I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 121

31.
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Fraeulein Else
Ka — I ehete eeteneneeennen.
Arlen konnten die Deutsche.„Schaupten,
Der neue Bergner=Film.
„Fräulein Else“ im Capitol.
Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“ geht gleichsam in ein
paar tiefen Atemzügen dahin. Und in ihnen ist Trieb und
chicksal, Pein und Lösung des Fräulein Else und auch der mit
ihnen verketteten Menschen enthalten. Wie Elisabeth
Bergner vor wenigen Jahren diese Novelle vorlas, ist noch
in vieler Gedächtnis. Sie offenbarte bei dieser sprecherischen
Interpretation schon derartig starke mimische Gesichte, daß man
sagte: sie hat Fräulein Else gespiel
t.
Aber dieser Stoff wäre für die Bühne zu fern, zu sein und
zu weit. Auch der Film der nun den Stoff ausgenommen hat,
ist in seiner Herrschaft über Raum und Zeit vielleicht weit genug,
aber nicht sein, nicht fern genug: seine Nähe wird hier fast zur
Grobheit. Immerhin, er ist taktvoll gemacht, dieser neue
Bergner=Film, und selbst die wirkungssicheren Bergsportbilder in
St. Moritz sind den wichtigen Geschehnissen, wenn auch nicht
untergeordnet, so doch eingeordnet und künstlerisch gesehen.
Elisabeth Bergner also — keine ander konnte die Else
ein! Das lachende, kindlich dankbare Mädchen, das ahnende
Weib, die erschrocken Schauende, die Kämpfende und die sich
lleberwindende — jede dieser Phasen wurde vor uns ergreifendes
Leben, und wahre Wunder sind die Verbindungslinien zwischen
ben einzelnen Phasen.
Eines muß allerdings beschämend festgestellt werden: das
— ein Bericht
— veraltet. Es ist
— leider
„Problem“ ist heute
und
aus vergangener Zeit, wo ein Weib seine Preisgabe —
sollte der Zweck ein noch so ehrlicher und hoher sein — mit dem
Tode sühnen zu müssen glaubte. Aber die Kunst der Bergner
macht die Vergangenheit zur Gegenwart Vor allem auch, weil
der Vater, für dessen geschäftliche und menschliche Rettung Else
ich opfert, von Albert Bassermann dargestellt wurde,
der wirklich glaubhaft ein gental angelegter Lebensspieler war,
dazu ein herzlicher Vater und endlich ein Erschütterter, Gestürzter.
In der vielsagenden Kraft jeder Bewegung standen er und die
Bergner auf gleicher Stufe, er allerdings männlich bewußt.
Eine besondere Weise erhielt die Vorstellung dadurch, daß
der jüngst verstorbene Albert Steinrück hier (in der Rolle
des Herrn von Dorsday) noch einmal vor den Zuschauern er¬
schien, die er von der Sprechbühne herab so oft vom Werk echter
Menschendarstellung überzeugt hat. Um ihren toten Kollegen zu
ehren erschienen Frau Bergner und Herr Bassermann nicht, wie
dies sonst wehl üblich ist, um persönlich für den starken Beifall
zu danken. Sie ließen den Dank von einem Vertreter ausrichten
und hielten sich selbst zurück.
In den Kammerspielen findet in der kommenden Woche die Erstaus¬
führung von Leonhard Franks Schauspiel „Die Ursache“ statt. Die
Hauptrollen liegen in den Händen der Damen Frida Richard. Gertrud
Eysoldt Blandine Ebinzer und der Herren Ernst Deutsch, Carl Göt, Her¬
mann Ballentin, Walter Gynt. Erich Walter, Carl Jönsson, Camille
Kossuth; Regie: Hans Deppe, Bühnenbild: Ernst Schütte.
bcgarn aechgerwatte
§. ü. 20
Neue Filme.
Fräulein Else.
Capitol.
Unzweifelhaft haben die Hersteller dieses Films nicht
an das Geschäft gedacht, das ist zunächst einmal eine er¬
freuliche Feststellung. Man wollte aber nun auch nicht so
unbedingt einen Kunstfilm (trotzdem es einer geworden
ist), am Anfang und am Ende dieses Werkes steht Elisa¬
beth Bergner; ein Starfilm sollte es werden, aber
keiner der gewöhnlichen Art, nicht so aufdringlich und statt
dessen mehr gekonnt, kurz ein Werk, das der Besonderheit,
fast möchte man sagen Einzigartigkeit der Bergner gerecht
wird. Und dieses Ziel ist denn auch weitgehendst erreicht.
Die Bergner als „Fräulein Else“ (nach der Novelle von
Arthur Schnitzler) entzückt wieder durch die Musikalität
hres Wesens, durch das wunderbar Natürliche und zu¬
gleich Verhaltene ihres Spiels, kurz durch jene mimosen¬
haft zartbesaitete Note ihrer Persönlichkeit, die sie zum
Liebling von ganz Berlin gemacht hat. Ueberdies ist sie
uns im Film noch nicht so vertraut, daß gewisse Wieder¬
holungen stören könnten, der Filmbesucher wird auch nicht
jene leise Maniriertheit bemerken, die dem Theaterbesucher
jedenfalls langsam auffällt, der die Bergner in den meisten
ihrer Rollen sah. Kurz, es bleibt wieder ein ungetrühter
Genuß, dieses grazile, fast ein wenig ätherische Persönchen
mit dem wundervollen Rhythmus ihrer Bewegungen zu
sehen. Man hat ihr ausgezeichnete Gegenspieler gegeben.
Albert Bassermann gibt mit der ganzen Wucht seiner
Persönlichkeit den Vater, Albert Steinrück sieht man
seiner vielleicht reifsten Filmleistung als den
in
Freund des Hauses, der an Fräulein Else
das unwürdige Verlangen stellt, Steinrück umreißt
mnit einer geradezu unheimlichen Sicherheit und
Prägnanz den Typ des ältlichen Genießers, ganz einzig¬
irtig, wie er die kultivierte Brutalität auszudrücken weiß.
Recht farblos bleiben daneben Grit Hegesa, die man
seit einer Reihe von Jahren wieder im Film sieht und Jack
Trevor. Paul Cziener besorgte die Inszenierung
ängstlich um den Rhythmus einer jeden Szene bemüht und
manchmal hat man das Gefühl, daß da eine beinahe
übertriebene Sensibilität waltete. Einen inneren Bruch
muß man allerdings bei diesem Film feststellen, und das
ist der dramatische Konflikt, die Tatsache, daß dieses
Ansinnen an sie stellt, sich ihm hüllenlos zu zeigen. Eine
moderne Frau, mit der ich nach der Premiere darüber
sprach, meinte, diesen Typ gäbe es unter unserer heutigen
Jugend nicht mehr, darüber sei diese längst hinaus. Dieses
Gefühl des Zeitfremden bekommt man auch in der Tat bei
dem Film, aber der Genuß, die Bergner zwei Stunden
lang zu sehen, hilft einem darüber hinweg. Ueberdies
wußte Czinner das Leben und Treiben in St. Moritz
Fritz Olimsky.
faszinierend zu schildern.
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