I, Erzählende Schriften 32, Die Frau des Richters. Novelle, Seite 7

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Frau des Richters
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Möglichkeiten selbständiger Entladung finden,
weil entweder die Ekstase des Blutes oder der
natismus des Geistes sich glühend mani¬
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festieren. Heute wachsen keine Gottfried Kel¬
lers, keine Conrad Ferdinand Meyers, und der
einstige Kämpfer Gerhart Hauptmann reizt
uns zum Lächeln, wird er auf einmal bukolisch,
möchte er sich zu Goethe hin wandeln. Wir
wollen hier weder Niveau noch Wert in Ver¬
gleich setzen. Nur die Zeit. Aber denken wir
an Zuckmayers gewachsene Erzählungen, so
saust di Blut in der sinnlich gebauten „Ge¬
schichte einer Geburt“ so zittert die Luft bei
der Schilderung eines Insektenlebens. Und in
Bronnens „Novellen“ schießt eine kalte Flamme
steil empor. Die prachtvolie Vollendung der
Ruhe (Keller und C. F. Mener) wird es so
bald nicht geben, aber neuer Atent stürmt neuen
Grenzen entgegen.
Jakob Schaffner: „Der Kreiselspie¬
ler“. Des 50jährigen Liebesgabe an Berlin,
dem er in „guten und schlechten Jahren #ast¬
freundschaft verdankt“. Es sind Stimmungs¬
bilder, um eine Gestalt der Straße, um Indivi¬
duen aufgebaut, Bilder, die teilweise an die No¬
velle heranreichen. Es ist die etwas verjährte
Methode, alles beschreiben zu wollen und im
Detail die Plastik, die weiter ausladende Ge¬
bärde zu verlieren. Sympathisch, wenn Humor
hereinleuchtet wie im „Küken“ (das sich etwa
nach Thomas Mann hin orientiert). Sym¬
pathisch ebenfalls die Einfachheit der Novelette
„Abschied des Droschkenkutschers“ oder „Lemb¬
kes Weihnachten“. Im ganzen ein durchaus
liebenswürdiges, ein sehr gekonntes Buch, dem
wir freundlich begegnen.
Arthür Schnitzler: Die Fraudes Rich¬
teus. Man denkt ein bißchen an „Kabale
und Liebe“ und findet sich zeitlich richtig orien¬
tiert. Die Novelle von dem feigen Richter und
der Neigung seiner entschiedenen Frau zu dem
jungen, bestechenden, durchaus zeitbedingten
Herzog ist eine glänzend durchgeführte, über¬
zeugende Gestaltung, der wir mit aller Achtung
folgen. Der Oesterreicher sorgt dafür, daß ein
Duft Schärfen verwischt, daß alles ungetrübt
— Beide Bücher erschienen in der
bleibe.
Sammlung „Das kleine Propyläenbuch“:
Bunte, saubere Leinenbände umschließen sorg¬
fältig gewählten Inhalt.
Werner von Heidenstam hat in seinem Ro¬
man „Der heiligen Brigitta Pil¬
gerfahrt“ wieder einmal in die Geschichte
seiner schwedischen Heimat gegriffen und das
Leben einer Frau gestaltet, die immer strenger,
immer unerbittlicher in den Gottdienst hinein¬
wächst, ob sic auch das Lebensglück ihrer eige¬
nen Kinder opfert. Die Gewaltigen aller Lan¬
der liegen der schlichten Energie dieser Frau
zu Füßen, die, wunderlätig und als Persön¬
lichkeit suggestiv zur Heiligen emporwächst.
Brigitta ist der Mittelpunkt des Romans, in
dessen Hintergrund Rienzi, die Königin Jo¬
hanna von Neapel historisch auftauchen. Der
Stoff, die Gestaltung erfassen nicht unmittel¬
bar, weil sie nicht durch originale Fähigkeiten
überwältigen, aber es ist eine Arbeit, deren
einfacher, starker und gesunder Gang zu jeder
Zeit mit Befriedigung verzeichnet werden darf.
Wie breitet sich aber Hamsun im Geringsen
aus, wie steht bei Heidenstam doch alles nur in
handwerklicher Tüchtigkeit aufgebaut. Der
Albert=Langen=Verlag beherbergt sie beide.
Hier achtet man, wie man dort versinkt und
nicht mehr beschreibt.
Heinrich Erbprinz Reuß.
M.