I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 228

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Fraeulein Else

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OEZ. 1936
vom
Jheater und Kuf
Theater in der Josefstadt.
Schnitzlers Novelle „Fräulein
Else“ ars Schauspiel, bearbeitet
von Ernst Lothar.
Dieses Drama, dem ein geradezu stürmischer
Erfolg zuteil geworden ist, erstand aus einer
Meisternovelle des großen. Dramatikers Artur
Schnitzler. Warum er nicht selbst die
reizvolle, rührende Gestalt des Fräuleins Else
aus der Flächenwelt des Buches in die
plastische der Szene versetzt hat? Das deutsche
Publikum kennt die Gestalt des Fräuleins Else
und ihr trauriges Geschick. Sie stammt aus
gutem Haus, der Vater angesehener Advokat
Die Eltern senden sie nach einem mondänen
talienischen Alpenort. Und dort tritt plötzlich
das Schicksal mit roher Gewalt dem reinen,
ungen Mädchen in den Weg: Sie erhält einen
Eilbrief ihrer Mutter, dem Vater drohe Ent¬
ehrung und Kriminal, falls nicht der Finanz¬
mann v. Dorstay, der im selben Hotel weilt
wie Else, innerhalb vierundzwanzig Stunden
dem Vater einen hohen Betrag als Kredit
anweise. Else ist über das Opfer entsetzt, das
die Eltern von ihr verlangen, spricht mit dem
Geldmann und — er willigt ein, das Kapital
zu erlegen. Unter einer Bedingung — Else
müsse sich ihm unverhüllt zeigen. Der Kampf
des Schamgefühls der Jungfrau gegen die
Pflicht der Tochter, den Vater zu retten, sind
in der Novelle mit unvergleichlicher Feinheit
geschildert. Else erfüllt schließlich das brutale
Verlangen des Geldmenschen
— aber schon
als Sterbende. Aber sie weiß den Vater
gerettet..
*
*
Dies die Handlung der Novelle Schnitzlers
und selbstverständlich auch des Schauspieles,
das der Theatermann Ernst Lothar daraus
geschaffen hat. Schnitzlers Novelle ist aber
vielleicht gerade durch ihre eigenartige epische
Form berühmt geworden. Es ist weder ein
Selbstgespräch, das Else führt, noch ein Tage¬
buch, das sie schreibt — etwa damit die Welt
wisse, warum sie in den Tod gegangen sei.
Nein, es ist etwas viel Intimeres als das
geheimste Tagebuch, was die Novelle uns ver¬
rät. Es sind unausgesprochene Gedanken eines
ungfräulichen Mädchens, die sie auch der ver¬
trautesten Freundin nicht mitteilen würde.
Ja, nicht einmal der Luft, die ja Worte
weiterträgt.
Das künstlerische Ereignis ist eigentlich: In
einer Erzählung hat der Künstler und Arzt
Dr. Artur Schnitzler die Seele eines jungen
Mädchens belauscht, das sich plötzlich der
Schande gegenübersieht. Diese Regungen
wahrzunehmen, dazu gehört das zarte, fein¬
eines Dichters.
Diese
sinnige Ohr
Schwingungen der Saiten in der Brust des
das da für Leben oder Tod sich
Mädchens,
entscheiden soll, können höchstens noch bis an
den Leser dringen, der im Buch andächtig
diese geheime Seelenmusik miterlebt.
*
Ernst Lothar, dem Romandichter und
Essayisten, haben diese Gefühle gegenüber
dem Meisterwerk des Erzählers Schnitzler
gefehlt. Und das war das Glück des — gegen¬
wartigen Theaterdirektors. Seine Aesthetik ist
vor allem auf die Frage zugespitzt: Schaut aus
dem Stoff ein buhnenmäßiges Drama
heraus? Und er hat mit dieser seiner berufs¬
mäßigen Frage recht! Denn es haben sich in
der großen Szene zwischen dem Geldmann
und Else (da er seine Forderung geltend
nacht) und dann in der Todesszene der
Heldin Effekte ergeben, wie sie in einem
modernen Stück schon lange nicht da waren.
Gegenüber diesem Sieg des neuen Dramas
über ein Publikum, das seinen Schnitzler noch
erlebt hat, mag es ihm nicht allzuviel Sorgen
machen, wenn alte Schnitzler=Freunde nicht
immer mitgehen konnten.
Schließlich kann doch nicht geleugnet
werden, daß die feinsten Gedanken des
Dichters, für das Piano des Buches berechnet,
im Forte der Bühne geschrien und in Dialoge
zerstückelt auf verschiedene Personen zerteilt
wurden, die dem Erzähler gleichgültig waren.
Denn im Drama teilt Elfe den geheimen
Eilbrief der Mutter einer guten, aber dummen
Tante mit und macht diese zur Mitwisserin.
Wo doch das Wichtigste im erzählten Drama
Elsens ist, daß sie so allein ist!
Und noch etwas, wovon die Bühne völlig
chweigen mußte: Auch der Arzt Schnitzler
pricht in der Novelle. Else hätte nicht be¬
chlossen, ihr Leben so rasch zu enden, wäre
ie nicht gerade damals in einem körperlichen
Ausnahmszustand gewesen.
Und noch etwas: Der Bearbeiter hat auch
den Vater Elsens auftreten lassen, einen
Advokaten, der eine Rede über den Wider¬
streit zwischen den Pflichten der Menschlich¬
keit und dem Gesetz hält. Durch diese Ein¬
ügung wird das Problem des Stückes
verschoben. Es handelt sich um ein Frauen¬
problem. Allerdings geschah diese Einschiebung
Bassermann zuliebe.
Wie gesagt, zur Sensation hat dieser
Theaterabend die glanzvolle Darstellung ge¬
macht. Die Else bedeutet zweifellos den
größten Erfolg, den Rose Stradner in
Wien bisher erzielt hat. Von reizvoller Er¬
cheinung, die Jugend und Anmut selbst
wußte sie, ohne jemals die Linien der Schön¬
heit zu verlassen, die dramatischesten
Wirkungen zu erzielen. Und wie rührend ihr
Sterben!
Das zweite Ereignis war der Finanzmann
des Herrn Brandhofer, eines öster¬
reichischen Schauspielers aus der Schule Rein¬
hardts. Man staunte, in einem Debütanten
no unemcheKra