31. Fraeulein Else
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praktischen Theaterbetrieb für vereinbar?
„Durchaus. Es ist ein Fehler, das Publikum zu unter¬
schätzen, und es ist ein Irrtum, zu glauben, daß dem Publikum
hauptsächlich ein flaches Amüsierstück
Vielmehr
gefällt.
findet am meisten Zuschauer — im Theater und überall —,
was am meisten bietet. Das außerordentliche Interesse, das die
Klassikeraufführungen der letzten Spielzeit erweckten — in einem
Theater erweckten, das bisher vorwiegend andere Stücke
spielte — enthebt mich eines weiteren Beweises. Wie schwierig
dies freilich bei einem nichtsubventionierten Privattheater, dessen
Etat täglich minde ens 3000 Schilling beträgt, ist, davon macht
man
sich kaume##e Vorstellung.“
Wie ve halten sich die Schauspieler zu
diesem künstlerischen Prinzip?
„Ich kann mit Freude feststellen, daß die überwiegende
Mehrzahl meiner schauspielerischen Mitarbeiter diese Grundsätze
nicht nur gelten läßt, sondern sie wie eine Befreiung empfindet.
Allzu oft mußten sich ja wertvollste Kräfte an Wertlosigkeiten
verschwenden. So habe ich es mir angelegen sein lassen, Albert
Bassermann nur für Aufgaben heranzuziehen, die dieses Ein¬
satzes wert sind. Natürlich gibt es auch Ausnahmen von dieser
rühmlichen Regel und da hat der Film das Seine dazu getan.
Der eine oder der andere erklärt dann vielleicht: „Wenn ich
mir den Luxus erlaube, Theater zu spielen — notabene ein
Luxus, den der Theaterdirektor nrit 150 bis 200 Schilling als
abendliches Auftrittshonorar zu bezahlen hat —,
dann will
ich spielen, was mir Freude macht.“ Solche Darsteller, die den
privaten Geltungswunsch vor alles übrige stellen, haben bei mir
im wahrsten Sinne des Wortes ausgespielt.“
Was halten Sie für das Unerläßlichste
beim Theater?
„Es muß interessant sein! Der Tod des Theaters ist die
Einförmigkeit. Das Theater als abendliche Gewohnheit hat nach
meiner Meinung keine Lebensberechtigung. Mit anderen Worten:
Statt des Theaters als Gewohnheit, das
Theater als Festspiel. Nur von hier aus können
Theaterkrise und Theatermüdigkeit überwunden und deni Film ein
Paroli geboten werden. Deshalb muß vor allem für Vielfalt und
Abwechslung gesorgt werden, sowohl in der Besetzung, wie in der
Ausstattung und Regie.“
Wer wird in dieser Spielzeit bei Ihnen
inszenieren?
„Außer Max Reinhardt, den verpflichtet zu haben mir
besonders wichtig ist, Professoe Kalbeck, Hofrat Albert Heine,
Hans Thimig und ich. Aber auch zwei jüngere Regisseure werden
in dieser Spielzeit debütieren: mein bisheriger Regieassistent
Maximilian Schulz, der als Regisseur unserer Raimund=Feier
hervortreten wird, und mein Dramaturg Johannes Reich, der
demnächst als Ensemblegastspiel unseres Theaters „Spionage“
in der Scala inszeniert.
Werden Sie das Theater in der Josefstabt
weiter als internationale Bühne führe?
„Selbstverständlich. Allerdings bin ich mir klar darüber, daß
ein österreichisches Theater dem österreichischen Schaffen besonders
verpflichtet ist. Wir beginnen bekanntlich mit Anzengruber und
Raimund, Reinhardt inszeniert Nestroy, ich selbst werde Grill¬
parzer („Jüdin von Toledo“) und den „Wahlwiener“ Hebbel
„Maria Magdalena“ mit Bassermann und Paula Wessely) neu
in Szene setzen. Die dramaturgische Neufassung eines Bühnen¬
werkes von Ferdinand v. Saar, einem zu Unrecht verkannten
großen österreichischen Dichter, hat mich bereits im Sommer
eschäftigt und wird hoffentlich bald zu Ende geführt werden
können.
ü#lerkommt mit der „Liebelei“ (Anni Mayer als
Christikte, Söffe#als alter Weyring, Paryla als Fritz und Jane
Tilden als Schlagermizzi) in einer Morgenfeier zur Darstellung.
Außerdem sieht der Spielplan die Uraufführung eines jungen
Wieners, das Schauspiel „Instrumente Gottes“ von Richard Reich,
bereits im November dieses Jahres vor.“
„Werden Schauspielergastspiele in Ihrem
Theater stattfinden?“
„Im allgemeinen bin ich kein Freund externer Gastspiele
und ein entschiedener Anhänger des Ensemblegedankens. Wenn
man Schauspieler wie Bassermann oder Edthofer im Ensemble
hat, dann muß man nicht mehr weit auf die Suche gehen. Paula
Wessely, die bei mir spielt, sehe ich nicht als externe, sondern
als echte Josefstädter Schauspielerin an, und wenn die geplante
Verpflichtung Gustav Waldaus perfekt werden sollte, dem die
Hauptrolle in einem Wiener Stück zugedacht ist, dann wird ein
Josefstädter Schauspieler in die Josefstadt zurückkehren. Im
übrigen möchte ich Otto Brahm, als dessen Schüler ich mich
empfinde, zitieren: Weniger versprechen und mehr halten
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praktischen Theaterbetrieb für vereinbar?
„Durchaus. Es ist ein Fehler, das Publikum zu unter¬
schätzen, und es ist ein Irrtum, zu glauben, daß dem Publikum
hauptsächlich ein flaches Amüsierstück
Vielmehr
gefällt.
findet am meisten Zuschauer — im Theater und überall —,
was am meisten bietet. Das außerordentliche Interesse, das die
Klassikeraufführungen der letzten Spielzeit erweckten — in einem
Theater erweckten, das bisher vorwiegend andere Stücke
spielte — enthebt mich eines weiteren Beweises. Wie schwierig
dies freilich bei einem nichtsubventionierten Privattheater, dessen
Etat täglich minde ens 3000 Schilling beträgt, ist, davon macht
man
sich kaume##e Vorstellung.“
Wie ve halten sich die Schauspieler zu
diesem künstlerischen Prinzip?
„Ich kann mit Freude feststellen, daß die überwiegende
Mehrzahl meiner schauspielerischen Mitarbeiter diese Grundsätze
nicht nur gelten läßt, sondern sie wie eine Befreiung empfindet.
Allzu oft mußten sich ja wertvollste Kräfte an Wertlosigkeiten
verschwenden. So habe ich es mir angelegen sein lassen, Albert
Bassermann nur für Aufgaben heranzuziehen, die dieses Ein¬
satzes wert sind. Natürlich gibt es auch Ausnahmen von dieser
rühmlichen Regel und da hat der Film das Seine dazu getan.
Der eine oder der andere erklärt dann vielleicht: „Wenn ich
mir den Luxus erlaube, Theater zu spielen — notabene ein
Luxus, den der Theaterdirektor nrit 150 bis 200 Schilling als
abendliches Auftrittshonorar zu bezahlen hat —,
dann will
ich spielen, was mir Freude macht.“ Solche Darsteller, die den
privaten Geltungswunsch vor alles übrige stellen, haben bei mir
im wahrsten Sinne des Wortes ausgespielt.“
Was halten Sie für das Unerläßlichste
beim Theater?
„Es muß interessant sein! Der Tod des Theaters ist die
Einförmigkeit. Das Theater als abendliche Gewohnheit hat nach
meiner Meinung keine Lebensberechtigung. Mit anderen Worten:
Statt des Theaters als Gewohnheit, das
Theater als Festspiel. Nur von hier aus können
Theaterkrise und Theatermüdigkeit überwunden und deni Film ein
Paroli geboten werden. Deshalb muß vor allem für Vielfalt und
Abwechslung gesorgt werden, sowohl in der Besetzung, wie in der
Ausstattung und Regie.“
Wer wird in dieser Spielzeit bei Ihnen
inszenieren?
„Außer Max Reinhardt, den verpflichtet zu haben mir
besonders wichtig ist, Professoe Kalbeck, Hofrat Albert Heine,
Hans Thimig und ich. Aber auch zwei jüngere Regisseure werden
in dieser Spielzeit debütieren: mein bisheriger Regieassistent
Maximilian Schulz, der als Regisseur unserer Raimund=Feier
hervortreten wird, und mein Dramaturg Johannes Reich, der
demnächst als Ensemblegastspiel unseres Theaters „Spionage“
in der Scala inszeniert.
Werden Sie das Theater in der Josefstabt
weiter als internationale Bühne führe?
„Selbstverständlich. Allerdings bin ich mir klar darüber, daß
ein österreichisches Theater dem österreichischen Schaffen besonders
verpflichtet ist. Wir beginnen bekanntlich mit Anzengruber und
Raimund, Reinhardt inszeniert Nestroy, ich selbst werde Grill¬
parzer („Jüdin von Toledo“) und den „Wahlwiener“ Hebbel
„Maria Magdalena“ mit Bassermann und Paula Wessely) neu
in Szene setzen. Die dramaturgische Neufassung eines Bühnen¬
werkes von Ferdinand v. Saar, einem zu Unrecht verkannten
großen österreichischen Dichter, hat mich bereits im Sommer
eschäftigt und wird hoffentlich bald zu Ende geführt werden
können.
ü#lerkommt mit der „Liebelei“ (Anni Mayer als
Christikte, Söffe#als alter Weyring, Paryla als Fritz und Jane
Tilden als Schlagermizzi) in einer Morgenfeier zur Darstellung.
Außerdem sieht der Spielplan die Uraufführung eines jungen
Wieners, das Schauspiel „Instrumente Gottes“ von Richard Reich,
bereits im November dieses Jahres vor.“
„Werden Schauspielergastspiele in Ihrem
Theater stattfinden?“
„Im allgemeinen bin ich kein Freund externer Gastspiele
und ein entschiedener Anhänger des Ensemblegedankens. Wenn
man Schauspieler wie Bassermann oder Edthofer im Ensemble
hat, dann muß man nicht mehr weit auf die Suche gehen. Paula
Wessely, die bei mir spielt, sehe ich nicht als externe, sondern
als echte Josefstädter Schauspielerin an, und wenn die geplante
Verpflichtung Gustav Waldaus perfekt werden sollte, dem die
Hauptrolle in einem Wiener Stück zugedacht ist, dann wird ein
Josefstädter Schauspieler in die Josefstadt zurückkehren. Im
übrigen möchte ich Otto Brahm, als dessen Schüler ich mich
empfinde, zitieren: Weniger versprechen und mehr halten