Frautein Eise
Im Capitol
Der Filmtitel ist nicht ganz zutreffend. Denn
im Vordergrund steht nicht, wie in Schnitzlers
Novelle, die unglückliche Else, sondern ihr
Vater, der sinnlos dem Spielteufel verfallene
Rechtsanwalt. Und das ist gut so, weil ein
Film Seelenkonflikte, denen das Gegenüber
ehlt, kaum so zum Ausdruck bringen kann, daß
der Zuschauer auf die Dauer interessiert und ge¬
fesselt bleibt.
Der Manuskriptverfasser hat sich aber auch
sonst nur an die Aeußerlichkeiten des Schnitzler¬
schen Vorbildes gehalten und Fräulein Else
keineswegs mit jenem holden Zauber ausge¬
stattet, der von m „kleinen Luder“, wie sie
ch selbst bei Schnitzler nennt, ausgeht.
Paul Czinner mußte vielmehr die Figur
Else auf das Körper= und Ausdrucksmaß
Elisobeth Bergner zuschneiden, und
hätte des Schnitzlersche Kleid wohl kaum ge¬
aßt.
Herb, schmächtig und jungenhaft tollt sie im
mde von St. Moritz, amüsiert sich mit kind¬
licher Zaghaftigkeit an der Seite ihres Betters
(Jack Trevor), der an der Fraulichkeit der schö¬
nen Frau Mohr (Grit Hegesa) mehr Gefallen
findet als an ihr. Erst als der schicksalsschwere
Brief eintrifft, in dem Else von der Mutter
aufgefordert wird, zur Deckung der väterlichen
Schulden 30000 Schillinge von Herrn v. Dors¬
day (Albert Steinrück) zu erbitten und Dorsdar
seine schamlose Gegenforderung stellt, erst von
diesem Augenblick an kommt die Frau in Elisa¬
beth Bergner zur Erscheinung. Erst von diesem
Augenblick an wird Fräulein Else interessant,
der Bergner Spiel zu einer künstlerischen Lei¬
tung, die in ihrem starken, klar geformten und
keuschen Ausdruck pack und erschüttert. Es sind
nur wenige, die letzten Szenen des Films, sie
ind aber eindrucksvoll genug, um einen nach¬
haltigen Erfolg zu sichern.
An diesem Erfolg haben den gleichen Anteil
die ungemein stimmungsvollen Szenenbilder, die
Paul Czinner durch Karl Freund aufnehmen
ieß, die famos gesehenen Ausschnitte aus dem
Gesellschaftsleben, dem Sporttreiben und der
Natur von St. Moritz, und nicht zuletzt Albert
Bassermann. Szinner führt diesmal die Szene
in lebhaftem rhythmischen Wechsel, indem er dem
geselligen Treiben im Carlton=Hotel die schlei¬
chenden Sorgen im Hause des Wiener Rechts¬
anwalts entgegenstellt. Mit großer Delikatesse
und reizvollem Humor schildert er die Annähe¬
rungsversuche Elses an Dorsday (übrigens präch¬
tig gespielt von Steinrück und der Bergner) und
schließlich nicht weniger delikat die Schlußbilder,
die Eises Freitod vorangehen.
Albert Bassermann hat endlich mal seine
große Filmrolle. Er ist der Hasardeur, der mit
remder Leute Geld sein eigenes Leben verspielt,
sein Familienglück zertrümmert, der Gentleman¬
betrüger, der, innerlich zerbrochen, nach außen
Fraeulein Else
31.
hin den Schein zu wahren hat. Und wie herrlich
wahrt er ihn!
Alles in allem: Schnitzlersche Motive, aber
kein Schnitler. „Fräulein Ose“, aber nicht des
Leutnant Gustl jüngere Schweister. Und dennoch
ein — Film von Format.
Spatend inszeniert und vorzüglich gespielt.
Dr. Kurt Mühsam.
neben dem Filmakelier be
bricht Pola Regri einen Vertrag und
zahlt 500000 Frank Strafe
„Hat eine Filmschauspielerin das Necht, nach
Beendigung der Aufnahmen im Atelier ein Bad
zu nehmen?“
Diese Frage stellte Pola Regri an einen Re¬
dakteur der „Chicago Tribune“
Pola Regri, die vor kurzem aus Hollywood
nach Paris gekommen war, um dort die
Hauptrolle in dem Film „Das Halsband einer
Königin“ nach dem Noman von Alexander
Dumas zu spielen, hat vor wenigen Tagen die
Rolle einfach zurückgelegt.
„Ich habe meinen Vertrag gebrochen,“ er¬
zählt die Filmdiva, „weil das Drehbuch in letzter
Minute vollkommen verändert wurde und weil
man meinen Wunsch nach einem Badezimmer
ieben dem Filmatelier abgewiesen hat. Als ich
den Vertrag unterzeichnete, reizten mich die
Schönheiten des Dumasschen Romans, die Film¬
kolle im „Halsband einer Königin“ zu über¬
nehmen. Aber das Drehbuch ist vollkommen
verstümmelt worden: man hat aus Sparsam¬
eitsgründen die prächtigen Ballszenen und die
nicht minder herrlichen Parkszenen einfach ge¬
strichen. Und deshalb habe ich meinen Ver¬
trag gebrochen.
Im übrigen ist es doch wohl keine allzuhohe
Forderung, wenn man ein Badezimmer in der
Nähe des Filmateliers verlangt. Wäre ich zu
Gericht gegangen, ich glaube, ich hätte den Pro¬
eß gewonnen. Ich will aber mit den Gerichten
nichts zu tun haben und habe deshalb das Pö¬
nale gezahlt.“
Till.
box 5/3
Im Capitol
Der Filmtitel ist nicht ganz zutreffend. Denn
im Vordergrund steht nicht, wie in Schnitzlers
Novelle, die unglückliche Else, sondern ihr
Vater, der sinnlos dem Spielteufel verfallene
Rechtsanwalt. Und das ist gut so, weil ein
Film Seelenkonflikte, denen das Gegenüber
ehlt, kaum so zum Ausdruck bringen kann, daß
der Zuschauer auf die Dauer interessiert und ge¬
fesselt bleibt.
Der Manuskriptverfasser hat sich aber auch
sonst nur an die Aeußerlichkeiten des Schnitzler¬
schen Vorbildes gehalten und Fräulein Else
keineswegs mit jenem holden Zauber ausge¬
stattet, der von m „kleinen Luder“, wie sie
ch selbst bei Schnitzler nennt, ausgeht.
Paul Czinner mußte vielmehr die Figur
Else auf das Körper= und Ausdrucksmaß
Elisobeth Bergner zuschneiden, und
hätte des Schnitzlersche Kleid wohl kaum ge¬
aßt.
Herb, schmächtig und jungenhaft tollt sie im
mde von St. Moritz, amüsiert sich mit kind¬
licher Zaghaftigkeit an der Seite ihres Betters
(Jack Trevor), der an der Fraulichkeit der schö¬
nen Frau Mohr (Grit Hegesa) mehr Gefallen
findet als an ihr. Erst als der schicksalsschwere
Brief eintrifft, in dem Else von der Mutter
aufgefordert wird, zur Deckung der väterlichen
Schulden 30000 Schillinge von Herrn v. Dors¬
day (Albert Steinrück) zu erbitten und Dorsdar
seine schamlose Gegenforderung stellt, erst von
diesem Augenblick an kommt die Frau in Elisa¬
beth Bergner zur Erscheinung. Erst von diesem
Augenblick an wird Fräulein Else interessant,
der Bergner Spiel zu einer künstlerischen Lei¬
tung, die in ihrem starken, klar geformten und
keuschen Ausdruck pack und erschüttert. Es sind
nur wenige, die letzten Szenen des Films, sie
ind aber eindrucksvoll genug, um einen nach¬
haltigen Erfolg zu sichern.
An diesem Erfolg haben den gleichen Anteil
die ungemein stimmungsvollen Szenenbilder, die
Paul Czinner durch Karl Freund aufnehmen
ieß, die famos gesehenen Ausschnitte aus dem
Gesellschaftsleben, dem Sporttreiben und der
Natur von St. Moritz, und nicht zuletzt Albert
Bassermann. Szinner führt diesmal die Szene
in lebhaftem rhythmischen Wechsel, indem er dem
geselligen Treiben im Carlton=Hotel die schlei¬
chenden Sorgen im Hause des Wiener Rechts¬
anwalts entgegenstellt. Mit großer Delikatesse
und reizvollem Humor schildert er die Annähe¬
rungsversuche Elses an Dorsday (übrigens präch¬
tig gespielt von Steinrück und der Bergner) und
schließlich nicht weniger delikat die Schlußbilder,
die Eises Freitod vorangehen.
Albert Bassermann hat endlich mal seine
große Filmrolle. Er ist der Hasardeur, der mit
remder Leute Geld sein eigenes Leben verspielt,
sein Familienglück zertrümmert, der Gentleman¬
betrüger, der, innerlich zerbrochen, nach außen
Fraeulein Else
31.
hin den Schein zu wahren hat. Und wie herrlich
wahrt er ihn!
Alles in allem: Schnitzlersche Motive, aber
kein Schnitler. „Fräulein Ose“, aber nicht des
Leutnant Gustl jüngere Schweister. Und dennoch
ein — Film von Format.
Spatend inszeniert und vorzüglich gespielt.
Dr. Kurt Mühsam.
neben dem Filmakelier be
bricht Pola Regri einen Vertrag und
zahlt 500000 Frank Strafe
„Hat eine Filmschauspielerin das Necht, nach
Beendigung der Aufnahmen im Atelier ein Bad
zu nehmen?“
Diese Frage stellte Pola Regri an einen Re¬
dakteur der „Chicago Tribune“
Pola Regri, die vor kurzem aus Hollywood
nach Paris gekommen war, um dort die
Hauptrolle in dem Film „Das Halsband einer
Königin“ nach dem Noman von Alexander
Dumas zu spielen, hat vor wenigen Tagen die
Rolle einfach zurückgelegt.
„Ich habe meinen Vertrag gebrochen,“ er¬
zählt die Filmdiva, „weil das Drehbuch in letzter
Minute vollkommen verändert wurde und weil
man meinen Wunsch nach einem Badezimmer
ieben dem Filmatelier abgewiesen hat. Als ich
den Vertrag unterzeichnete, reizten mich die
Schönheiten des Dumasschen Romans, die Film¬
kolle im „Halsband einer Königin“ zu über¬
nehmen. Aber das Drehbuch ist vollkommen
verstümmelt worden: man hat aus Sparsam¬
eitsgründen die prächtigen Ballszenen und die
nicht minder herrlichen Parkszenen einfach ge¬
strichen. Und deshalb habe ich meinen Ver¬
trag gebrochen.
Im übrigen ist es doch wohl keine allzuhohe
Forderung, wenn man ein Badezimmer in der
Nähe des Filmateliers verlangt. Wäre ich zu
Gericht gegangen, ich glaube, ich hätte den Pro¬
eß gewonnen. Ich will aber mit den Gerichten
nichts zu tun haben und habe deshalb das Pö¬
nale gezahlt.“
Till.
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