I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 220


und der größte Vort
Ernst Lothars,

Rose Stradner und Kaspar Brandhofer.
daß sie diese Schatten des Niedergangs, diesen Geruch einer
falschen und schlechten Sphäre, von dem Vorwurf genommen hat,
obwohl die neue Form zwang, die Konturen zu verschärfen,
vieles deutlicher zu sagen, „nackter“, wie es im Text heißt.
So schuf der bedeutende Kenner der Psychologie und Ethik
des Rechtslebens eine neue Figur, die ich unbedingt dem ganzen
Stück vorziehe, jenen Rechtsanwalt, der in sein großes und
reines Bestreben, zu helfen, hilflos verstrickt wird. Ich frage
nicht, ob es möglich ist, als Rechtsanwalt in so hemmungslosem
Altruismus alt zu werden, die Figur ist groß, wie sie ist. Ihre
Darstellung durch Albert Bassermann neuerlich vollendet,
eine neue Stufe der Meisterprägungen alter, durch Schmerz
geläuterter Charaktere, die wir ihm nun schon seit Monaten
danken. Dieses Abendessen zwischen Leben und Tod, dieser Seiten¬
blick auf das Telephon, diese flatternden, schlecht beherrschten
Hände, dieser Moment, da der alte Mann sich vom Tisch
erhebt, um sein Verbrechen hinauszuschreien, das nichts
als Güte war — wir werden kaum Größeres sehen.
Indessen telephoniert Else. Sie telephoniert etwas viel,
dieses Instrument bot sich dar, um den Monolog bequem zu
verschlucken. In ihr schuf der Bearbeiter, der große Kenner der
Psychologie des Kindes (und der Eltern), gleichfalls eine fast
neue Figur. Nach Lothar ist Else naiv, kindlich naiv, sie liebt
Paul und verabscheut Cissy, ohne daß diese Gefühle von den
aufkeimenden erotischen Reflexen der Novelle gestört würden.
So manches, was an dem Hergang peinigend ist, hat Lothar
für mich durch den einen Satz der sterbenden Else wieder gut¬
gemacht: „Du bringst mir immer was mit, Papa. Es kostet
doch soviel ...“
Der Satz wird von Rose Stradner gesprochen, mit
chwerer Zunge gelallt. Dieses Sterben erst vollendet unsere
Sympathie. Je näher es kommt, desto größer, desto reiner wird
die Leistung der Schauspi ierin. Das traumverlorne Wandeln
zwischen Leben und Tod# as Abbild des vehementen Vaters),
der furchtbare Zwiespalt, ischen der Stimme des Geliebten
und dem Giftglas, es sind große, wahrhaft reine Momente. Die
Gestalt des Dorsday hat der Bearbeiter belassen wie sie ist, aber
ein überraschend starker Darsteller, Herr Brandhofer, hat
eingegriffen und versucht, uns das Abscheuliche als einen macht¬
vollen inneren Zwang glaubhaft zu machen. Erst: versucht
es liegt aber in seinen Gesten, in seinen Augen (noch nicht in
der Stimme) eine Kraft, von der wir mit Sicherheit sehr
Schönes und Großes erwarten können.
Von den übrigen Darstellern seien Frau Bassermann
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Reater
Theater in der Josefstadt.
Arthur Schnitzlers großartige, in ihrer epischen
Konzision und Virrnosität tief in seelische und soziale
Hintergründe hineinleuchtende Novelle „Fräulein
Else“ zu dramatisieren: dieses Wagnis hat Ernst
Lothar unternommen. Es ist ihm jedenfalls ge¬
lungen, ein ungemein wirkungsvolles Schauspiel in
sieben Bildern zu konstruieren, das sicherlich seine
Schuldigkeit tun wird; nicht zuletzt dank einer
glänzenden Aufführung, die ein erstaunliches Debüt
bringt: Herrn Brandhofer als Dorsday. Die
überraschende Rolle, die von dem Dramaturgen dem
Dr. T. zugedacht worden ist, wird von Bassermann
herrlich gespielt, und als Fräulein Else versteht Frau
Stradner zu ihrer blendenden Eleganz auch einen
sehr effektvollen psychologischen Schmuck zu tragen.
Ueber den außerordentlich erfolgreichen Abend soll
morgen noch ausführlicher gesprochen werden.
-eh-
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