I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 26

Sn dn. Pae. Mae Sae
lage findet er im Hause seines einstigen Schürlings Otwo, dessen
gewählt weiden! Das hängt doch jederzeit nur vom
Frau er verführt, die schöne, geistvolle Marcolina, ein junges, sich
Plenum ab! Wozu also den neuen Poragraphen? Nur um sich
1.
scheindar spröde versagendes Weid, das ihm unter allen Frauen,
auch im wünschenswerten Falle selbst die Möglichkeit der Wahl
deren Gunst er eroberte, als die einzige erscheint, die er lange und
eines Ausländers zu versperen? Nebstbei bemerkt, würde damit
vergeblich mit der Seele gesucht. Aber es ist zu spät. Marcolina hat
ffentli¬
auch der für eine Künstlervereinigung schier monströse Zustand ge¬
nur fühlen Spon für den gealterten Abenteurer. Ibrehingebende Liede
statters
schafsen, daß ein Künstler, ein erdeutliches Mitglied, zwar das
gehört dem leichtsinnigen Lorenzi, der in seiner Schönheit wie ein
könne,
aktive, nicht aber das passive Wahlrecht hätte. Hoffentlich wird im
Ebenbild des jungen Casanova wirkt. In den Mantel Lorenzis
unden,
Künstlerhause die Besonneneit im eigensten Interesse des Hauses
gehüllt, beschleicht Casanova in einer Nacht das junge Mädchen
ke mit¬
sowohl, wie im Interesse des guten Rufes, den sich Oesterreich
und erringt durch einen täuschenden Betrug ihre Hingabe. „Alter
h uns
gerade durch die Behandlung selbst der feindlichen Ausländer
Mann“, mit diesem Zuruf am grauenden Morgen nach einer
ihrer
im Kriege mit anerkanntem Erfolge erworben hat, siegen über
Liebesnacht rächt sich Marcolma an dem Betrüger bitterer als
ischung
einen mißverständlichen, der Kunst weder würdigen, noch oppar¬
durch jede Schmähung. In dieser Erkenninis seines physischen
übri¬
tunen Abspeirungsstandpunkt.
Pleinair.
Niederganges erlischt die letzte Flamme des Abenteur.13. In
hoffnungsloser Trauer kehrt er in die schmerzlich ersehnte Heimats
nft
stadt ein, um niedrige Spionendienste zu verrichten. Schnitzlers
Frage
Bücher der Saison.
Erzählung ist von einem bezanbernden Rhythmus der Darstellung,
sobald
ein Werk zarter künstlerischer Finessen, delilater Schönheiten, die
chin¬
Von Hermann Menkes.
n die
jedoch den Kontaft zu dieser menschlich unsagbar verarmten Ge¬
Wenn man einmal von den Büchern sagte, daß sie wie
stalt des senilen Amourösen im Leser nicht erringen kann. Es
schechi= Menschen ihr Schicksal haben, so meinte man damit in den meisten
ds er¬
bleibt ein Rest einer etwas gesuchten Piychologie in dieser noblen,
Fällen ein tragisches Schicksal. Es gab stets Werke, die in die
herbstlich reifen Kunst der Schnitzlerschen Novelle.
Wir Ewigkeit gelangten, ohne die Gegenwart erringen zu können,
Den großen Zeitroman bietet Heinrich Mann, der früher
er, die Bücher, die nach langer Verschollenbeit über das Leben ihrer
dionysisch gestimmte Dichter der „Herzogin von Assy“ und
n wir Urheber hinaus plöplich mit ihrer Schönhet und ihrer neuen
1=Zwischen den Rassen“, in seinem „Uniertan“. Das Werk ericheint
Gedankenwelt aufleuchteten. Darüber konnte ein Jahrhundert und
#nur zeitlich späler als „Die Armen“, ging aber diesem Biide
chtung
mehr vergehen. Sie mußten auf eine neue Menschheif warten
tragischen Ringens aus proletarischem Elend in der Nieder¬
Sibi¬
zumindestens auf eine neue Generation. Die Denker und Dichter
schrift voran. „Die Armen“, das sind die Zukünstigen,
Hand
waren Vorläufer eines neuen Gedankens, einer anderen Wirklichkeit
der „Untertan“ aber, wie Mann ihn schildert, der niedergegangene
aß wir
und mußten von ihrer Umwelt oft unverstanden bleiben. Unsere
Typus des Strebertums und der lindischen Nachahmungssucht ous
ch uns
Zeit ist wohl nicht verständnisvoller, aber lüsterner nach allem
der ersten Epoche Wilhelm II., dem Deutschland des „neuen
: han¬
Neuen. Den Schaffenden steht eine wirksamere Technik des Erfolges
Kurses“ und einer innerlich hohlen Kultur. Ein Deutschland, das
1 blei¬
zur Ver ügung und bei keinem der unter uns Lebenden ist eine
den Geist verriet und in einer sadenscheinigen Romannl des
er Be¬
allzu späte, ja erst posthume Berülmtheit zu beklagen. Allerdings
Gottesgnadeniums schwelgte: Das war ein Glanz voll Neußer¬
ist diese Berühmtheit zumeist von kürzerer Dauer.
lichkeiten, ein liebedienerisches Aufgeben alles Persönlichen und
Gehören die Saisonbücher, jene mit dem raschen, dem
herzloses Strebertum, das ist die Welt, die der Dichter hier mit
ungewöhnlich großen Erfolg noch der dauernde Werte enthaltenden
grausamer Ironie spiegelt, meinerhaft auch da, wo die Che¬
Literatur an? Die Erfahrung läßt dies bezweifeln. Wie weniges
rakteristik ins Karikaturistische umschlägt.
von Büchern konnte das eine Jahr, in dem #ie von allen begehrt
h.
Der „Uniertan“ ist einer aus der Neihe des „großen
wurden, von allen gelesen werden mußten, überbauern und sich dem
Romans“, wie er jetzt scheinbar wieder kultiviert wird: Jaleh
underlierbaren Besitz einrethen! Man denke an Beyerlein, an Freussen
Wassermann in seinem „Chzistian Wahnschaffe“, Stehr in seinem
ja an den „Tunne“ von Kellermann und den „Golem“ von Meyrink
beiz.
mystisch vergrübelten „Heiligenhof“, Knut Hamsun in seinem
Sie sind nun wie Schnee des Vorjahres, wie eine vergangene
R.
„Segen der Erde“, in dem der pankheistisch verschwärmte nordische
Mode. Es sind Werke, die irgendwie aus einer flüchtigen Zeit¬
Bureau
Poet von „Pan“ und „Mysterien“ uns wieder zur menschlichen
stimmung entstanden, ein Tagesproblem berübrten, einem uns
Urheimat zurückführt, an das Herz der geliebten Erde, zur Be¬
3 pri¬
gerade jetzt bewegenden Gefühl Ausdruck verliehen. Die Reklame
sinnung nach der Abkehr von unserer innersten Bestimmung. Eine
engen
trug sie empor, ihre zei'gemäße geistige Toilette verschaffte ihnen
efern
wunderbare Kunst ist in diesem Spätwerke Hamsuns, voll von
die untreuesten Liebhaber, die Bücher finden können. Sie haben
mälchena tem Rauschen und elementaren Urgefühlen.
Schweiz
die Konstuution alles Kurzlebigen. Sie sind ein Produkt dieser
7d er¬
Das sind keine Bücher der Saison, keine billigen Schlager,
Zeit der sensationklüsternen Nerven, eines unsüllbaren Hungers
sondern Werke voll stiller Schönheit, die über das Jahr ihres
er nach nach dem Erlebnis.
Erscheinens hinausreicht. Etwas von diesem milben Schimmer ist
Das efsekivolle Saisonhuch hat jetzt einen hestigen Kon¬
über Thaddäus Ritiners märchenbastem „Zimmer des Wartens“
kurrenten in der Tagesgeschichte mt ihren nervenanspannenden
gebreuet, über das letzte Buch Altenbergs („Vila ipen“) und
1 Ereignissen; ihren tragischen Vorfällen und ehren Sensationen.
über den „Dichter“ von Bartsch. Es sind Bücher, aus einer
Von allen literarischen Erscheinungen, die der Krieg brachte, hat
Sehnsucht entstanden, an eine Sehnsucht gerichtet, eine sanfte
„Das Fever“ von Barbusse eine euror äische Resonanz gefunden.
Botschaft und Verheißung mitten in unseren Kümmernissen.
use eine
Dieses Buch mit seinen erschütternd andagenden Dokumenten und
e
mletzten
seinem deredsamem Appell an das menschliche Gewissen gehört
noch jetzt zu den gelesensten. In ähnlichem Geiste sprach auch Wells
Der verkeuerte Rennsport.
sidenten¬
in seinem „Mr. Brittings Weg zur Erkenntnis“. Diese wieder¬
r die in
(Wer zahlt die Kosten?)
erwachende Menschlichkeit and auch in einem deutschen Buche
Oeiz =Mitteilung der „Wiener Sonn= und Montags=Zeitung“.)
hauta
ergreifenden Ausdruck. „Der Mensch ist gut,“ schrieb Leonhord
Frank wie mit Flammenschrift als Titei über seinen Noman hin,
sche Teil
Darüber, ob die Wettrennen ein unbebingtes
der wie Dostojewsti und Tolstoi mit seinem tiefen Erbarmen und
Erfordernis für das Gedeihen der Pierdezucht sind,
1 in die¬
seinm hohen relig ös gestimmten Empfinden in den Gefühlskreisen
darüber sind sich die Weisen noch nicht ganz einig. Un¬
t. Nun
des Uichristentums wurzelt. Dieses Werk einer unsagbar milden
Iitreitbar aber ist die Tatsache, daß eine moderne Gro߬
ber An¬
Weisheit und eine' starken Welt= und Menschlichkeitsgesühls stehr
stadt — (und das wird unser liebes Wien denn doch
einsam da im Schrifitum unierer Tage.
Agenden
trotz aller Zukunftssorgen bleiben) — dieses gesell¬
großen
Wir sehen sonst die Dichter wie auf einer Flucht aus end
schaftliche Vergnügen schwer entbehren kann. Als Ver¬
ben das
Nöten und Wirren der Gegenwart. Die epische Kunst ist zum
gnügung, nicht als Notwendigkeit, seien die Rennveran¬
sstellung
Subiektiren, zum Bekennmnis und zum Teil auch zur Ver¬
staltungen also gewertet, dabei aber die Frage erwogen,
r Werke
gangenheit zurückgekehrt. Es ist dies wie eine Realtion auf die
ob dieses Vergnügen vom Publikum nicht allzu ieuer
alte, an
bezahlt wird.
Entartung des Indwiduums. Dem Zeitlichen wird das Ewige!
einderat
entgegengestellt, der unsterbliche Eros, die nimmermüde Suche
Das Wetten ist an und für sich eine recht kost¬
kundiger
nach dem periöulchen Glück. Gerhart Hauptmann und Arthur
svielige Passion. Dank der immer höher bemessenen
ich au¬
Schnitzler haben diese Töne angeschlag u: der ene mit einer Wettsteuer und wegen der Abzüge für die Rennveran¬
1 Lerdeuschaftlichleit und einer glühenden Farbensülle, die un schärfsten stalter erfährt der Einsatz schon eine so rapide Wert¬