I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 28

30. Casanovas Heimfahrt
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Wienen- Allsemein
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Wien.
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Seulein.
ihm ein Leben funkelnd von Glanz, Bravour, Laune Tempo bannen zu können gle
und von prachtvoll iungem Mangel an jedem Bedenken. Manns „Untertan“
Zeit-Bücher.
Und vor ihm die große Ungewißheit, in die auch die verlegen Epikers der Zeit. di
lächelnden Minister Ludwigs XVI. zu blicken gewohnt waren.
sind die Menschen
Schnitzlers Casanova*) umstrahlt Anmut des Herbstes.
Erfolge ohne Gewinn. Lust ohne Frucht. Und nicht minder:
Paradigmata und g
Die schürfen dünne Luft und blasse Sonne
Großartigkeit ohne Größe! Da sind Jahre einer Lebens= Mann, Erzähler von
spiegeln, umschließen, dem Hintergrund früher Florentiner jkunst, satt und sprühend von jeglicher Trunkenheit des Da= von einer Wahrhafti
gleich, die feine und malitiöse Gestalt, an der, wie selten sonst, seins, bewunderte und vergebens von weniger gewandten listisch, wie die Im
mit so filigraner Sorgfalt zugleich Wehmut und Ironie Temperamenten nachgeahmte Tage, schwankend, fast unter
Maler, versucht und
eines Dichters geformt haben. In der gepreßten Intensität, diesem ihren Ruhm — denn es ist nicht der Ruhzm der großen
schautem und in sein
in der leisen und dennoch aus dem Adagio ihrer Träumerei Herzen und der großen Werke, es ist das gleißende Prestige
Hasses und völlig an
niemals in Kraftlosigkeit und Unbestimmtheit abgleitenden des nackten Erfolges, des Erfolges an sich, der „Wirkung ohne
sches Gebilde dessen,
Melodik dieser Stimmung hebt sich die Vision eines Zeit= Ursache“ also nach dem berühmten und wesentlichen Wort
nicht bloß auf der
alters, psychologisch und malerisch mit einer einzigen Wen¬
Richard Wagners: des Effekts. Selten ist mit solcher Wucht
hieß: oder „Kaiseris
dung gewertet: Rokoko! Dessen täuschendes Gleichgewicht,
und Deutlichkeit an einem typischen und ausstrohlendem Bei= ästelungen, Volksseel
deisen Routine zärtlichen Lebensspiels, lässigen und liebens¬
spiel dargelegt worden, wie jene Zeit abseits vom Mensch= Einwand, Mann schil
würdigen Verkleinerns der Dinge hier von einer wunderbar llichen glücklich und heiter zu werden suchte, wie sie statt nach ldie Kehrseite von
dahingepeitschten Lebendigkeit gleichsam durchbrochen und Werten nach Bravouren jagte, wie sie unglücklich sein mußte bürger, ist nicht stich
doch wieder erst in ihrem innersten Wesen besiegelt scheinen. und im Innersten stets von der Melancholie tiefsten Mangels
letzten Seite gibt es
Die offizielle Fassade einer Kultur ist wohl immer nur an Befriedigung verfolgt, gerade eben deswegen — denn
und desselben Vorur
Maske. So ist das heiter lächelnde, das ewig blaue Hellenen= vom besseren Teil ihres scharfen und unruhigen Geistes her Einsicht haben, daß
tum längst entlarvt und durch den Frühlingszauber girrender wuchs die Skepsis hoch, die all' solchem Glanz der Geste miß= erstaunlicher Kraft un
Minnesängerzeit grinsen Qual und Roheit einer plump ins traute. Und wie schließlich ihr Zusammenbruch logisch wurde, nur eine Farbe hat,
Esoterische stilisierten Begierde. Das wirkliche Rokoko nun ist jals der Bankrott einer organischen Defizitwirtschaft. Dagiftige Farbe des Haf
durch den Kontraft seiner unmittelbaren Nachfolge verhüllt doch jeder Gewinn an Lust, Besitz, Ibee, von ihr sofort in die
Hellseher im Dichter
geblieben. Sehnsucht, zu ihm zurückschweifend, erhob in ihm Luft gepufft, im Handumdrehen um einen blendenden Augen¬
um wirkender Zeit, v#
das Ideal freundlichen Gegensatzes zur Realität. Das Augesblick getauscht wurde. Hier, im Rahmen dieser kostbar ein¬
räusch der Gegenwar
des Dichters freilich, scharfsichtiger und skeptischer als die lfachen und lyrisch durchtönten Erzählung, ist dies wunder¬
der Vergangenheit lie
rubrizierte Gutgläubigkeit des Fachmenschen, durchdringt lich hellseherisch ausgebreitet: Luxus als Schicksals=Attribut
leicht. Auffällig aber
Meinungen und Neigungen. Gewohnt, Empfindungen nach= einer Epoche; Menschheit, die irrend in Vergnügungen und
daß bei solcher Schild
zuforschen, wo immer und wie immer Verstellung herrscht
Rekords biegsamer Konventionen schon vergebens nach sich
Schilderer selbst so d
und Verklärung, geübt im Mißtrauen gegen das schöne Wort selbst tastet. Tragisches Rokoko — tragisch nicht von außen¬
parteiisch, wenn dies
und die treffenne Formel, legt es leicht Gefühl und Drang her, weil es Duell und Liebesleid absetzt, weil Tod und einem, der Welt= und
der Zeiten frei. So erscheint ihm hier, absonderlich und senti= Tränen die ironisch bewegte und begutachtete Flut der anschauungen meint.
mental fast, aber in der Gemessenheit und kaustischen Be= Handlung gruselig würzen. Tragisch vielmehr in Idee und Aus dem Lebensge
sonnenheit einer Epoche, die Zeitalter Voltaires war und Vision. In der Spiegelung und Perzeption des Milieus, Krieg wird hier
seines verbissen=eleganten Witzes, Schönheit von seltsam die in der Gestalt des „alternden Abenteurers“ mesquin und
los freigelegt, der
abendlichem Schattendunkel, von müde und überreif glühen=mit unheimlich flimmernder Realistik Bild und Form werden. geschaufelt war, um die
der Romantik des Genusses und auch des — Gewissens. Der
des Hasses der große
alternde Casanova, er ist ein Abbild dieser seiner Welt: Hinter
halb skurrile, halb nc
Um vier Jahre verspätet — Dank dem Walten und
.* „Casanovas Heinfahrt“, bei S. Fischer, Berlin. a# (Wirken einer Zensur, die den Geist im gedruckten Wort. * Bei Kurt Wolf