I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 125

Else
31. Fraculein

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zu Räutein Ese
Donnerstag findet die diesjährige
Bergner=Film=Premiere im Capitol
statt.
Man hat schon mehrmals versucht.
die „geistige Linie“ irgendeines be¬
deutenden Sprechschauspielers zu ver¬
olgen, d. h. zu untersuchen, ob die von
ihm bevorzugten Werke und Rollen
einer bestimmten Richtung angehören.
und zwar welcher — und aus welchem
Film zu versuchen: Elisabeth Bergner
vielte als erste Filmrolle Ossip
Dymows Rju dann folgte „Der
Geiger von Florenz“ in dem über¬
mütige altitalienische Lustspielmotive
zu einem modernen Filmsujet ge¬
formt wurden; dann „Liebe“ die Be¬
arbeitung einer der schönsten Balzac¬
Novellen; dann „Donna Juana“, an
Art und Handlung dem „Geiger von
Florenz“ verwandt, aber in Spanien
spielend und aus alten spanischen
Stoffen zusammengesetzt. Und endlich
die heutige Sensation: „Fräulein Else
von Arthur Schnitzler.
Betrachtet man all das zusammen
so findet man, daß die Dramaturgen
und Berater Elisabeth Bergners (Paul
Czinner, oft wohl, wenn auch anonym
Bela Balasz) für zweierlei Sinn haben
müssen; im Tragischen für eine ge¬
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wisse schwer zu erfassende Grenz¬
atmosphäre, die der an ihrer eigenen
Feinheit zerbrechenden Nju, den religi
ösen Schauern von Balzacs Herzogin
ers modernem Mädchen gemeinsam
ist. (Diese Linie soll nach den weiteren
Absichten Elisabeth Bergners und ihrer
esellschaft beibehalten werden. s. u.)
Im Komödienhaften ist die
ichtige Atmosphäre Elisabeth Berg¬
niers noch schwerer zu finden: in beiden
Fällen versuchte man die alte Komil
der Verkleidungs=Rolle, des Trans¬
bestitentums modern zu vertiefen; der
weib=männliche Typ entschloß sich aber
am Ende stets dafür, ein Weib zu
bleiben und gewährte so die Publi¬
kums=Konzession eines happy end.
Als Stoff der nächsten Verfilmung
wird von Paul Czinner Claude Anets
„Ariane“ in Betracht gezogen. Spä¬
ter soll Elisabeth Bergner vielleicht
auch im Film noch einmal Shaws
„Heilige Johanna“ spielen.
Ein Rekord
Sarah Bernhard erzählte einmal, als
ie in der Hauptstadt einer südameri¬
kanischen Republik gastierte, sei der
Präsident in der Pause nach dem ersten
Akt in ihre Garderobe gekommen, um
ihr seine Aufwartung zu machen. Das
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Fräulein Eise
Im Capitol
Der Filmtitel ist nicht ganz zutreffend. Denn
im Vordergrund steht nicht, wie in Schnitzlers
Novelle, die unglückliche Else, sondern ihr
Vater, der sinnlos dem Spielteufel verfallene
Rechtsanwalt. Und das ist gut so, weil ein
Film Seelenkonflikte, denen das Gegenüber
fehlt, kaum so zum Ausdruck bringen kann, daß
der Zuschauer auf die Dauer interessiert und ge¬
fesselt bleibt.
Der Manuskriptverfasser hat sich aber auch
sonst nur an die Aeußerlichkeiten des Schnitzlen
schen Vorbildes gehalten und Fräulein E
keineswegs mit jenem holden Zauber ausge¬
stattet, der von dem „kleinen Luder“, wie sie
sich selbst bei Schnitzler nennt, ausgeht.
Paul Czinner mußte vielmehr die Figur
der Else auf das Körper= und Ausdrucksmaß
der Elisabeth Bergner zuschneiden, und
hr hätte das Schnitzlersche Kleid wohl kaum ge¬
paßt.
Herb, schmächtig und fungenhaft tollt sie im
Gelände von St. Moritz, amüsiert sich mit kind¬
icher Zaghaftigkeit an der Seite ihres Vetter¬
(Jack Trevor), der an der Fraulichkeit der schö¬
nen Frau Mohr (Grit Hegesa) mehr Gefallen
findet als an ihr. Erst als der schicksalsschwere
Brief eintrifft, in dem Else von der Mutter
aufgefordert wird. zur Deckung der väterlichen
Schulden 30000 Schillinge von Herrn v. Dors¬
day (Albert Steinrück) zu erbitten und Dorsday
eine schamlose Gegenforderung stellt, erst von
diesem Augenblick an kommt die Frau in Elisa¬
beth Bergner zur Erscheinung. Erst von diesem
Augenblick an wird Fräulein Else interessant,
der Bergner Spiel zu einer künstlerischen Lei¬
tung, die in ihrem starken, klar geformten und
keuschen Ausdruck packt und erschüttert. Es sind
nur wenige, die letzten Szenen des Films, sie
sind aber eindrucksvoll genug, um einen nach¬
haltigen Erfolg zu sichern.