I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 135

VI.
IVV
ARGUS SUISSE ET INTERNATIO
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Araufführungen
Fräulein Else.
Capitol.
Der Erfolg dieses Films heißt Elisabeth Vergner. Hier
merkt man wieder den ungeheueren Unterschied zwischen Schau¬
spielerin und Filmdiva; keine von den großen Filmkolleginnen
des In= und Auslandes vermöchte es der Bergner gleichzutun.
Diese kindlich=fröhliche, ahnungslose Else lebt, freut sich an
allem: an der Reise, an dem Leben und Treiben in St. Moritz.
Sie spielt nicht ihre Rolle, sondern sie ist wirklich das kleine
Fräulein Else, ein bißchen scheu noch, voll instinktiver Abneigung
gegen den unbekannten Freund ihrer Eltern. Wie sie in ihrer
Verzweiflung, ihrem Schmerz, nach dem geliebten Papa weint
und schreit, das kann eben nur eine wirkliche Künstlerin, wie sie,
innerlich zerbrochen, doch den schweren Gang tut, vergiftet, mit
unsicheren Füßen sich in die Bar schleppt, zusammenbricht das
ist erschütternd menschlich echt. Ihr Gegenspieler ist Albert
Steinrück, der vor wenigen Wochen zu Grabe getragen
wurde; bezwingend im Ausdruck, schildert er den Kunsthändler
von Dorsday überlegen, kalt, berechnend, brutal, Fräulein Else
zerbricht an ihm. Paul Czinner führt Regie, sehr umsichtig,
schafft das rechte Milieu (sehr hübsche klare Bilder), hält das
Tempo, hätte aber doch die erklärende Einleitung kürzen können.
Das Manuskript hat Arthur Schnitzlers Nopelke zum Vorwurf:
Else, das unverdorbene, frische Madel, das, umd den über alles
geliebten Vater zu retten, die schnählich Bedingung des an¬
geblichen Freundes annimmt, und sie mit dem Tove quittiert.
Von den übrigen Darstellern seien noch erwähnt: Jack Trevor
und Albert Bassermann ein künstlerischer Erfolg.
Der Sohn der Taiga,
Terra=Lichtspiele Mozartsaal.
Von dem Manuskript aber laßt uns schweigen! An diesem
Vorwurf hat man sich längst sattgesehen, er ist für uns nicht
mehr aktuell: Bürgerkrieg, Kampf der roten und weißen Garde
Krieg im eigenen Hause, Kämpfe. Mord und Totichlag und
glückliches Ende. Auch die Regie (Benjamin Chrisetanson)
bringt nicht viel neue Momente. Einzig die Darstellung, sehr
gute Besetzung. Ueberragend Lon Chaney als Pawel, der sibi¬
rische Bauer, der nur langsam den zersetzenden Hetzreden des in¬
triganten Ivan (prachtvoll von Karl Huszar charakterisiert)
erliegt. Stark im Ausdruck er verliert nicht einen Augenblick
seinen Stil, ob er den einfachen, schwerfälligen Sibiriak spielt
oder den aufgerüttelten betrunkenen Revolutionär mit tier¬
haften Instinkten. Bis er wieder, bezwungen durch Tatjanas
Edelmut, der alte treuergebene Pawel ward, der für sein Müt¬
terchen“ sein Leben läßt. Sehr sympathisch und ausdrucksreich
st Barbara Bedford als Tatjana, spielgewandt: Ricardo
Cortez als Dimitri. Ein Vorprogramm mit sehr gutem Kul¬
turfilm der Ufa und einer lustigen amerikanischen Lausbuben¬
Groteske.
Gefanigene des Meeres.
Marmorhaus.
Ein deutsch=russischer Gemeinschaftsfilm, mit russischen Schau¬
spielern und einem deutschen Negisseür. Im übrigen aber eine
Geschäfts= und Familienangelegetheit der Sowjets, die sich im
großen und ganzen im Niveau unserer Unterhaltungsfilme be¬
wegt und auf die Begeisterung für russische Filme spekuliert.
Ein sehr unbeholfenes Manuskript, das Gelegenheiten gibt, edle
Sowjetpatrioten von allen Seiten zu beleuchten, das die russische
Kriegsmarine in ihrem harmlos schönen Dasein in Sewastopol
zeigt, Spione, Verräter und geliebte Mädchen durcheinander
mischt. Kurzum, eine recht gewöhnliche Affäre die auf russische
Staatspropaganda hinausläuft im Gewande eines Kriminal¬
stückes. Viele von denen, die sich gewohnheitsmäßig für solche
russische Einfuhr begeistern, würden sehr erböst sein, wenn man
eine ähnliche Propaganda für die deutsche Marine unternähme.
Das beste an dem Film ist das diskrete und wenig gestellte
Spiel der Schauspieler.
Der lebende Leichnam.
Ufa=Pavillon Nollendorfplatz.
Der deutsch=russische Gemeinschaftsfilm „Der lebende Leich¬
nam“ nach dem gleichnämigen Drama von Leo Tolstoi ist in das

31.
Fraeulein Else

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