I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 29

ris
el
Casanovas Heimfahr
30. Casangras Anamzaurt box 4/10
lung
S
S

ihm ein Leben funkelnd von Glanz, Bravour, Laune, Tempo bannen zu können glaubte — erfährt man nun aus Heinrich
und von prachtvoll jungem Mangel an jedem Bedenken. Manns „Untertan“*) wie die Phantasie eines der größten
Und vor ihm die große Ungewißheit, in die auch die verlegen! Epikers der Zeit, diese selbst sah und formte. Auch hier
lächelnden Minister Ludwigs XVI. zu blicken gewohnt waren.
sind die Menschen nur Träger der Epoche, Exponenten,
Anmut des Herbstes. Erfolge ohne Gewinn. Lust ohne Frucht. Und nicht minder:
Paradigmata und gewissermaßen schon Symbole. Heinrich
uft und blasse Sonne lGroßartigkeit ohne Größe! Da sind Jahre einer Lebens= Mann, Erzähler von feinsten und subtilsten Konturen und
d früher Florentiner lkunst, satt und sprühend von jeglicher Trunkenheit des Da¬
von einer Wahrhaftigkeit, die stilisiert und trotzdem natura¬
der, wie selten sonst, iseins, bewunderte und vergebens von weniger gewandten
listisch, wie die Imagination unserer jungen und jüngsten
behmut und Ironie Temperamenten nachgeahmte Tage, schwankend, fast unter
Maler, versucht und erreicht, getrieben von leicht durch¬
gepreßten Intensität, diesem ihren Ruhm — denn es ist nicht der Ruhm der großen
schautem und in seinem Impetus gewaltigem Drang des
gio ihrer Träumerei Herzen und der großen Werke, es ist das gleißende Prestige
Hasses und völlig antagonistischer Wesensart, ein giganti¬
umtheit abgleitenden des nackten Erfolges, des Erfolges an sich, der „Wirkung ohne
sches Gebilde dessen, was schon im Krieg und auch schon
Vision eines Zeit=Ursache“ also nach dem berühmten und wesentlichen Wort
nicht bloß auf der Seite des Feindes allein „Bochisiste“
einer einzigen Wen= Richard Wagners: des Effekts. Selten ist mit solcher Wucht
hieß: oder „Kaiserismus“ in seinen verzweigten Ver¬
endes Gleichgewicht, und Deutlichkeit an einem typischen und ausstrohlendem Bei¬
ästelungen, Volksfeele und Volksmoral durchziehend. Der
klässigen und liebens=spiel dargelegt worden, wie jene Zeit abseits vom Mensch= Einwand, Mann schüfe hier nur eine deutsche Abart eiste
von einer wunderbar lichen glücklich und heiter zu werden suchte, wie sie statt nach die Kehrseite von Goethe plus dem deutschen Spie߬
n durchbrochen und Werten nach Bravouren jagte, wie sie unglücklich sein mußte
bürger, ist nicht stichhältig. Denn von der ersten bis zür
en besiegelt scheinen. und im Innersten stets von der Melancholie tiefsten Mangels
letzten Seite gibt es da nur Variationen zumindest eines
wohl immer nur an Befriedigung verfolgt, gerade eben deswegen — denn
und desselben Vorurteils. Man muß schon den Mut zür
ewig blaue Hellenen= vom besseren Teil ihres scharfen und untuhigen Geistes her
Einsicht haben, daß dieser Roman, artistisch ein Buch von
ingszauber girrender wuchs die Skepsis hoch, die all' solchem Glanz der Geste mi߬ erstaunlicher Kraft und Sattheit der Zeichnung, durchälls
heit einer plump ins traute. Und wie schließlich ihr Zusammenbruch lossch wurde,ner eine Farbe hat, und daß dies die grelle, schreiende,
rkliche Rokoko nun ist als der Bankrott einer organischen Defizitwi schaft. Da jgiftige Farbe des Hasses ist. Vielleicht ist wiedereinmal der
n Nachfolge verhüllt doch jeder Gewinn an Lust, Besitz, Idee, von ihr sofort in die Hellseher im Dichter treffsicherer als unser noch von rings¬
eifend, erhob in ihm Luft gepufft, im Handumdrehen um einen blendenden Augen= um wirkender Zeit, von Verknüpfung und Folge, vom Ge¬
Realität. Das Auge blick getauscht wurde. Hier, im Nahmen dieser kostbar ein¬
räusch der Gegenwart, die überall noch an der Ankerkette
skeptischer als die fachen und lyrisch durchtönten Erzählung, ist dies wunder¬
der Vergangenheit liegt, vielfach befangenes Urteil. Viel¬
kenschen, durchdringt lich hellseherisch ausgebreitet: Luxus als Schicksals=Attribut leicht. Auffällig aber, auch bei ganz isolierter Betrachtung,
Empfindungen nach=einer Epoche; Menschheit, die irrend in Vergnügungen und daß bei solcher Schilderung, die letzte Objektivität will, der
Verstellung herrscht Rekords biegsamer Konventionen schon vergebens nach sich Schilderer selbst so deutlich und unweigerlich subjektiv, ja
gen das schöne Wort selbst tastet. Tragisches Rokoko — tragisch nicht von außen= parteiisch, wenn dies auch in einem höherem Sinne, in
t Gefühl und Drang her, weil es Duell und Liebesleid absetzt, weil Tod und
einem, der Welt= undenicht Fraktions= oder Nationalitäts¬
anschauungen meint. Nun trotz= und bei alledem:
bsonderlich und senti= Tränen die ironisch bewegte und begutachtete Flut der
und kaustischen Be= Handlung gruselig würzen. Tragisch vielmehr in Idee und
Aus dem Lebensgeäder des Deutschland vor dem
Voltaires war und Vision. In der Spiegelung und Perzeption des Milieus,
Krieg wird hier doch jener Strang rücksichts¬
hönheit von seltsam die in der Gestalt des „alternden Abenteurers“ mesquin und
los freigelegt, der sozusagen breit und bequem
und überreif glühen=mit unheimlich flimmernder Realistik Bild und Form werden.
geschaufelt war, um die Ströme des Blutes und die Flutz#—
— Gewissens. Der
ldes Hasses der großen Kataftrophe aufzunehmen. Jeier
r seiner Welt: Hinter
halb skurrile, halb naive homo germanus geht hier um
Um vier Jahre verspätet — Dank dem Walten und
ischer, Berlin. at Wirken einer Zensur, die den Geist im gedruckten Wort *) Bei Kurt Wolff, Leipzig.