I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 230

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WIEN,
Wollzeile 11 . Telephon R 23-0-43
Ausschnift ausage
ioner Köntung
vom
—A DEz. 1508
Theater in der Josefstadt:
„Fräulein
Von den vielen in der Zeitschilderung und nach
der seelischen Erfassung meisterhaften Novellen
Artur Schnitzlers ist eine der feinsten, tiefdringend¬
sten „Fräulein Else“; bei ihrem Erscheinen wurde
sie als eine seiner kühnsten empfunden, heute mutet
sie als wahres Dokument einer Gesellschaftsdämme¬
rung an. Die damals wahre Begebenheit des rätsel
haften, unerklärlichen freiwilligen Todes eines
jungen Geschöpfes „aus den besten Kreisen der Ge¬
ellschaft“, wie man zu jener Zeit ein wenig selbst¬
gefällig zu sagen pflegte, soll dem Dichter die An¬
regung geboten haben. Wie das ganze Lebenswerk
Artur Schnitzler= wesenstreu in seiner Epoche und
Generation begründet war, so daß sich wenige mit
mehr Recht als Dichter Wiens unter Franz Josef
nennen durften, so ist die Erzählung vom Leben
und Sterben der Tochter des Rechtsanwaltes Dr. T.
(mit Stadtkanzlei und Familienhaus im Cottage
aus Seelenabgründen der Menschen und der Zeit
geschöpft.
Formal ist die Erzählung von einer pulsenden,
fliegenden Spannung und Erregung erfüllt; nichts
liegt näher, als sie in bühnengerechte Gestalt zu
bringen! Ernst Lothar hat dies in feinster Ein¬
fühlung in den Geist der Erzählung unternommen
und mit bestem Gelingen gelöst; nur in einem hätte
er den Mut haben sollen, bis ans Ende der dichteri¬
schen Treue und dokumentarischen Wahrheit zu
gehen: sie in ihrer Zeit spielen zu lassen, die Men¬
schen Wiens und Schnitzlers von damals lebendig
werden zu lassen. Der Fall ist einigermaßen be¬
kannt: Else ist eines der damals typischen Wiener
Mädel aus wohlhabendem Haus; verwöhnt, an
spruchsvoll, sensitiv, gebildet, ohne für den Lebens¬
kampf gerüstet zu sein, unbefriedigt und blasiert in
jeder Hinsicht, „lebensmüd“ bevor überhaupt das
Leben an sie herangetreten ist. Else wird zur Er¬
holung von einem Dasein ohne Zweck nach San
Martino geschickt. Aus heiterem Himmel erreicht sie
die Nachricht vom Zusammenbruch der bürgerlichen
und moralischen Existenz des Vaters. Es handelt
sich um die „Bagatelle“ von anvertrauten Klienten¬
geldern in der Höhe von 60.000 Schilling. Else soll
den der Familie bekannten reichen Kunsthändler
von Dorsday um Hilfe angehen; unter der Bedin¬
gung einer seltsamen Perversion sagt dieser zu. Mit
31.
Fraeulein Else
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österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wienl, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Prager Tagblatt, Prae
vom:
4 DEZ. 1936
„Fräulein Eise“ auf der Bühl
Nach Schnitzlers gleichnamiger Novelle bearbe
von Ernst Lothar.
Theater in der Jo
stadt in Wien.
Als Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“
Jahre 192##erschien, war es nicht eigentlich
Elsa“
Stoffliches, was Aufsehen erregte. Was in
essierte,, war die merkwürdige und virti
Gift im Leibe begibt sich Fräulein Else zur ver¬
durchgehaltene Form: dieser sich über 136
langten Schaustellung, die der alternde fnobbistische
ten erstreckende Gedankenmonolog, oder, be
Intellektuelle eher als eine kultische Verherrlichung
gesagt, diese Flucht einander jagender Ged
der Schönheit, das junge Mädchen als eine uner
ken, Eindrücke und Empfindungen, ein sozusa
trägliche Erniedrigung empfindet. Echt Schnitzlersche
psychologisches Röntgenbild von Fräulein El
Motive kreuzen sich zum Ausbruch einer Tragödie:
Innenleben. Zu diesem gelungenen Experime
überspitzter Asthetizismus mit überempfindlicher
die Ichform zu umgehen, mag James Joyce
Nervlichkeit. Es ist keine Herabsetzung der jungen
Anregung gegeben haben. Den Inhalt: k
Mädchen von heute, wenn für sie der Konflikt des
Mona=Vanna=Opfer einer Neunzehnjährigen
Wiener Cottage=Milieu dürfte man, so weit
Fräuleins Else nicht mehr besteht; aber auch die
mich erinnere, schon damals als nicht mehr ge
Dorsdays, die solche Summen springen lassen, sind
zeitgemäß empfunden haben. Auch Schnitz
anspruchsvoller geworden — wenn sie nicht über
der, trotz klarer Erkenntnis der Sachlage,
haupt ausgestorben sind!
der Problematik seiner Jugendjahre nicht
Die von Hans Thimig inszenierte Aufführung
kommen konnte, hat sicherlich das gleiche gefü
ist von ungewöhnlicher Eindringlichkeit. Für das
und aus guten Gründen aus „Fräulein El
Fräulein Else bringt Frau Stradner die not¬
kein Drama, sondern eine Novelle gemacht. W
wendige strahlende Schönheit, die Magie des Be¬
ihn von dramatischer Formulierung abhielt,
gehrtwerdens mit; schauspielerisch gehen Elses kom¬
die Erwägung, daß hier kein brennendes Z
problem im Sinne Ibsens vorlag. Was ihn al
plizierte und raffinierte Emotionen weit über das
trotzdem zur Gestaltung reizte, war die Li
Ausdrucksvermögen der Darstellerin hinaus.
eine neue erzählende Form zu erproben und
Dorsday wird gekennzeichnet als Asthet und Snob;
etwas wie eine Tragödie hinter dem Vorhe
die indes abgelaufene Zeit hat ihn zum Schmock
zu schreiben; denn wenn Fräulein Else n
degradiert; seine Problematik ist ebenso unsympa¬
vollbrachtem Opfer sich endlich mit Veronal v
thisch wie affektiert; der Darsteller hat also keine
giftet hat und tot ist, weiß keiner ihrer M
eichte Aufgabe, um so höher ist die Leistung des
spieler, daß und warum dies geschehen ist.
Herrn Brandhofer zu werten, der damit seine
ist des Dichters E heimnis, das er ausplaude
ersten Schritte auf den Bühnenbrettern gemacht
und der leise Duft von Indiskretion mag sch
einiges zu dem Erfolg dieses, Alterswerks
haben soll. Er verfügt über vollkommene Sicherheit
getragen haben, das in seiner Problemstellu
einer sympathischen äußeren Mittel, besitzt heute
nicht allzu weit von Sudermann entfernt
bereits ungewöhnliche Routine. In nur einer Szene
Die Blutleere und Schattenhaftigkeit der letzt
gibt Herr Bassermann die Erschütterung einer
Dramen Schnitzlers läßt deutlich den verzweif
in ihren Tiefen aufgewühlten Seele; sein Rechts¬
ten Kampf erkennen, den er führte, um nicht
anwalt Dr. T. ist die versöhnende Motivierung der
diese Richtung zu verfallen, die einem geborene
Tragödie um Else. Alle anderen Gestalten sind
aber ermüdeten Dramatiker immer noch ein
mehr oder weniger Episoden im Leben Elses; voll
Erfolgschancen gegeben hätte, wenn er gewi
Herzenswärme, ahnungsloser Güte ist die Tante
gewesen wäre, mit seinen künstlerischen Ueb
zeugungen ein Kompromiß zu schließen. Er
Emma der Frau Bassermann; voll Eindring¬
es nicht getan, aber gelegentlich einer seiner le
lichkeit gibt Frau Skalla die Mama; eine echte
ten Premieren, die es nur mehr zu Achtung
Schnitzler=Figur ist der Paul des Herrn Frey;
erfolgen brachten, resigniert und hellseheri
aus der Gesellschaft von damals ist Frau Geßner;
zugleich geäußert: „Also, erst wieder nach hu
benso typisch ist Frau Woiwode.
dert Jahren!
Man erlebte die eindrucksvolle Aufrufung nicht
Er hat zeitlich zu weit gegriffen. Nicht na
nur einer „Gesellschaft“ auch ihres Theaters; wie
hundert Jahren, schon wenige Jahre nach
es geboten wurde, machte nicht geringen Eindruck,
nem Tod ist die Zeit für die Dynamik Sude
übte Wirkung in die Tiefe aus.
manns wieder reif — oder soll man sagen: u
Rudolf Holzer.
reif? — geworden. Und was Schnitzler selbst
aus guten Gründen — vor 12 Jahren unte
lassen hat, unternimmt heute der Theaterdirc
K