st von großer Einprägsamkeit, stofflich
Augen zu stellen. Jede ein
wie in der Darstellung, di mehr als die andie, doch jede ist
künstlerisch vollwertig. Die
dlich ergreifendste und poetisch tiefste,
auch räumlich umfangreichste #st # Eingangsnovelle Veronika Laubrecht
das tra# rige Schicksal zweier weltfremden Menschen, eines kleinen, be¬
sinnlichen, derliebenden Schneiders und seiner zierlichen und scheuen
Tochter; deibe geraten in die Gewalt eines reichen und brutalen Bauers,
der ihre Einsamkeit und ihr Idyll zerstört und die Veronila heiratet, die
dann im Kindbett dem zuletzt irrgewordenen Vater nachstrbt, der in der
Hochzeitsnacht unter ihrem Fenster erfror. Stellenweise liegt darüber, wie
auch über dem Fährmann an der Drau, einer Erzählung, in der der Tod als
symbolische Gestalt halb wirklich und halb schatteahaft auftritt, ein herber
Märchenschimmer, während z. B. im Heiligen Abend, in der Hochzeit in
Dreifaltigkeit oder in der Wallfahrt nach Berg=Florion ein derber und
die Ereignisse scharf umrandender Realismus vorherrscht, der sich im
Paar im Jauk psychologisch insosern sehr interessant auswirkt, als die
körperlichen und seelischen Veränderungen durch den lauen, lähmenden
Föhnwind an Herrin und Magd auf einsamer Berghöhe charakteristisch
gezeichnet werden.
Weger günstig lautet das Urteil über die zum Tell zikanten
Histörchen von Rudolf Hans Bartsch, kleine geschichtliche Anek¬
doten, zu unterhaltlichen Erzählungen in der „Altwiener“ Küß=die=Hand¬
Manier der Vorkriegszeit hingeplaudert. So sehr ich mich dagegen
wehre, daß Überheblichkeit auf der einen, Feigheit zum Widerspruch auf
der andern Seite in holdem Verein soviel Wertvolles der nicht fernen
Vergangenheit auf den Schindanger der Verachtung geworsen und soviel
Zweifelhaftes von Kunst aus der jüngsten Produktion in den Himmel
gehoben: diesem körperhaften Erbe aus dem Klatsch der galanten
Wiener Chronik, umkleidet mit den weichen, schwellenden Formen eines
Humor und Rührung selbstgefällig manschenden Stils, versehen mit dem
schmachtenden Augenaufschlag einer im „geistigen“. Wesen zwischen
Engel und Dirne pendelnden Erotik und der veilchenfarbenen, sehr
sichtbar getragenen Leibbinde des sogenannten Wiener Gemüts über
einem Herzen voll von Cochonnerien — diesem Erbe also vermag ich
keinen rechten Geschmack mehr abzugewinnen. Es ist merkwürdig, wie gerade
die leichtesten Flöße unsers literarischen Lebens über alle polüsischen
Strudel hinweggetanzt sind. Wahrlich, wir sind einster geworden, die
nicht zum wenigsten, die #en Umwälzungsrummel (polbisch und rünstlerisch)
innerlich nicht mitmachen. Was sagen einem da noch die kaiserlichen Liebe¬
leien, die „das ewig junge Sünderherz des en#kenden Franzel, der
kummerlose Nichtsnutz“ begangen, oder wie der greise Fürst von Ligne
als Kavalier seine kleine Freundin im „Paradeisgartel“ erwartete und
sich in der Dezencberkälte eine tödliche Lungenentzündung holte, oder
wie die Venus von Penzing entstand, oder Beethoven die schöne Floh¬
berger liebte, kleine Geschichten, als „Histörchen“ mit sentimentalischen
Gefühlen aufgeputzt, die fast immer ein bißchen Hautgout zu verdecken
haben. Höchstleistung ist in dieser Hinsicht die Erzählung von den
Zwölf blasenden Trompetern, die Laudons Sieg über die Türken und
die Einnahme von Belgrad und Semendria den Wienern in feierlichem
Aufzug verkünden sollen, und die zusammengebracht werden allein durch
die alten und neuen „Beziehungen“ der noch immer stattlichen ehemaligen
Marketenderin und jetzigen Hausbeschließerin Kathresi Brunnschuster —
eine amüsante, aber nicht gerade mehrdeutige Verbindung von offiziellem
Staatsakt mit dem inoffiziellen Liebesleben einer Kasernen=Amoureuse:
„ich bin beruhigt darüber, daß Madame in die Fülle ihrer Memoiren
greifen wird, um Österreichs Ehre zu retten“, sagt der Fürft von Ligne.
Sie wird gerettet ... Urteil über das Ganze: Gewogen, gewogen und
zu leicht befunden!
In den „Zeitlosen Legenden" Der Liebe Gott auf Urlaub
von Johanna Wolff steckt ein seiner poetischer Gehalt wie in all
den stillen Geschichten und Gedichten der nun bald Siebzigjährigen, die
sich bisher nur langsam — und durchaus nicht genügend — durchzusetzen
verinochte. Gott, der im menschlichen Gewande über die Erde wandert
und selbst nach dem Rechten sehen will, der rät, hilft und symbolische
Handlungen vollzieht: das ist ein altes Thema, aber wie hier kleine
und große Erlebnisse aufgereiht werden, wie das Allzu=Menschliche ver¬
klärt, wie es von dem „Mann im braunen Rock“ mit sachtem Finger
und gütigem Herzen zurechtgerückt wird so, daß in einem entscheidenden
Augenblick des Lebens und Sterbens das „Göttliche“ eintritt, jenes
Unsagbare, das das allein Richtige, das sozusagen Vorherbestimmte aus
ihrem Wesen, eine Ahnung des Höchsten ist, das ist durchaus persön¬
liches Eigen und ursprünglich. Und ein Lächeln ist darüber, eine er¬
greifende Einsicht, auch wohl ein linder Spott, wie es nur aus gereifter
Lebenserfahrung und eigner Güte und aus einem großen Verstehen
stammen kann. Dabei nichts Lehrhaftes — das Ganze bleibt“ allem
Dichtung. Gott ist, trotz allem, zufrieden mit seinem Werk: „Unter
granitnen Mänteln göttliche Lebendigkeiten
die brauchen langen
Odem, Petre. Ich habe mein Ebenbild wieder zusammengebracht: Eins
und einig fand ich mir den Menschen!“
Zu seinem 50. Geburtstag hai der ausgezeichnete schweizerische
Romanschriftsieller Jakob Schaffner der in Berlin lebt, der Reichs¬
hauptstadt und ihren Bewohnern ein eigenartiges Buch als Dank und
Gruß für gewährte Gastfreundschaft gewidmet, ein Vorzug, der selten
ist, das Gegenteil ist üblicher: Berlin hat mehr Schmäh= als Lobredner.
„Hier habe ich meine wichtigsten menschlichen Erlebnisse gefunden, meine
Schule durchgemacht, meine Stoffe und Gestalten angetroffen, meine
paar Ideen aufgebaut, den Kreis von bedeutenden Menschen kennen¬
gelernt, mit dem ich lebe, und fortwährend ein allgemeines, echtes, starkes
Menschenschicksal um mich gefühlt, ohne dessen unmittelbaren Druck kein
Künstler wird.“ Das ist viel; noch mehr ist aber Bekenntnis und Dank¬.
Das Büchlein heißt Der Kreiselspieler, Berliner Gestalten und
Schicksale, und es ist eine höchst anziehende Kunst, wie der Dichter aus
dem Bild von gleichgültig, nebensächlich erscheinenden Geschehnissen eine
runde Erzählung formt, die Vergangenheit und Gegenwart, das kleine
Menschenleben an sich umspannt mit feinen Einzelheiten und zumeist
tragischen Momenten. Ein vereinsamtes Mädchen, ein kreiselspi lender
Junge, die letzte Fahrt eines alten Droschkenkutschers — übrigees tief
Verschütterad in der primitiven Alltäglichkeit = die Wirkung eines
box 5
Traumnovelle
33. 44
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschmitt aus:
Berliner Börsen-Courier
15. Jul 1926
Tra
steck
„Traum¬
Schnitzlers
novelle“
Von
Leo Greiner.
vol
„Traumnovelle“, die neue Erzählung von
Spa
Arthur Schnitzless), ist, nüchtern ge¬
wec
sprochen, die Geschichte einer Ehekrise. Frido¬
steh
lin, der Arzt, und seine Frau Albertine, in
ger
glücklicher Ehe plötzlich oder langher der Zu¬
verlässigkeit ihrer Instinkte nicht mehr sicher,
entfernen sich von einander, suchen sich eins
vor dem anderen fliehend und wieder ihm zu¬
eilend, durch vielfältige Verwandlungen und
kehren zuletzt, des unreinen Stoffes entledigt,
der
in ein unangefochtenes, sich seiner Gefährdung
Har
Str
bewußtes Verhältnis zurück. Es braucht aber
kaum ausgesprochen zu werden, daß eine
fieb
Schnitzlersche „Traumnovelle“ sich an den
Grenzen zutragen wird, die zwischen Wirklich¬
keit und Traum gezogen oder vielmehr nicht
gezogen sind, in einem Raume des Uebergangs,
also, daß Fridolin und Albertine ihre tragische und
Flucht und Sucherschaft in der Dämmerung
des psychologischen Erlebnisses erfahren: Alber.
Alb
tine im Traum, Fridolin in der Wirklichkeit,
und doch wieder Fridolin im Traum und auß
Albertine in einem Schwebezustand von
1
Ahnung und Sicherheit, durch den das Wirk¬
von
liche hindurchleuchtet. Aber es geschieht nicht,
eine
daß eines gegen das andere ins Feld geführt,
biet
das Dunkle gegen das Helle kontrastiert, das
übe
Scheinhafte gegen die Wirklichkeit sleptisch oder
bravourös ausgespielt würde. Bedingungsloser
Hau
als vielleicht früher einmal, anerkennt Schnitz¬
Zu
ler die Unentrinnbarkeit des Traumes, er schlägt
vor
sich tiefer auf seine Seite, er ist umhüllt von
getr
ihm. Die Technik, hier wie sonst erstaunlich,
unterwirft sich restlos dem Geiste, dem sie dient.
schn
Wir finden in der „Traumnovelle“ die
eine
meisten jener Elemente und Ingredienzen ver¬
der
sammelt, die uns als spezifisch Schnitzlersche be¬
flieh
kannt sind: Fridolin, einem Typ von ganz
noch
bestimmter gesellschaftlicher Fixiertheit ange¬
hörend mit leicht angetuschten Zügen von „ver¬
führerisch“ und „verführbar“, in ärztlichen
sozu
Dingen etwas allzuforsch wissenschaftlich und
besu
weißbekittelt, das erotische Mißtrauen, über¬
Spu
empfindlich für jede Gebärde der Gefahr, die
stich
Anz
*) Erschienen im S. Fischer=Verlag, Berlin.
Augen zu stellen. Jede ein
wie in der Darstellung, di mehr als die andie, doch jede ist
künstlerisch vollwertig. Die
dlich ergreifendste und poetisch tiefste,
auch räumlich umfangreichste #st # Eingangsnovelle Veronika Laubrecht
das tra# rige Schicksal zweier weltfremden Menschen, eines kleinen, be¬
sinnlichen, derliebenden Schneiders und seiner zierlichen und scheuen
Tochter; deibe geraten in die Gewalt eines reichen und brutalen Bauers,
der ihre Einsamkeit und ihr Idyll zerstört und die Veronila heiratet, die
dann im Kindbett dem zuletzt irrgewordenen Vater nachstrbt, der in der
Hochzeitsnacht unter ihrem Fenster erfror. Stellenweise liegt darüber, wie
auch über dem Fährmann an der Drau, einer Erzählung, in der der Tod als
symbolische Gestalt halb wirklich und halb schatteahaft auftritt, ein herber
Märchenschimmer, während z. B. im Heiligen Abend, in der Hochzeit in
Dreifaltigkeit oder in der Wallfahrt nach Berg=Florion ein derber und
die Ereignisse scharf umrandender Realismus vorherrscht, der sich im
Paar im Jauk psychologisch insosern sehr interessant auswirkt, als die
körperlichen und seelischen Veränderungen durch den lauen, lähmenden
Föhnwind an Herrin und Magd auf einsamer Berghöhe charakteristisch
gezeichnet werden.
Weger günstig lautet das Urteil über die zum Tell zikanten
Histörchen von Rudolf Hans Bartsch, kleine geschichtliche Anek¬
doten, zu unterhaltlichen Erzählungen in der „Altwiener“ Küß=die=Hand¬
Manier der Vorkriegszeit hingeplaudert. So sehr ich mich dagegen
wehre, daß Überheblichkeit auf der einen, Feigheit zum Widerspruch auf
der andern Seite in holdem Verein soviel Wertvolles der nicht fernen
Vergangenheit auf den Schindanger der Verachtung geworsen und soviel
Zweifelhaftes von Kunst aus der jüngsten Produktion in den Himmel
gehoben: diesem körperhaften Erbe aus dem Klatsch der galanten
Wiener Chronik, umkleidet mit den weichen, schwellenden Formen eines
Humor und Rührung selbstgefällig manschenden Stils, versehen mit dem
schmachtenden Augenaufschlag einer im „geistigen“. Wesen zwischen
Engel und Dirne pendelnden Erotik und der veilchenfarbenen, sehr
sichtbar getragenen Leibbinde des sogenannten Wiener Gemüts über
einem Herzen voll von Cochonnerien — diesem Erbe also vermag ich
keinen rechten Geschmack mehr abzugewinnen. Es ist merkwürdig, wie gerade
die leichtesten Flöße unsers literarischen Lebens über alle polüsischen
Strudel hinweggetanzt sind. Wahrlich, wir sind einster geworden, die
nicht zum wenigsten, die #en Umwälzungsrummel (polbisch und rünstlerisch)
innerlich nicht mitmachen. Was sagen einem da noch die kaiserlichen Liebe¬
leien, die „das ewig junge Sünderherz des en#kenden Franzel, der
kummerlose Nichtsnutz“ begangen, oder wie der greise Fürst von Ligne
als Kavalier seine kleine Freundin im „Paradeisgartel“ erwartete und
sich in der Dezencberkälte eine tödliche Lungenentzündung holte, oder
wie die Venus von Penzing entstand, oder Beethoven die schöne Floh¬
berger liebte, kleine Geschichten, als „Histörchen“ mit sentimentalischen
Gefühlen aufgeputzt, die fast immer ein bißchen Hautgout zu verdecken
haben. Höchstleistung ist in dieser Hinsicht die Erzählung von den
Zwölf blasenden Trompetern, die Laudons Sieg über die Türken und
die Einnahme von Belgrad und Semendria den Wienern in feierlichem
Aufzug verkünden sollen, und die zusammengebracht werden allein durch
die alten und neuen „Beziehungen“ der noch immer stattlichen ehemaligen
Marketenderin und jetzigen Hausbeschließerin Kathresi Brunnschuster —
eine amüsante, aber nicht gerade mehrdeutige Verbindung von offiziellem
Staatsakt mit dem inoffiziellen Liebesleben einer Kasernen=Amoureuse:
„ich bin beruhigt darüber, daß Madame in die Fülle ihrer Memoiren
greifen wird, um Österreichs Ehre zu retten“, sagt der Fürft von Ligne.
Sie wird gerettet ... Urteil über das Ganze: Gewogen, gewogen und
zu leicht befunden!
In den „Zeitlosen Legenden" Der Liebe Gott auf Urlaub
von Johanna Wolff steckt ein seiner poetischer Gehalt wie in all
den stillen Geschichten und Gedichten der nun bald Siebzigjährigen, die
sich bisher nur langsam — und durchaus nicht genügend — durchzusetzen
verinochte. Gott, der im menschlichen Gewande über die Erde wandert
und selbst nach dem Rechten sehen will, der rät, hilft und symbolische
Handlungen vollzieht: das ist ein altes Thema, aber wie hier kleine
und große Erlebnisse aufgereiht werden, wie das Allzu=Menschliche ver¬
klärt, wie es von dem „Mann im braunen Rock“ mit sachtem Finger
und gütigem Herzen zurechtgerückt wird so, daß in einem entscheidenden
Augenblick des Lebens und Sterbens das „Göttliche“ eintritt, jenes
Unsagbare, das das allein Richtige, das sozusagen Vorherbestimmte aus
ihrem Wesen, eine Ahnung des Höchsten ist, das ist durchaus persön¬
liches Eigen und ursprünglich. Und ein Lächeln ist darüber, eine er¬
greifende Einsicht, auch wohl ein linder Spott, wie es nur aus gereifter
Lebenserfahrung und eigner Güte und aus einem großen Verstehen
stammen kann. Dabei nichts Lehrhaftes — das Ganze bleibt“ allem
Dichtung. Gott ist, trotz allem, zufrieden mit seinem Werk: „Unter
granitnen Mänteln göttliche Lebendigkeiten
die brauchen langen
Odem, Petre. Ich habe mein Ebenbild wieder zusammengebracht: Eins
und einig fand ich mir den Menschen!“
Zu seinem 50. Geburtstag hai der ausgezeichnete schweizerische
Romanschriftsieller Jakob Schaffner der in Berlin lebt, der Reichs¬
hauptstadt und ihren Bewohnern ein eigenartiges Buch als Dank und
Gruß für gewährte Gastfreundschaft gewidmet, ein Vorzug, der selten
ist, das Gegenteil ist üblicher: Berlin hat mehr Schmäh= als Lobredner.
„Hier habe ich meine wichtigsten menschlichen Erlebnisse gefunden, meine
Schule durchgemacht, meine Stoffe und Gestalten angetroffen, meine
paar Ideen aufgebaut, den Kreis von bedeutenden Menschen kennen¬
gelernt, mit dem ich lebe, und fortwährend ein allgemeines, echtes, starkes
Menschenschicksal um mich gefühlt, ohne dessen unmittelbaren Druck kein
Künstler wird.“ Das ist viel; noch mehr ist aber Bekenntnis und Dank¬.
Das Büchlein heißt Der Kreiselspieler, Berliner Gestalten und
Schicksale, und es ist eine höchst anziehende Kunst, wie der Dichter aus
dem Bild von gleichgültig, nebensächlich erscheinenden Geschehnissen eine
runde Erzählung formt, die Vergangenheit und Gegenwart, das kleine
Menschenleben an sich umspannt mit feinen Einzelheiten und zumeist
tragischen Momenten. Ein vereinsamtes Mädchen, ein kreiselspi lender
Junge, die letzte Fahrt eines alten Droschkenkutschers — übrigees tief
Verschütterad in der primitiven Alltäglichkeit = die Wirkung eines
box 5
Traumnovelle
33. 44
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschmitt aus:
Berliner Börsen-Courier
15. Jul 1926
Tra
steck
„Traum¬
Schnitzlers
novelle“
Von
Leo Greiner.
vol
„Traumnovelle“, die neue Erzählung von
Spa
Arthur Schnitzless), ist, nüchtern ge¬
wec
sprochen, die Geschichte einer Ehekrise. Frido¬
steh
lin, der Arzt, und seine Frau Albertine, in
ger
glücklicher Ehe plötzlich oder langher der Zu¬
verlässigkeit ihrer Instinkte nicht mehr sicher,
entfernen sich von einander, suchen sich eins
vor dem anderen fliehend und wieder ihm zu¬
eilend, durch vielfältige Verwandlungen und
kehren zuletzt, des unreinen Stoffes entledigt,
der
in ein unangefochtenes, sich seiner Gefährdung
Har
Str
bewußtes Verhältnis zurück. Es braucht aber
kaum ausgesprochen zu werden, daß eine
fieb
Schnitzlersche „Traumnovelle“ sich an den
Grenzen zutragen wird, die zwischen Wirklich¬
keit und Traum gezogen oder vielmehr nicht
gezogen sind, in einem Raume des Uebergangs,
also, daß Fridolin und Albertine ihre tragische und
Flucht und Sucherschaft in der Dämmerung
des psychologischen Erlebnisses erfahren: Alber.
Alb
tine im Traum, Fridolin in der Wirklichkeit,
und doch wieder Fridolin im Traum und auß
Albertine in einem Schwebezustand von
1
Ahnung und Sicherheit, durch den das Wirk¬
von
liche hindurchleuchtet. Aber es geschieht nicht,
eine
daß eines gegen das andere ins Feld geführt,
biet
das Dunkle gegen das Helle kontrastiert, das
übe
Scheinhafte gegen die Wirklichkeit sleptisch oder
bravourös ausgespielt würde. Bedingungsloser
Hau
als vielleicht früher einmal, anerkennt Schnitz¬
Zu
ler die Unentrinnbarkeit des Traumes, er schlägt
vor
sich tiefer auf seine Seite, er ist umhüllt von
getr
ihm. Die Technik, hier wie sonst erstaunlich,
unterwirft sich restlos dem Geiste, dem sie dient.
schn
Wir finden in der „Traumnovelle“ die
eine
meisten jener Elemente und Ingredienzen ver¬
der
sammelt, die uns als spezifisch Schnitzlersche be¬
flieh
kannt sind: Fridolin, einem Typ von ganz
noch
bestimmter gesellschaftlicher Fixiertheit ange¬
hörend mit leicht angetuschten Zügen von „ver¬
führerisch“ und „verführbar“, in ärztlichen
sozu
Dingen etwas allzuforsch wissenschaftlich und
besu
weißbekittelt, das erotische Mißtrauen, über¬
Spu
empfindlich für jede Gebärde der Gefahr, die
stich
Anz
*) Erschienen im S. Fischer=Verlag, Berlin.