtes, aber viel Erstrebenswerteres zu erfüllen
Der Mensch, der Dichter, der Seelenarzt Schnitzler spricht aus
diesem Buch. Lest es.
Hans Wyncken.
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Teleion: Norden 9051
BERLIN N4
Ausve'initt aus:
Berliner Tageblatt
2 7. Juni 1926
Schnitzlers „Traumnovelle“
Arthur Schnitzlers neuestes Buch („Traumnovelle“, S. Fischer¬
Verlag) macht dem in höchstem Masse geglückten Versuch, die Er¬
lebn'sse eines Traums und das bunte Geschehen einer freilich recht
traumhaften Wirklichkeit zu verweben und daraus eine klare, einheit¬
liche Erzählung zu gestalten. Ohne von seinem Recht auf Ver¬
schwommenheit — bei einem Traum-Thema eo ipso gegeben — #uch nur
im geringsten Gebrauch zu machen, entwickelt Schnitzler in logischer
Folge und natürlicher Steigerung den nächtlichen Traum aus tagheller
Wirklichkeit, und die Wirklichkeit wiederum aus dem Traum. Doch
lässt er beidey — und das ist neu und bemerkenswert — nicht dämmer¬
haft intinandergleiten (etwa in der Art E. Th. A. Hoffmanns), nimmt
den aum nicht als übliches, allzubequemes Hilfsmittel zur Darstellung
halbb usster Dinge und unklarer Gedanken, sondern baut eine
fesselnde und gedrängte Novellenhandlung auf, in der ein Traum
wesentlicher Entwicklungsfaktor und die treibende Kraft der Gescheh¬
niese ist. Der Dichter setzt mit dieser Erzählung Freuds Lehre ge¬
wissermassen inr Leben um, ohne freilich der Starrheit psychoanalyti¬
scher Dogmen dichterisch zu verfallen.
Spannend durch Technik und Inhalt ist Schicksalsverknotung und
-lösung in dieser Erzählung. Ein Wiener Arzt erlebt rauschhaft eine
Fülle unheimlicher, andeutungsvoller Liebesabenteuer. Ein Traum
seiner eigenen Frau, in dem sie ihn betrügt und verrät und ihn hohn¬
lachend ans Kreuz schlagen lässt, treibt ihn zur Rache, stachelt ihn
auf zum völligen Auskosten all der begonnenen Abenteuer und gefahr¬
vollen Lockungen. Aber es kommt nicht zur Tat, zur wirklichen
Preisgabe der gelichten Frau. Seine ahnungstiefen Erlehnisse und
mystischen Verführungen zerrinnen, gleich einem Traum, während die
geträumten Grausamkeiten der Gattin in die schönere Wirklichkeit
einer glücklichen Ehe münden.
Dieses Buch erfüllt eine reiche, zauberbeschwingte Phantastik, von
der schon die Orte der Handlung: Dirnenquartier, Maskenverleihinstitat,
Nackttunzklub, Leichenschauhaus usw., manches erraten lassen.
Gertrud Isolani.
6X
Dr. Max Goldschmidt

Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Morden 3051
Ostsee-Zeitung, Stetun
1 Juli 4096
Literatur und Musik
ArihnSchnitter T#aumnovelle. Verlag
S.ischer, Berlin W. Preis geh. 3.50 RM., geb.
Nach einem Balte erlebt ein Wiener

5,50 RM.
Arzt den ganzen Kreis seiner versäumten Liebesmöglich¬
keiten in magischer Steigerung. Nur ein so sonve¬
räner Kunstler wie Schnitzler konnte eine solche. Traum¬
noveite zum dichterischen Meisterwerk läutern. Es ist
erstaunlich, wie er das schwere Material der Realizät
und das leichte der Phantasie in überzeugenden Er¬
eignissen bindet.