I, Erzählende Schriften 32, Die Frau des Richters. Novelle, Seite 5

Die Frau des Richters
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32. MieMad des Hentens
S
einem wüsten Renommisten, Tobias Klenk, der mitten im acht= besseres Wissen des Mordes überführen, als sein Weib, einssie ins Kloster. Stürmt zurück
zehnten Jahrhundert gegen den aufgeklärten Despotismus die elementates Geschöpf seiner Erde, sich laut des Ehebruchs zeiht; der wie eine Gottesmahnung
Ideale der Freiheit und Gleichheit predigt, obwohl sich in dem damit den Liebhaber rettet und den falschen Richter überführt. drei Tage in Glut und Qual
süddeutschen Ländchen des jungen Herzogs Karl Eberhard kein
Da verläßt diesen svontan die amtliche Ueberlegenheit: er stößt zurück, gelobt Suzette in feie#
Mensch unterdrückt fühlt. Es ist nun schlechthin unglaublich,
sie nieder wie ein Bauer mit eigener Kraft die Schande seines Abkehr von seinem bisherigen
daß der philisterhafte Richter Wogelein am Wirtshaustisch den
Hauses rächt. Und nach den bäuerlichen Moralinstinkten scheint großartig schließt der Chronist
all das Geschehene auch ganz in Ordnung zu sein. So wie es
Reden jenes verwegenen Halunken laut lärmend beistimmt,
änderte sein Leben“.
ohne für sein Amt zu zittern. Denn seine Feigheit muß größer
Jellinek darstellt, muß man es glauben. Er macht ein bißchen
Schaeffer versteht es wie wa
sein als seine pathologische Hörigkeit. Merkwürdigerweise zittert
Theater; er prüft nicht alle psychologischen Details auf ihre
das romantisch Fabulose real z#
epische Glaubwürdigkeit; er gibt dramatische Verkürzungen
er aber nicht bis zu dem Zeitpunkt, da er in der Gerichtsstube
aus deutschen Fabulierer, gesc
und Motivierungen, die man der Szene eher zugut hält als
über den renitenten Tobias selber richten soll. Er fügt Rede und
Wirklichkeit und Traum die Die
dem Buche. Aber der Rcalismus der mährischen Bauern ist
Handlung schlau nach den Umständen: er will dem Herzog
Traumgestalten aus des Schl
szenisch so beweiskräftig, daß man die Typik der Fabel bejaht
dienen, er will den Freund schonen, er will zugleich vor der
Leben ballten, steigen die Fi
vor allen Einwänden die sich gegen die Individuen richten
eigenen Frau als heldischer Revolutionär prahlen. Doch da er
Dunst und Duft von Wald
möchten. Es ist ein Sonderfall, aber er steht unter dichterischen
alles will, gerät ihm nichts. Die Frau durchschaut ihn zuerst,
Farben, Blumen, Wolken sin
Gesetzen.
verachtet ihn gründlich und wird spontan die Geliebte des
psychologisch „richtig“. Sie m
Herzogs; wird es mit einer Entschiedenheit und großen Geste,
Treiben und Erleben zu ganz
IV.
die so wenig zu ihrem bjedermeierlichen Gemüte paßt, wie die
„Die Treibjagd“ heißt eine Novele von Albrecht werden. Wie erhält die rea
pathologische Artung zum Philistertum ihres Mannes. Die
Marienkrone auf ihr Haupt;
Schaeffer, die er mit zwei Legenden zusammen bereits in
psychischen Experimente und die Resultate dieser Novelle er¬
des scheuen Hirsches? Ist sie
der im Insel=Verlag erschienenen Sammlung „Das Prisma“
forderten zur Glaubhaftmachung selbst von einem Schnitzler,
erlaubts Oder folgert sich aus
veröffentlichte und nun in einem Sonderbüchlein bei Hermann
erklärtem Meister des konzentrierten Stiles, doch weit mehr als
Nervenwesen die psychologisch
Schaffstein zu Köln nochmals erscheinen läßt. Auch die „Treib¬
hundertdreißig kleine Seitchen Raum zur letzten Motivierung.
Tier zu solchem Geschehens
jagd“ ist eine Legende. Denn sie findet in einem symbolischen
Dieser Richter bedürfte Dostojewskyscher Details. Diese Frau
Schaeffer überzeugt durch sein
Walde des Friedens statt, wo dem ersten Markgrafen von Trassen¬
brauchte Kothurne. So wirkt in realistisch gemeinter Darstellung
erst post miraculum, wie's
berg einst das Hubertus=Wunder geschah: da dem Jagd¬
der ganze Handel als verfehlte Romantik: kleine Figurinen
man begreift's und kann's doch
wütigen die heilige Jungfrau auf dem Rücken einer Hirschin
sollen Riesen spielen. Aber niemand glaubt ihnen die Rolle.
erklären. Man muß sie lesen,
erschien und die Worte sprach: In bestia anima mea —
III.
wir von der Macht einer rein
auch im Tiere ist meine Seele. Viel hundert Jahre später aber
triebhaften Willens. Ein Herzo
Neben der bis ins künstliche verfeinerten Psycholoaie
brach der junge Herzog Woldemar — entgegen seinem besseren
Liebessessel ohne die Kirchenm
Schnitzlers wirkt ein anderes Richter=Ehepaar in Oskar
Wissen um das Geheiligte und dennoch unbekümmert in seinem
wird er bezwungen und verw
Jellineks „Der Bauernrichter“ (Koehler u. Ame¬
wilden Herrengemüt — widerrechtlich in den klosterstillen
gelegenheit wird durch Psychol
lang Veclag, Leipzia) troßz dramatisch=heroischer Typisierung
Hain, ließ das Wild in das von Feuerbüchsen umstellte Gehege
Geschichte wird zur Legende.
geradezu naturhaft. Diese Novelle ist als rcalistische Schilderung,
treiben; achtete nicht der Predigt des Abtes von Lokkum gegen
als ruhiger Bericht von sehr erregten Dingen und als ein
das kann nur ein Poet.
die Rotte Korah, kümmerte sich kaum um die Abmahnungen
Werk der inneren und äußeren Spannung ganz meisterhaft er¬
der ihn verwirrenden Jungfrau Suzette von der Schändung
zählt. So mag es wirklich mehr Verdienst als Glück bedeuten,
der Pflanzen und Kreaturen, die in Gottes Frieden leben —
= [Erzählungen.] Klassische
daß sie in dem Novellenwettbewerb der Velhagen u.
nein, nein! sondern er will mit erhobenem Gewehr eben
liches und Behagliches, alte The
Kbasingschen Merratshefte von rund 2500 Arbeiten den
hineinfeuern in das flüchtende wimmeinde Leben: als plötzlich
wir in kürzlich erschienenen Novch
ersten Preis erhielt. Das ewig dankbare Motiv vom
von Reinhold Zickel und „Da
unschuldig Angeklagten, der sein entlastendes Alibi nur aus der Waldnacht die Madonna auf dem Hirsch in die Lich¬
von Werner Bergengruen (Ir
mit der Preisgabe einer Frau erkaufen könnte, bei tung reitet. Da stutzt der Mächtige, keiner schießt; alle wollen
Schwarzmühle ist ein romantisch
der er zur Zeit der Mordtat weilte, ist hier mit der besonderen sie das Wunder glauben. Nur er selber, der Herzog, erkennt
Müller Friedrich Kleinschrot,
auf einmal, daß es nur die Jungfrau Suzette ist, der sich das
Pointe versehen: daß die betreffende die Frau des Richters
Zänker, Nacht für Nacht über
romantische Mirakel zum Zeichen bedient. Und halb- mit
selber war. Dieser — ein Bauer an Seele, aber körperlich
schlichenes Recht schaffen soll, zu
Wollen und halb gegen sich erschießt er in bösem Trotz den
ein Schwächling — setzt die Kraft seines überlegenen Kopfes
Frau und Kinder vom Herde
zweifelt dabei gebunden in dun
gegen die Kraft der bäuerlichen Muskeln ein. Aus Ressenti= Hirsch, der mit der Jungfrau fällt. Da eilt der Herzog hinzu
ments, Ehrgeiz und Rachsucht will er den Angeklagten gegen in Angst um das Leben des Weibes, findet sie unverletzt, trägt autorität des Vaters, sinnen auf