I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 122

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31. Fraeulein Else

Im Capitol: „Fräulein Else.“
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Ein seltener Abend. Voll grosser Schönheit ### und voll
schwerem, stillem, frühem Schmerz.
Dies Mädelchen ist nun tot. Sie war, ehe sie hinunferging,
ein heiteres Traumbild: voll adliger Anmut; voll tragischer An¬
mut— langhaftend in den Augen, langhaftend in der Seele,
II.
Bergner, Elisabeth, „leuchtende Seelenschauspielerin“: das
ist sie hier.
Durch die Wintersonne guckt ihr Mädelkindergesicht, um¬
weht, mit einem leichten Lachen, ohne Weltahnung.
Dann, wenn sie bei Herrn von Dorsday Geld für Papa borgen
soll, jahnt eie die Welt.
III.
Sie will vor dem Mam. ausrücken. Soll ihn aber doch
sprechen. Sie läuft ihm nach - und rückt wieder aus.
Dies Umkehren ist bezaubernd. Nicht aus einem Spass: aus
einem Schicksal.
Alles langhaftend in den Augen, langhaftend in der Seele.
IV.
. Seltsam, wenn der tote Steinrück in der Gestalt eines
halbkorpulenten, bejahrten Astlochguckers (deutsch: voyeur),
lastend-fahrig und etwas angegangen, durch das Hotel zieht.
Deckend prachtvoll an Bassermann, dem Vater, der Leicht¬

lebezug; deckender als der Schmerz.
v.
Ich nannte Schnitzlers Erzählung hier, ale die vor Jahr und
Tag berauskam, ein Meisterstück. Das ist sie.
Czinners Film arbeitet nur „nach Motiven von Arthur
Schnitzler“. Ehrliche Feststellung. Sie schafft erforderliche
Genugtuung für den Artbur.
Sein Werk ist unendlich reicher. Unendlich zwischenstuliger.
Unendlich heutiger.
VI.
Die Gesetze für den Film sind anders; gewiss. Aber sind
Gesetze?
Tut Vereinfachung, zum Donnerwetter, not? Oder liegt eben
die Not bierin: dass man vereinfacht?
Ich nenne kurz den Unterschied: zwischen Film und Novelle.
Zwischen Spielvogt und Dichter.
VII.
Else bei Schnitzler: ein Fräulein. Else bei Czinner: ein
Mädel. Else bei dem Epiker: eine Heutig-Wissende. Else bei
dem Kinomann: kindhaft.
Fernerhin: Unterschied in der Handlung. Bel dem (beutigen)
Dichter enthüllt sie den Leib und vergiftet sich erst hernach.
Bei dem Kinomann (die Meisten sind nicht heutig) nimmt eie
Gift ... und enthüllt sich erst hernach.
Man fasse dies zusammen. Dichter: seelische Vorwirrung
In der Menstruation. Kino: Lucretia.
(Noch Lucretiaf Vereinfachung? Wann hört Verein¬
fachung im Kintopp auf?))
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ecihn
Gleichviel. Herrliche Veduten aus St. Moritz Nicht
gleichviel: angeklebte Tränen. (Wo die Bergner, wenn #ie
nachher solche Zähren los ist, ihre unverklebten Züge weit ei¬
schütternder sehen lässt.)
In der Filmhandlung begreift man auch schwer, weshalb die
Mutter, staft an Else, nicht an Dorsday selbst schreibt ... Alles
glaubhafter beim Arthur.
IX.
An Elisabethe Leiche spielt man von Schubert den „Tod und
das Mädchen“. Das ist nicht fair play. Denn es gibt keinen, der
bei solchem Stück vom Franz nicht heult,
Arbeitet aus eigner Kraft, bitte!
AUNI EDFRHARA

#6
X.
Czinner hat es (wenn auch der Schluss unvermutet schnell
sich vollzieht) zum grossen Teil doch getan.
Hier ist ein menschlicherer Film.
Alfred Kerv.