I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 124

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Fraeulein Else
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Fräulein Else
Bergner=FilmimCapitol
Sieh einmal, was für ein interessantes Erlebnis vor der Lein¬
wand: hier hat Herr Paul Czinner, wenn man es recht
besleht, aus einem Film einen Roman, nämlich aus einer filmhaft
vorbeiflitzenden Novelle einen schwerflüssigen Kinoroman gemacht!
Arthur Schnitzlers Erzählung mag in der Tragik des Problems
den Fräulein Elses von heute kaum noch verständlich sein. Aber
wie virtuos ist dieser Mädchenmonolog belauscht, wie fest ist diese
Kette aus lauter Gedankensprüngen zusammengeschlossen! In ihrer
Bilderfolge wirken sie wirklich wie der ideale Film einer armen
Menschenseele.
Der Kinoregisseur mag getrost den Schauplatz vom sommerlichen
San Martino ins winterliche Sankt Moritz verlegen. Aber wenn
er mit Schnitzlers fast schon klassisch gewordener Kunst wetteifern
will, so darf er an Behendigkeit des Geistes nicht hinter ihm
zurückbleiden. Czinners Hand aber packt hier genau so unsicher zu
wie in seinen früheren Bergner=Filmen. Elses Vater daheim in
Geldnot — Fräulein Else im Wirbel des Wintersporis, das gibt
nur einen wohlfeilen Kontrast der Stimmung. Doch es bleibt
wieder bei der Kapitelfolge, beim Nacheinander, statt daß ein
Bild das andere so erbarmungslos hinter sich herzieht wie der
Reiter den Schneeschuhläufer beim Skijöring. In diesen behäbigen
Kapiteln welch ein Ueberfluß an leeren Stellen, an unnötigen
Gängen! Else geht mit ihrem Vater in der Wiener Kärntner
Straße einkaufen — wie flau vernebelt sich das Bild! Elses Tante
heißt Adele Sandrock, wie einfallslos verschwendet der Regisseur
diesen Reichtum an Humor!
Bleiben ein paar hübsche Blicke ins verschneite Engadin und
drei große Schauspieler. Elses Vater: Albert Basser¬
mann, Kavalier auch als Bittsteller an den Türen seiner
Freunde, aber erschütternd nur, wenn er die Enden seines Shawls
symbolisch um den Hals zusammenschnürt. Bassermanns Kunst
ist wohl zu nervös, um im Film den Werten seiner schau¬
spielerischen Meisterschaft ebenbürtig zu werden.
Gesammelte Filmkunst auf ihrer Höhe — das ist Albert
Steinrücks Geldmann mit der „unmoralischen“ Forderung,
ein bis zum Reißen gespannter Wille, ein brutales Begehren, von
gesellschaftlichen Hemmungen gezügelt, eine Konsequenz im
filmischen Formen des Gefühls, daß die Trauer um diesen Toten
sich gewaltig erneuert. Man plant Gedenkfeiern für Steinrück.
Keine würdigere kan es geben, als eine Auswahl seiner Gestalten
auf der Leinwand!
So wurde aus dem Bergner=Film ein Steinrück=Film. Eli¬
sabeth Bergner als Fräulein Else, das gibe ein gutes, nur
durch Wiederholung geschädigtes Bild: das Mädchen, das den
Brutalen bittend ansprechen will, aber stets bei seinem Anblick
auskneift. Die Anmut des Körpers und der Seele, die hier
sichtbar wird, müßte im Film genau so wirksam werden wie auf
der Bühne. Sie wird es werden, wenn sich Elisabeth Bergner,
der jeder Kunstfreund von Herzen neue Siege wünscht, endlich
einem Regisseur mit allen Qualitäten anvertrgut, die Herrn
Czinner nun einp fehlen. Mieiciu Daco6o M. J.