I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 265

31. Fraeulein Else
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„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZELLE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Jüdische kundschau
Berlin
vom:
15.13.1938
Eine Premiere
und eine Ueberraschung
„Fräulein Pise“ im Theater der Josefstadt
6Wunserem Berichterstatter
J.R. Wien, im Dezember
Wepigg' Wochen nach dem fünften Todestage Arthur
Sehntzlerswird das Andenken des Dichters durch die
Uraufführung eines seiner Spätlingswerke, der Novelle „Fräu¬
ein Else“, gechrt. Ernst Lothar, der Direktor des
Reinhardt-Theaters in der Josefstadt, der die Schnitzlersche
Novelle dramatisierte, hat den Monolog in sieben starke,
bühnenwirksame Bilder aufgelöst. Dies bedeutete natürlich
ein recht schwieriges Problem, dessen Lösung durch Lothar
als durchaus gelungen zu bezeichnen ist. Der in Dialoge
aufgelöste Monolog wird in wirksamer Weise von den Dar¬
stellern oft nur telephonisch geführt.
Die Aufführung brachte einen eindruckstiefen Theater¬
abend. Die Regie Hans Thimigs, unterstützt von den
fein abgestimmten Bühnenbiidern Otto Niedermosers,
ist auch in der Kleinmalerei stets um die Wahrung Schnitz¬
lerscher Atmosphäre bemüht, Die von Lothar umgedichtete
und stark idcalisierte Gestalt des Vaters zeigt Albert Bas¬
sermann in einer einzigen großen Szene auf der Höhe
seiner Meisterschaft. Rosa Strzdner ist in den letzten
Szenen von stärkster Wirkung. Ganz ausgezeichnet auch
Else Bassermann. Die große Ueberraschung des Abends
aber war Kaspar Brandhofer als Herr von Dors¬
day, von dem es vor der Premiere hieß, daß er ein
Tiroler Landwirt sei, der in diesem Sommer vom
Ehepaar Reinhardt-Thimig für das Theater entdeckt wurde.
In der Tat präsentiert sich hier ein prachtvoller Schau¬
spieler.
Dieser Kaspar Brandhofer blieb auch nach seinem
großen „Debütauten“-Erfolg die Sensation. Wie aus einer
offiziellen Mitteilung der Direktion des Josefstädter Theaters
nach den ersten Aufführungen hervorgeht, ist Kaspar Brand¬
hofer mit dem Schauspieler Lco Reuß identisch, der,
ein geborener Wiener, seine schauspielerische Laufbahn am
hiesigen Theater begonnen hat und dann an Bühnen in
Deutschland, zuletzt am Berliner Staafstheater tätig gewesen
st. In den letzten drei Jahren konnte der Künstler wie er
etzt in einem Brief an den Präsidenten der österreichischen
Bühnenkünstler ausführt, kein Engagement finden, so daß
er sich zu dieser etwas ungewöhnlichen Verwandlung ent¬
schloß: er ließ sich einen Bart wachsen, um auch äußerlich
unerkannt zu bleiben, lebte eine Zeitlang von Menschen ab¬
geschieden und gab sich dann als der Tiroler Bauer Kaspar
Brandhofer aus. Tatsächlich wurde Reuß infolge seiner unge¬
wöhnlichen Willenskraft, unerkannt zu bleiben, sogar von
vielen Kollegen und Direktoren, mit denen er jahrzehntelang
in Deutschland zusammen gearheitet hat. nicht erkannt. Erst
die Eigenart seines Spleis verriet schließlich den Schauspieler
Leo Reuß. Diese gelungene Schauspieler-Köpenikiade, die
großes Aufsehen erregte, entbehrt nicht der besonders mensch¬
lich-tragischen Seite. Dieser Seite will auch das Josefstädter
Theater Rechnung tragen, indem es in seiner Mitteilung
gleichzeitig erklärt, „aus menschlichen und künstlerischen
Gründen keinerlei Disziolinarkonsequenzen zu ziehen“. Direktor
Lothar, der den Künstler Brandhofer über Empfehlung Rein¬
hardts engagiert hat, erklärt nach wie vor, daß es sich hier
um ein „anteilnahmewürdiges menschliches Schicksal handele,
dem beizustehen er auch weiterhin allen Anlaß habe“.
Es wäre nock zu erwähnen, daß gerade der Teil der
Presse, der sonst dem Schnitzierschen Werk grundsätzlich
nicht gerade positiv gegenübersicht, die Gestalt Brandhofers
als einen Mann der... „mit kraftvollen, wuchtigen Schritten
unmittelbar aus den Tiroler oder Salzburger Bergen auf die
Bühne kommt, ein Bauer, dem inbrünstig eigenes Ringer
so viel Können verschafft hat, wie nur wenigen anderer
Künstlern die besten Schulen“... „wenn er auch freilich
in dieser, seiner ersten Rolle, nichts von seinen Heimatbergen
zitbringen kann“, besonders herausgestrichen hat.
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5DEZ.
Hans Homma in der Bassermann¬
Rolle
Bei der Ubersiedlung des Schauspiels
„Fräulein Else“ in die Kammerspiele
des Theaters i. d.=asefefädt, die
Dienstag den 22. d. vor sich gehen wird, wird
die Rolle des Vaters neu besetzt werden. Die
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große Szene, die bisher Albert Bassermann
gespielt hat, wird nun Hans Homma dar¬
stellen. Bassermann spielt bekanntlich eine
Hauptrolle in der Weihnachtsnovität des
Deutschen Volkstheaters, dem Lustspiel „Jean“
von Ladislaus Bus-Fekete. Die Rolle der
Frau Else Bassermann in „Fräulein Else“ spielt
Frieda Richard.