I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 246

31. Fraeulein Else
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8DE
vom
THEATER, KUNST UND LITERATUR
Wiener Uraufführungen
Blendwerk falscher Gaukelelen schmieden
Wien, 4. Dezember. Zwei Stücke, von
eminente Begabung, die gewiß noch an
wollen, sondern ihren eigenen, bewußten
Dichtern geschrieben, geben wieder dem
manchen Rollen ihr Bestes leisten wird.
Lebensweg beschreiten. Kohlenhändler,
Theater, was des Theaters ist: Spannung,
Rose Stradner spielt das interessante, ver¬
Greislersfrau, Trafikant, Kutscher, Wach¬
Unterhaltung, literarischen Sinn. Das eine,
wöhnte, schöne, gehetzte Fräulein Eise mit
mann und Bettelsänger spielen neben den
-Eräulein Elses, nach der Meisterno¬
der ihr eigenen weichen Vitalität, selbst
Vorstadt-
Familienmitgliedern mit: eine
velle Schnitzlers von Ernst Lothar
ein wenig innerlich gehetzt und nervös.
straße wird lebendig mit all ihrem Klein¬
in dramatische Föftlien Eegossen, braucht
Bassermann vollends bleibt neuerlich über¬
kram, mit vertrackter Eingewurzeltheit der
man nicht weiter vorzustellen: man kennt
ragend haften in der Rolle ihres verzwei¬
Alten, mit sonderbaren Thesen der Eltern,
die atemberaubende Geschichte des
jun¬
felten Vaters; Steigerung solcher Darstel¬
mit neumodischen Anschauungen der Jun¬
gen, sich opfernden Mädchens, man kennt
lung scheint nicht mehr möglich! Die dra¬
die Luft u. das Milieu der Gesellschaft, man
gen. In Nestroy- oder Hawel-Manier wird
matisierte Novelle fand demnach einmütl¬
ein Stück Wirklichkeit lebendig, dem ein
kennt den Kunsthändler, der ihre schiefe
gen, stärksten Beifall, wie er nur bei gro¬
Dichter Lebensatem eingehaucht hat. So
Situation ausnützt; nur die Figur des Va¬
Ben Abenden gespendet wird.
haben auch endlich wieder die Volksthea¬
ters wurde geändert in einen Mann, der.
Im Deutschen
Volkstheater
um einem andern zu heifen. Verfehlungen
terkünstler zu prachtvollen Rollen gefun¬
hat man endlich zu einem Volksstück zu¬
in seiner Anwaltskanzlei begangen hat. Die
den: Homma als schwerhöriger, superklu¬
rückgefunden und das Boudoir der Dodo¬
ger Großvater, der mit nicht vorhandenen
frisch gebliebene Spannung, die dieses
Damen mit dem lebensnäheren Milieu der
Präulein Eise jetzt wie früher umgibt, wirkt
Partnern Schnapsen spielt, ist mehr als ei¬
Vorstadt vertauscht. Andreas Thom, der
im Dramatischen noch ungleich wirkungsvol¬
ne Studie, ist Leben selbst! Ehmann zeigt
Autor dieses Spieles =In der stillen
Jo¬
ler, zumal dem Theater in der
als Sattlermeister höchstes Menschenglück,
Seitengasses, wird Belesenen von den
sefstadt in der Reihe seiner Meister¬
wenn er seine Freude über die gewonnenen
vorzüglichen Romanen -Vorlenz und Bri¬
aufführungen wieder eine restlos vollendete
Millionen feiert, tiefes Menschenleid, wenn
gittes, -Das Silvesterkind- usw. bekannt

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Vorstellung gelungen ist, in der alles
er nach der Hiobsbotschaft diesen Traum
sein; hier debütierte er mit eindeutigem
abgerundet und völlig erfüllbar erscheint,
Erfolg als Dramatiker. Weil er, ein Mann
zerrinnen sieht; für seine außerordentliche
daß jede kleinste Regung von Hans Thi¬
Leistung wurde dieser verdienstvolle
aus dem Volk, die Leute der Peripherie
migs sorgfältiger Regie im Selbstverständ¬
Künstler mit besonderem Beifall belohnt.
kennt und ihre Armut und ihren Traum
ver¬
lichen der natürlichen Bewegung
vom Reichtum, für den sie alles
Olden kann wieder ein Fußballstar sein,
opfern
des
schwindet. Die Besetzungssensation
wollen, wirkt das Figurenbild so echt, das
was er ja herrlich trifft. Kyser und Bö¬
Abends ist der Tiroler Landwirt Kaspar
sich um die Gestalt eines biederen Sattler¬
heim, Grieg und Skraup, Rehberger und
Brandhofer, kein junger Mann mit echtem
meisters rankt, der einem feinen Herrnmit
Kneidinger, die Damen Pfluger,
Markus
Schnurr- und wallendem Hauptbart, ein
Renntips sein garzes Geld anvertraut und
Seiffert und Föry, nicht zu vergessen Les¬
Schauspielerautodidakt, der im Sommer
sogar das Derby gewinnt — jedoch wie al¬
sens dunkle Gestalt als der Herr mit den
Max Reinhardt zur Probe vorgesprochen
le anderen Spekulanten aus der Seitengasse
Tips, fügen sich in die von Heinrich
hatte und an Lothar gewiesen wurde; nun
nur den Einsatz zurückerhält, da der feine
Schnitzler mit Geschick geleitete Auffüh¬
stellt er den Herrn v. D. kernig-klotzig,
Herr mitsamt dem gewonnenen Vermögen
rüng, die bewies, daß Volksstück und Volks¬
durchaus glaubhaft und in der Vollblüte
durchgebrannt ist. Auch zwei Liebespaare
theater, eben weil sie zusammengehören,
seines Mannstums auf die Bühne, eine neue
finden wir, die sich ihr Glück nicht mit dem
nicht zugrundegehen dürfen. Robert Breuer