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31. Fraeulein Else
box 5/1
Arthur Schyitzler. — FradleinElse. Noneile. Paul Szol¬
uag, Berlin-Lripzig-Vienne, 1924, 136 p., isr-12).
24
Gest une nonvelle extremement ernelle, dans sa donnce et dans
son issue, mais enveloppée de l’atmosphère brillante et frivole
6.
d’un hôtel elegant, l’ete, dans les Alpes autrichiennes. Contraste
que Schnitzler excelle à peindre, accidents psychologiques dont i1
70
est le elinicien averti. Un drame bouleverse l’äme d’une jenne
fille, dont le pere, avocat eclehre mais verenx, prétend eynique¬
ment se servir pour obtenir d’un millionnaire un pret important.
%
destiné à couvrir des malversations inavouables. Dans ectle vie
futile — tennis, toilette, flirt, promenade et concert — la malhen¬
reuse enfant est obligee de dehattre seule avec elle-meme, et de
resondre en quelques heures une demarche qui la terrilie d’avance,
Eien quselle n’en prévoie pas au juste tontes les conséquences. Mais
la lettre de sa mère fait redonter un coup de désespoir si le
secours devait tarder. Le procéde du monologue interieur, deja
emplogé dans le Zeutnont Gustl, est iei tout à fait de mise. Nous
assistons, heure par heure, anx fluctuntions de cette äme encore un
pen enfantine, en qui se combattent Pamour filial, la pudeur, la
coquetterie, Ia prudence, une curiosité à demi naive et la vivacite
bondissante de son äge. Nous suivons, pas a pus, le ravage que
produit en elle cette violente emotion refonlée, jusqu'a in cntas¬
trophe finale, erise de grande hystérie et suieide. Fraülein Eise
offre, en meme temps gb'ane attachante einde de psychanalyse, le
scenario d’un drame inegöräble et rupide.
Cienevieve Biayovis.
Da
9
Fräulein Eise.
#
Von Arthur Schnitzler. Erschienen im
e
Verlag Paul Zsolnay, Wien. In diesem
Werke hat sich der berühmte Dichter selbst
bertroffen. Noch mie gelang ihm, einen
solchen Ton der Secle anzuschlagen #ir hier.
pub
20
edes Wort kommt vom Herzen und 65
ges
Herzen, erheitert und erschüttert
laufe der bunten Begebenheiten. Das Seelen¬
teue
gemälde des jungen Mädchens, das diesem Bu¬
che zugrunde liegt, ist ein titerarisches Mei¬
sterwerk! Schnitzler schildert in schlichten,
Das
fesselnden Worten die Tragik eines jungen
und
Mädchenschicksales, die Kämpfe einer kaum
phiel
erblühten Blume, die von den Stürmen des
küns
##bermberzio zerzaust und geruttelt
N
und schließlich ganz geknickt wird. Sehr ori¬
ginell und besonders wirksam ist die neue
Stilführung, deren sich der Dichter bedient.
Das Werk, das seit dem ersten Tage seiner
Ausgabe reißenden Absatz findet, beweist wwie¬
der, daß Schnitzler zu Recht als unser grö߬
ter Dichter gefeiert wird!
n
10
Bücher über Italien.
die Rote Fahne, Berlin
25. Dez 1925
Bücherschau
„Fräulein Eise“*)
Arthur Schnitzler, der repräsentative Dichter der liberalen
Großstadtbourgeoisie=Oesterreichs schreibt eine Novelle aus dem
Milien der heutigen morbiden Finanzwelt, der zur Erholung
von ihrer aufregenden Ausbeutungs, arbeit“ Sanatorien, Kur¬
hotels zur Verfügung stehen. Höhenluft für die Herren, Ge¬
stank eines dreckigen Hinterhofs für die Lohnempfänger. Es
st. fast billig, darüber zu reden. Aber es ist notwendig, immer
wieder von den „Erholungsstätten“ zu sprechen, die unsere
großbürgerlichen Dichter mit Vorliebe schildern. Als ob einen
nicht dann schon fremde Luft umwehte! Man liest einen Sutz
und schon beim Betreten der Schwelle ist man in einer ver¬
haßten Welt.
Schnitzler — nachgiebig, feinhörig, weich=impulsiv. Luxus¬
— ist ein brillanter Erzähler und raffi¬
regungen nicht fremd
nierter Techniker, er liebt seine Menschen und wärmt noch
das Blut seiner kalten Schufte; er überrascht durch kleine Züge,
die jäh einen ganzen Charakter enthüllen und Perspektiven auf
ein weites Leben eröffnen, mag es auch in Dämmerung ver¬
sinken. Er belebt die Umwelt, je intensiver eine seiner Per¬
onen in sich hineinlebt; und er ist sicher stärker als Thomas
Mann, weil „es“ ihm beschieden wurde, während jener „es“
ersessen hat.
Aber nicht davon ist die Rede. Man wundert sich nur
bei der Weite des Blickes für alle Regungen und Hemmungen
dieser Menschen über die bedrückende Enge des Horizonts der¬
elben Menschen, und diese Enge stammt wohl doch von ihrem
Schöpfer.
Else*) ist in einen für sie unlösbaren Konflikt verwickelt.
Es berührt sehr wohl, daß eine Frau ihre Nacktheit noch sehr
ernst nimmt und sie sich nicht abkaufen lassen will. Es berührt
wohl, und befremdet doch zugleich, und leise dämmert der Arg¬
wohn, daß Schnitzler am Ende doch durch die Schöpfung einer
**
solchen Figur auf großen, fast geheimnisvollen Umwegen
Moral ... predigen wollte. Scheu vor der Banalität, Furcht
vor dem Gewieher der Zeit trieben auf solche Wege. Aber auch
dies ist nicht die Hauptsache.
Weshalb kämpft ein solches Mädchen bis zur Sinnes¬
verwirrung darum, ob es sich seines Vaters wegen verkaufen
soll?! Es weiß, daß der Vater ein Halunke ist, es weiß, daß
der Vater auch nicht zu retten ist, wenn es sich „opfert“ es hat
Ekel vor der Welt, in der es lebt, es empfindet Widerwillen
gegen sein Luxusleben. Man wird nun vielleicht einen „Kom¬
plex“ wie es medizinisch, psychiatrisch heißt, konstatieren. Aber
ausschlaggebend ist doch der Widerwille gegen das Versinken in
Armut. Mit welchem Grauen denkt Else widerwillig an die
Vorstadtwohnung der Näherin in der Lerchenfelderstraße. Uns
das Schicksal des kapitalistischen
so
cheint, als wäre
Menschen, der Luxusdame besonders, in der ganzen Zwiespältig¬
sich
keit und hoffnungslosen Verlorenyeit gegeben. Sie können
nicht vom Besitz trennen und können nicht ohne ihn leben, sich
nicht ohne ihn das Leben überhaupt lebenswert vorstellen.
Sprengen sie den Bann der Familie, die sie aufs tiefste verach¬
ten? (in ihrer leichten Art, die nicht weh tut, und nichts
Für diese Menschen gibt es nur eine
ändert). Sie fliehen.
Lösung ihrer Qual: Veronal. Mögen andere in der Lerchen¬
felderstraße wohnen. Sie nicht — nur sie nicht.
Wo steht Schnitzler?
Die letzten Worte seiner Novelle lauten: „Ich träume,
Uns scheint sich in einer solchen
ich schlafe, ich schwebe
Novelle eindringlich, nicht aufdringlich, indirekt, nicht einmal
eicht faßbar, aber zuletzt klar sichtbar die Krise des kapitali¬
stischen Menschen zu enthüllen, der in seinen Kreis gebannt ist
unh nicht über seine Klusse hinauskommt; ehe er sie bekämpft,
sucht er lieber den Tod. Der alte Satz: „Lieber tot als Slav“,
kn.
gewinnt so einen besonderen und ironischen Sinn.
*) Arthur Schnitzler, Fräulein Else, P. Zsolnay, Wien.
en¬
ie
ge
31. Fraeulein Else
box 5/1
Arthur Schyitzler. — FradleinElse. Noneile. Paul Szol¬
uag, Berlin-Lripzig-Vienne, 1924, 136 p., isr-12).
24
Gest une nonvelle extremement ernelle, dans sa donnce et dans
son issue, mais enveloppée de l’atmosphère brillante et frivole
6.
d’un hôtel elegant, l’ete, dans les Alpes autrichiennes. Contraste
que Schnitzler excelle à peindre, accidents psychologiques dont i1
70
est le elinicien averti. Un drame bouleverse l’äme d’une jenne
fille, dont le pere, avocat eclehre mais verenx, prétend eynique¬
ment se servir pour obtenir d’un millionnaire un pret important.
%
destiné à couvrir des malversations inavouables. Dans ectle vie
futile — tennis, toilette, flirt, promenade et concert — la malhen¬
reuse enfant est obligee de dehattre seule avec elle-meme, et de
resondre en quelques heures une demarche qui la terrilie d’avance,
Eien quselle n’en prévoie pas au juste tontes les conséquences. Mais
la lettre de sa mère fait redonter un coup de désespoir si le
secours devait tarder. Le procéde du monologue interieur, deja
emplogé dans le Zeutnont Gustl, est iei tout à fait de mise. Nous
assistons, heure par heure, anx fluctuntions de cette äme encore un
pen enfantine, en qui se combattent Pamour filial, la pudeur, la
coquetterie, Ia prudence, une curiosité à demi naive et la vivacite
bondissante de son äge. Nous suivons, pas a pus, le ravage que
produit en elle cette violente emotion refonlée, jusqu'a in cntas¬
trophe finale, erise de grande hystérie et suieide. Fraülein Eise
offre, en meme temps gb'ane attachante einde de psychanalyse, le
scenario d’un drame inegöräble et rupide.
Cienevieve Biayovis.
Da
9
Fräulein Eise.
#
Von Arthur Schnitzler. Erschienen im
e
Verlag Paul Zsolnay, Wien. In diesem
Werke hat sich der berühmte Dichter selbst
bertroffen. Noch mie gelang ihm, einen
solchen Ton der Secle anzuschlagen #ir hier.
pub
20
edes Wort kommt vom Herzen und 65
ges
Herzen, erheitert und erschüttert
laufe der bunten Begebenheiten. Das Seelen¬
teue
gemälde des jungen Mädchens, das diesem Bu¬
che zugrunde liegt, ist ein titerarisches Mei¬
sterwerk! Schnitzler schildert in schlichten,
Das
fesselnden Worten die Tragik eines jungen
und
Mädchenschicksales, die Kämpfe einer kaum
phiel
erblühten Blume, die von den Stürmen des
küns
##bermberzio zerzaust und geruttelt
N
und schließlich ganz geknickt wird. Sehr ori¬
ginell und besonders wirksam ist die neue
Stilführung, deren sich der Dichter bedient.
Das Werk, das seit dem ersten Tage seiner
Ausgabe reißenden Absatz findet, beweist wwie¬
der, daß Schnitzler zu Recht als unser grö߬
ter Dichter gefeiert wird!
n
10
Bücher über Italien.
die Rote Fahne, Berlin
25. Dez 1925
Bücherschau
„Fräulein Eise“*)
Arthur Schnitzler, der repräsentative Dichter der liberalen
Großstadtbourgeoisie=Oesterreichs schreibt eine Novelle aus dem
Milien der heutigen morbiden Finanzwelt, der zur Erholung
von ihrer aufregenden Ausbeutungs, arbeit“ Sanatorien, Kur¬
hotels zur Verfügung stehen. Höhenluft für die Herren, Ge¬
stank eines dreckigen Hinterhofs für die Lohnempfänger. Es
st. fast billig, darüber zu reden. Aber es ist notwendig, immer
wieder von den „Erholungsstätten“ zu sprechen, die unsere
großbürgerlichen Dichter mit Vorliebe schildern. Als ob einen
nicht dann schon fremde Luft umwehte! Man liest einen Sutz
und schon beim Betreten der Schwelle ist man in einer ver¬
haßten Welt.
Schnitzler — nachgiebig, feinhörig, weich=impulsiv. Luxus¬
— ist ein brillanter Erzähler und raffi¬
regungen nicht fremd
nierter Techniker, er liebt seine Menschen und wärmt noch
das Blut seiner kalten Schufte; er überrascht durch kleine Züge,
die jäh einen ganzen Charakter enthüllen und Perspektiven auf
ein weites Leben eröffnen, mag es auch in Dämmerung ver¬
sinken. Er belebt die Umwelt, je intensiver eine seiner Per¬
onen in sich hineinlebt; und er ist sicher stärker als Thomas
Mann, weil „es“ ihm beschieden wurde, während jener „es“
ersessen hat.
Aber nicht davon ist die Rede. Man wundert sich nur
bei der Weite des Blickes für alle Regungen und Hemmungen
dieser Menschen über die bedrückende Enge des Horizonts der¬
elben Menschen, und diese Enge stammt wohl doch von ihrem
Schöpfer.
Else*) ist in einen für sie unlösbaren Konflikt verwickelt.
Es berührt sehr wohl, daß eine Frau ihre Nacktheit noch sehr
ernst nimmt und sie sich nicht abkaufen lassen will. Es berührt
wohl, und befremdet doch zugleich, und leise dämmert der Arg¬
wohn, daß Schnitzler am Ende doch durch die Schöpfung einer
**
solchen Figur auf großen, fast geheimnisvollen Umwegen
Moral ... predigen wollte. Scheu vor der Banalität, Furcht
vor dem Gewieher der Zeit trieben auf solche Wege. Aber auch
dies ist nicht die Hauptsache.
Weshalb kämpft ein solches Mädchen bis zur Sinnes¬
verwirrung darum, ob es sich seines Vaters wegen verkaufen
soll?! Es weiß, daß der Vater ein Halunke ist, es weiß, daß
der Vater auch nicht zu retten ist, wenn es sich „opfert“ es hat
Ekel vor der Welt, in der es lebt, es empfindet Widerwillen
gegen sein Luxusleben. Man wird nun vielleicht einen „Kom¬
plex“ wie es medizinisch, psychiatrisch heißt, konstatieren. Aber
ausschlaggebend ist doch der Widerwille gegen das Versinken in
Armut. Mit welchem Grauen denkt Else widerwillig an die
Vorstadtwohnung der Näherin in der Lerchenfelderstraße. Uns
das Schicksal des kapitalistischen
so
cheint, als wäre
Menschen, der Luxusdame besonders, in der ganzen Zwiespältig¬
sich
keit und hoffnungslosen Verlorenyeit gegeben. Sie können
nicht vom Besitz trennen und können nicht ohne ihn leben, sich
nicht ohne ihn das Leben überhaupt lebenswert vorstellen.
Sprengen sie den Bann der Familie, die sie aufs tiefste verach¬
ten? (in ihrer leichten Art, die nicht weh tut, und nichts
Für diese Menschen gibt es nur eine
ändert). Sie fliehen.
Lösung ihrer Qual: Veronal. Mögen andere in der Lerchen¬
felderstraße wohnen. Sie nicht — nur sie nicht.
Wo steht Schnitzler?
Die letzten Worte seiner Novelle lauten: „Ich träume,
Uns scheint sich in einer solchen
ich schlafe, ich schwebe
Novelle eindringlich, nicht aufdringlich, indirekt, nicht einmal
eicht faßbar, aber zuletzt klar sichtbar die Krise des kapitali¬
stischen Menschen zu enthüllen, der in seinen Kreis gebannt ist
unh nicht über seine Klusse hinauskommt; ehe er sie bekämpft,
sucht er lieber den Tod. Der alte Satz: „Lieber tot als Slav“,
kn.
gewinnt so einen besonderen und ironischen Sinn.
*) Arthur Schnitzler, Fräulein Else, P. Zsolnay, Wien.