31. Fraeulein Else
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„
*5
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Telefon: Norden 3051
Samburger Echo
2 8 Okt. 1025
Vortragsabend der Hamburger Bühne. Irmard Strauß
das Artbux Schnitztaxs letzterschienene Novelle „Fräulein
Else“, Schnißler führt uns hier den Typ eines jungen Mäd¬
cheus vor, der garnicht mehr bei uns, aber wohl auch kaum noch
für Oesterreich topische Bedeutung haben dürfte. Ein junges
Mädchen das aus bürgerlichen, aber finanziell ganz unsicheren
Verhältnissen stammt, das, ausschließlich zu Putz und Gefallsuch
erzogen, in ihrem beschäftigungslosen, unbefriedigten Dasein einer
von Eiteikeiten und sexuellen Wünschen erfüllten Phantaste an
beimfällt. Der erste Zusammenprall mit der Wirklichkeit de¬
Lebens wirft sie um, zu Tode getroffen. Notabene: dies
Wirklichkeit ist eben so phankastisch wie ihre Konsequenzen kon
struirt sind. Aber wenn auch die Anlage der Novelle künstlick
ja gesucht erscheint, in ihrer Aus- und Durchführung zeiat sie
Schnitzler als stilistischer Meister. Irmgard Strauß al
Vortragkünstlerin versteht sich diesem stilistischen Aufbau un
seiner virkuosen Schwellung mit aller rezitatorischen Wirkun
anzupassen, zumal ihr die dynamische Steigerung eigener ist, a
das ofochologisierende Varweilen bei Einzelbeiten. Der Beifo
K.
0
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Telefon: Norden 3651
Ausschnttt aus:
Hamburger Fremdenblatt
5.Nov. 198
rwr.
Vortrag.
Hamburger Bühne. Mit der von ihr im
Keinen Saal der Kunsthalle zum Vortrag ge¬
brachten Novelle von Arthur Schnitzler
„Fräulein Elste“ erwies sich Irmgard
Sträuß als eine allen Ausdrucksnüancen ge¬
recht werdende Interpretin moderner Dichtung.
Schnitzlers Meisterschaft in der Darstellung kom¬
plizierter seelischer Vorgänge, in der Zerfase¬
rung vielgestaltiger seelischer Komplexe tritt
auch bei dieser Novelle wieder deutlich ln die
Erscheinung. Als eines besonders wirksamen
Darstellungsmittels bedient er sich der Um¬
wandlung gedanklicher Vorgänge, der Ahnungen,
Hoffnungen und Wünsche, in ein alle Gescheh¬
nisse begleitendes Selbstgespräch. So gelingt es,
das innerste Wesen des Menschen zu entschleiern,
die geheimsten Triebfedern, die sein Handeln
bestimmen, bloßzulegen.: Neben den Tatsächlich¬
keiten des äußeren Geschehens läuft die Reihe
der in stets veränderter Gestalt auftretenden
inneren Zustände einher. Aus diesem Neben¬
einander ergeben sich Spannungen und Kontrast¬
wirkungen eigener Art. In eine qualvolle, einen
höllischen Widerstreit der Gefühle und Willens¬
regungen heraufbeschwörende Situation versetzt
Else die von dem Manne geforderte Zurschau¬
stellung ihrer hüllenlosen Schönheit der ihrem
Vater durch Hergabe einer namhaften Summe
den sonst unvermetdlichen Selbstmord ersparen
soll. Der seelisch Gebrochenen ist das Leben
nur noch eine unerträgliche Widerwärtigkeit.
Sch.*
Literarische Gesellschaft. Irmgard Strauß las in der
letzten Veranstaltung
der Literarischen Gesellschaft Artur
Schnitzlers neue Novelle „Fräulein Else“. Das Meisterwerk,
das die Psochophysis des mödernen Mädchens in ei#em erschüt¬
ternden tragischen Kampf mit den subtilsten und reissten Mitteln
der menschengütigen Kunst des Dichters darstellt, erfuhr die
meisterlichste Wiedergabe. Dies war keine „Rezitation“ mehr;
dies war eine Gestaltung aus tiefstem und leidenschaftlichstem
Nachterleben. Die anfänglich kühle und ironische Verhaltenheit
der Dichtung, die sich in einzigen innerem Monolog gibt, zuckte
nervös und gequält auf, wuchs atemraubenden Vehemenz
und erlosch in dahinschwindendem Bewußtsein zur Todesruhe.
Die Behandlung des Wortes, des Tones und der Geste zeigte
Irmgard Strauß auf einer Höhe, die sie unseren besten Vortrags¬
künstlern beigesellt. Die ergriffene Zuhörerschaft spendete ihr
stärksten Beifall. Wir hoffen, ihr bald wieder zu begegnen!
br.
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Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Telefon: Norden 3051
Samburger Echo
2 8 Okt. 1025
Vortragsabend der Hamburger Bühne. Irmard Strauß
das Artbux Schnitztaxs letzterschienene Novelle „Fräulein
Else“, Schnißler führt uns hier den Typ eines jungen Mäd¬
cheus vor, der garnicht mehr bei uns, aber wohl auch kaum noch
für Oesterreich topische Bedeutung haben dürfte. Ein junges
Mädchen das aus bürgerlichen, aber finanziell ganz unsicheren
Verhältnissen stammt, das, ausschließlich zu Putz und Gefallsuch
erzogen, in ihrem beschäftigungslosen, unbefriedigten Dasein einer
von Eiteikeiten und sexuellen Wünschen erfüllten Phantaste an
beimfällt. Der erste Zusammenprall mit der Wirklichkeit de¬
Lebens wirft sie um, zu Tode getroffen. Notabene: dies
Wirklichkeit ist eben so phankastisch wie ihre Konsequenzen kon
struirt sind. Aber wenn auch die Anlage der Novelle künstlick
ja gesucht erscheint, in ihrer Aus- und Durchführung zeiat sie
Schnitzler als stilistischer Meister. Irmgard Strauß al
Vortragkünstlerin versteht sich diesem stilistischen Aufbau un
seiner virkuosen Schwellung mit aller rezitatorischen Wirkun
anzupassen, zumal ihr die dynamische Steigerung eigener ist, a
das ofochologisierende Varweilen bei Einzelbeiten. Der Beifo
K.
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Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N 4
Telefon: Norden 3651
Ausschnttt aus:
Hamburger Fremdenblatt
5.Nov. 198
rwr.
Vortrag.
Hamburger Bühne. Mit der von ihr im
Keinen Saal der Kunsthalle zum Vortrag ge¬
brachten Novelle von Arthur Schnitzler
„Fräulein Elste“ erwies sich Irmgard
Sträuß als eine allen Ausdrucksnüancen ge¬
recht werdende Interpretin moderner Dichtung.
Schnitzlers Meisterschaft in der Darstellung kom¬
plizierter seelischer Vorgänge, in der Zerfase¬
rung vielgestaltiger seelischer Komplexe tritt
auch bei dieser Novelle wieder deutlich ln die
Erscheinung. Als eines besonders wirksamen
Darstellungsmittels bedient er sich der Um¬
wandlung gedanklicher Vorgänge, der Ahnungen,
Hoffnungen und Wünsche, in ein alle Gescheh¬
nisse begleitendes Selbstgespräch. So gelingt es,
das innerste Wesen des Menschen zu entschleiern,
die geheimsten Triebfedern, die sein Handeln
bestimmen, bloßzulegen.: Neben den Tatsächlich¬
keiten des äußeren Geschehens läuft die Reihe
der in stets veränderter Gestalt auftretenden
inneren Zustände einher. Aus diesem Neben¬
einander ergeben sich Spannungen und Kontrast¬
wirkungen eigener Art. In eine qualvolle, einen
höllischen Widerstreit der Gefühle und Willens¬
regungen heraufbeschwörende Situation versetzt
Else die von dem Manne geforderte Zurschau¬
stellung ihrer hüllenlosen Schönheit der ihrem
Vater durch Hergabe einer namhaften Summe
den sonst unvermetdlichen Selbstmord ersparen
soll. Der seelisch Gebrochenen ist das Leben
nur noch eine unerträgliche Widerwärtigkeit.
Sch.*
Literarische Gesellschaft. Irmgard Strauß las in der
letzten Veranstaltung
der Literarischen Gesellschaft Artur
Schnitzlers neue Novelle „Fräulein Else“. Das Meisterwerk,
das die Psochophysis des mödernen Mädchens in ei#em erschüt¬
ternden tragischen Kampf mit den subtilsten und reissten Mitteln
der menschengütigen Kunst des Dichters darstellt, erfuhr die
meisterlichste Wiedergabe. Dies war keine „Rezitation“ mehr;
dies war eine Gestaltung aus tiefstem und leidenschaftlichstem
Nachterleben. Die anfänglich kühle und ironische Verhaltenheit
der Dichtung, die sich in einzigen innerem Monolog gibt, zuckte
nervös und gequält auf, wuchs atemraubenden Vehemenz
und erlosch in dahinschwindendem Bewußtsein zur Todesruhe.
Die Behandlung des Wortes, des Tones und der Geste zeigte
Irmgard Strauß auf einer Höhe, die sie unseren besten Vortrags¬
künstlern beigesellt. Die ergriffene Zuhörerschaft spendete ihr
stärksten Beifall. Wir hoffen, ihr bald wieder zu begegnen!
br.