I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 159

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31. Fraeulein Else
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aus Richt scheilen dürse, eine berise- heranfzabeschieet...,
Verhetzung der Bevölkerung wird seir Monaten hemmungs¬
ie nur dazu beitrage, die Freiheit — versteht sich, die Frei¬
rlag -Leipzig
los betrieben; von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt sucht man
heit nach dem Geschmacke der Diktaturanbeter
— zu er¬
die heftigste Erregung, den Unwillen gegen die verantwort¬
ringen. Man müsse es sogar in Kauf nehmen, eine Weile als
lichen Staatsmänner und den Tributvertrag, wie man so
Proletarier zu leben, denn auch die Politik verlange ihre
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schön sagt, zu tragen. Die Früchte dieses gefährlichen Be¬
Helden. Bei solchen Auffassungen, die selbst vor Kriegsgeschrei
ginnens haben sich in der Attentatsseuche gezeigt, die das
und Krieg nicht zurückschrecken, ist es natürlich nicht be¬
einstige Musterreich der Ordnung ergriffen hat und die zu
fremdend, daß eben jetzt, da die besonnenen Kreise mit Sorge
einer Reihe von Anschlägen führte. Welche Dimensionen die
an die bevorstehende große Finanzreform denken, da sich die
Aufwiegelungsbemühungen annehmen, wie sehr der Haß
Verantwortungsbewußten die Köpfe darüber zerbrechen, wie
svorlagen
sprechen. Freilich, als die Verhältnisse, aus denen die
Situation wie der gedachte, gefühlte Monolog des Leutnants
Feuilleton.
stellt.
Gustl entstand, noch herrschten, wäre ein öffentlicher Vortrag
von der Militärbehörde wie von der Polizeizensur verboten
„Fräulein Else“ als Film.
tigen Sitzung des
worden. Und jetzt, da es kein Gesetz der Offiziersehre mehr
„Concordia“=Vorstellung im Buschkino.
tes.
gibt, das den gekränkten Marsjüngern drakonisch befiehlt,
Wien, 18. Oktober.
den satisfaktionsunfähigen Beleidiger niederzusäbeln oder
Weil das eine vortreffliche Gelegenheit wäre, über den
den Rock des Kaisers auszuziehen und dem Unglücklichen
Film und seinen jetzigen Zustand einiges zu sagen, will ich
gestrigen Sitzung unter
als dritte, als letzte Möglichkeit nur den Selbstmord läßt,
lieher von allgemeinen Betrachtungen absehen. Sprechen wir
ober die Schlu߬
jetzt scheint Schnitzlers Novelle überholt. Aber sie scheint eben
ausschließlich von „Fräulein Else“, von dem Flimmerspiel,
ngsentwürfe vor¬
nur so. Die Zeit, in der ein Brüsewitz seinen harmlosen
das Paul Czinner „nach Motiven“ dieser Novelle gezimmert
igen Sitzung des
Gegner an die Wand spießen durfte, liegt noch nicht gar
hat. Und von der Kunst, mit der Elisabeth Bergner die Gestalt
cht werden.
o weit hinter uns, daß nicht sehr viele sich ihrer erinnern
des Fräuleins Else verkörpert.
könnten. Außerdem lebt sich das Publikum immer ganz leicht
Als Artur Schnitzlers Meisternovelle vor nun fünf
in Zustände ein, die schon historisch geworden sind, und es
Jahren erschien, wurde an dieser Stelle (von mir) voraus¬
Pechsel bei den
gibt dann ein befreites Aufatmen, wenn man sich zuletzt
gesagt, dieses Buch werde „binnen kurzem“ von vielen
besinnt, daß solche Zustände glücklich überwunden wurden.
Tausenden, Männern und (Frauen, gelesen und geliebt sein.
undesbahnen.
Könnte man „Leutnant Gustl“ von einem vortrefflichen
Eine Prophezeiung, auf die man nicht stolz sein braucht, weil
Wien, 18. Oktober.
Wiener Künstler, etwa von Anton Edthofer, gelesen hören,
sie sich so sehr rasch erfüllt hat. Das Buch ist zwingend, in
man würde sich auch besinnen, daß Artur Schnitzlers Werk
einer Form, wie in seiner Handlung. Es ist hinreißend
Entscheidung über die Be¬
mitgeholfen hat, die alten, starren Vorurteile zu lockern
durch den Glanz des Lebens, der darin schimmert, durch
Verwältungskommission
und daß dieses Werk, als es erschien, eine große Kühnheit
die Weisheit des Dichters, die darin zutage tritt, und durch
erst in der nächsten
war. Man würde erkennen, daß es bis heute ein großes
das atemlos sausende Tempo, mit dem die Ereignisse sich
Namen, die als Kan¬
Kunstwerk geblieben ist. Seine Wirkung wäre gerade in
unabwendbar vollziehen.
daher noch der Authen¬
unseren Tagen, die wieder einmal von Säbelgesinnung durch¬
Zu den Künstlern, die sofort in den Bann des Werkes
en Kreisen verlautete
rasselt wird, besonders stark.
gezogen wurden, gehört Elisabeth Bergner. Sie hat den
stenstelle der General¬
Monolog, aus dem die Novelle von der ersten bis zur letzten
„Fräulein Else“ jedoch ist zweifellos auch heute gültig.
chaft Dr. Anton Apold
Zeile besteht, wiederholt öffentlich gesprochen und sie hat
So viele Familien leben heute noch, leben gerade heute an
itig wird auch davon ge¬
dem schmalen Grenzstreifen zwischen ehemaligem Reichtum
mit diesen im Herzen und im Hirn gedachten, geflüsterten,
irektion der Bundes¬
und unaufhaltsamer Verarmung. Viele Familienväter
geatmeten Worten eines tragisch bedrängten Mädchens
ll, und man nennt den
ungeheure Wirkung erreicht.
schwanken in ihrem Bemühen, einen eleganten Standard
n Elektrizitätsgesellschaft
Wie merkwürdig übrigens, daß kein männlicher Dar¬
hlner als den künftigen
aufrecht zu halten, zwischen Spekulationsgewinn und Krimi¬
steller, kein wienerisch gefärbter Schauspieler auf den Einfall
Von einem konkreten
nal gefährlich hin und her. Und die heiratsfähigen Töchter
geriet, ebenso wie Elisabeth Bergner das „Fräulein Else“
ist jedoch noch nichts
solcher, aber auch die erwachsenen Töchter anderer Bürger¬
jenes frühe Gegenstück dazu, den „Leutnant Gustl“ zu familien balanc## auf der messerscharfen Kante zwischen
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