I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 8

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Badearz
Graesle
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29. Doktor
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1. Beiblaßt.
Druck und Verlag von Rudolf Mosse in Berlin.
Berliner Tageblatt.
#nen Legihien, durch die sich das Fleisch für das Pfund
e
großen Orchester gespielt, das unter Leitung von Vörös Mista steht.
auf 2,15 bis 2,60 Mark stellte. Israel wurde wegen übermäßiger
g einer Kunden¬
Preissteigerung zu 12000 Mark Geldstrafe verurteilt.
Das große Los der Wohlfahrtsgeldlotterie in Höhe von 75 000
, daß mit ihrer
Ein tödlicher Straßenbahnunfall in der Oranien¬
Mark fiel am gestrigen zweiten Ziehungstage auf Nr. 210 289. Ferner
eine völlig
burger Straße, bei dem die Schaffnerin Zielonka ums
fielen: 40 000 Mark auf Nr. 197 958, 20000 Mark auf Nr. 197 093,
Leben kam, beschäftigte gestern die vierte Strafkammer des Land¬
iner Tageblatt“
10000 Mark auf Nr. 80 824, je 1000 Mark auf Nr. 10 247, 81 485,
gerichts I. Unter der Anklage der fahrlässigen Tötung hatte
darauf hin, mit
112 943, 159 917, 203 330, 254 182, 271 905 und 318 677.
sich der Straßenbahnführer Friedrich Kühn zu verantworten. Der
rechnet werden
Die Lebensmittel einer Straßenbahnschaffnerin. Ein
Angeklagte hatte, während die Schaffnerin an ihrem Wagen beschäf¬
Ellen auch Dieb¬
arges Mißgeschick traf eine Straßenbahnschaffnerin in Neukölln.
tigt war, seinen Wagen in Bewegung gesetzt so daß die Schaffnerin
en. Die Ver¬
Sie übergab alles, was sie an Nahrungsmitteln gesammelt hatte,
gegen den Wagen gedrückt wurde. Beide Oberschenkel wurden ihr
tählen= und
einem Betriebsleiter M. in Neukölln, der es für sie räuchern sollte:
abgequetscht; sie starb infolge Verblutung während der Ueber¬
zahlreich,
führung in ein Krankenhaus. Der Angeklagte führte zu seiner Ent¬
2 Schinken, 4 Stücke Speck, 1 Rinderzunge und 40 Pfund Blut¬
eGefahren tat¬
schuldigung an, daß er plötzlich einen Schwächeanfall gehabt
und Leberwurst. Nun haben Einbrecher die ganzen Vorräte gestohlen.
habe, daß ihm schwarz vor Augen geworden sei, und daß er über¬
eeignetes Mittel
Eine Trauerfeier für den Admiral Otto Livonius vereinte
haupt an den Unfall keinerlei Erinnerung mehr habe. Geheimer
igen; und bietet
gestern nachmittag einen größeren Kreis von Leidtragenden in der
Medizinalrat Professor Dr. Straßmann faßte sein Gutachten
Erschütterungen
Kapelle des neuen Zwölfapostelfriedhoses zu Schöneberg. Unter ihnen
dahin zusammen, daß bei dem Angeklagten, der schwer Neurastheniker
S
Hügel ragten dunkel und höher als bei Tag, aus den kleinen
gewahrte er die Gestalt eines Mannes, dessen Gesichtszüge er
Villen schimmerten Lichter her, auf einem Balkon lehnten
nicht zu unterscheiden vermochte. Einen Augenblick blieb er
dearzt
stumm, enger aneinander geschmiegt, als sie es sich wohl bei
stehen und fühlte sich heftig gelockt, geradeswegs ins Haus zu
Tageslicht erlaubt hätten, ein Mann und eine Frau. Von
treten und sich, als hätte eben der Zufall ihn hier vorbeige¬
einer Veranda her, wo eine kleine Gesellschaft beim Abend¬
führt, nach dem Befinden der Frau Schleheim zu erkundigen;
druck verboten.]
essen saß, klang lautes Sprechen und Lachen. Dr. Gräsler
aber er besann sich rasch, daß dies, als mit seiner ärztlichen
begann Appetit zu verspüren, freute sich dem Abendessen ent¬
Würde kaum vereinbar, falscher Auffassung begegnen könnte.
er Tage,
gegen, das er im Silbernen Löwen einzunehmen pflegte, und
Von diesem Spaziergang kam er müder und verdrossener nach
trieb den gemächlichen Kutscher zu größerer Eile an. Am
hatte. Zuerst
Hause, als er es nach einer so geringfügigen Enttäuschung
Stammtisch, wo er die Bekannten schon alle versammelt fand,
kneiro ein, die
für möglich gehalten, und als er Sabinen auch in den nächsten
trank er heute ein Glas Wein mehr als gewöhnlich, weil ihm,
keiste, in Lissa¬
Tagen im Städtchen nicht begegnete, begann er zu hoffen, daß
wie er von früher her wußte, in einer solchen ganz unmerk¬
s in der Stadt
sie verreist oder am Ende gar für immer von hier verschwun¬
lichen Benommenheit das Leben irgendwie süßer und leichter
burg geltenden
den wäre, was ihm im Interesse seines seelischen Gleichmaßes
war. Er sah
zu erscheinen pflegte. Er hatte anfangs die Absicht, von seinem
nur wünschenswert erschien.
heutigen Besuch im Försterhaus zu erzählen, doch aus irgend¬
Kleid aus dem
Eines Morgens, als er, freilich längst nicht mehr mit dem
einem Grunde, der ihm nicht klar wurde, ließ er es sein. Der
Stadt hinauf¬
Behagen der ersten Tage, auf seinem besonnten Balkon das
Wein versagte aber heute seine Wirkung. Dr. Graesler erhob
hi an irgend¬
Fruhstück einnahm, wurde ihm gemeldet, daß ein sehr junger
it. Er dachte
sich sogar melancholischer vom Tische, als er sich hingesetzt
Herr ihn zu sprechen wünsche. Als gleich darauf ein hoch¬
hatte, und begab sich mit leichten Kopfschmerzen nach Hause.
der er sich in
gewachsener hübscher Junge im Radfahranzug auf dem Bal¬
raxis ausübte,
kon erschien, zeigte er sich in Haltung und Gesichtsschnitt von
III.
n eines wichti¬
einer so unverkennbaren Aehnlichkeit mit Sabine, daß der
sen mußte und
In den nächsten Tagen nahm Dr. Gräsler öfter als sonst
Doktor nicht umhin konnte, ihn wie einen Bekannten zu be¬
lede andere bis
Gelegenheit, die Hauptstraße des Städtchens zu durchstreifen
grüßen. „Der junge Herr Schleheim,“ sagte er in mehr über¬
des Fräuleins
in der unbestimmten Erwartung, Sabinen zu begegnen. Ein¬
zeugtem als fragendem Ton.
lenzeit, das sich mal lief er sogar, wie von einer Ahnung ergriffen, während
80
„Der bin ich,“ erwiderte der Junge.
te, und er er¬
seiner Sprechstunde, als das Wartezimmer zufällig eben leer
„Ich habe Sie gleich an der Aehnlichkeit mit — Ihrer
uchgeschwärzte
stand, die Treppe hinab und tat einen eiligen, doch vergeblichen
Mutter erkannt. Bitte, nehmen Sie Platz, junger Mann. Ich
er doch keine
Gang bis zur Trinkhalle und wieder zurück. Am Abend dieses
bin noch beim Frühstück, wie Sie sehen. Was gibt's? Die
er und Lange¬
selben Tages erwähnte er wie beiläufig am Stammtisch, daß
Frau Mama wieder leidend?“ Es war ihm, als spräche er zu
ten, häuslichen! man ihn neulich ins Forsthaus gerufen habe, und horchte an¬
Sabine.
seinen Schiffs¬
gespannt und etwas kampfbereit, ob etwa über Fräulein Sa¬
Der junge Schleheim blieb stehen, die Kappe höflich in der
kleinen, hoch¬
bine irgendein leichtfertiges Wort fiele, wie es in aufgeräum¬
Hand. „Der Mutter geht's gut, Herr Doktor. Seit ihr Herr
ter wiederfand,
ter Herrengesellschaft auch ohne Berechtigung wohl gelegent¬
Doktor so ins Gewissen geredet haben, ist sie etwas vorsichtiger
sie verlassen — lich auffliegen mag. Aber die Familie Schleheim schien, wie
geworden.“
ich darum ge= das matte Echo seiner Mitteilung dem Doktor verriet, außer¬
Der Doktor lächelte. Es war ihm sofort klar, daß Sabine
und erlebt
halb jeden Interesses zu stehen; und nur ganz beiläufig war
ihre eigenen Befürchtungen zum Zwecke besserer Wirkung ihm
irch den Sinn,
von Berliner Verwandten des sogenannten Försters die Rede,
als dem Arzte in den Mund gelegt hatte. Plötzlich fiel ihm
und manches, bei denen die Tochter, die der Tischgesellschaft offenbar nicht
ein, daß Sabine selbst diesmal die Kranke sein könnte, und er
enklich gewesen
einmal als sonderliche Schönheit galt, zuweilen die Winter¬
erkannte an der unvermuteten Beschleunigung seines Pulses,
siff, daß er sich
monate verleben sollte.
wie sehr ihm das Wohlbefinden des jungen Mädchens am
ganzen aber
An einem der nächsten Spätnachmittage entschloß sich Dr.
Herzen lag. Doch ehe er noch zu fragen vermochte, sagte der
nd damit wohl
Gräsler zu einem Spaziergang, der ihn allmählich in die
Knabe: „Es handelt sich diesmal um den Vater.“
letwas Schönes Nähe des Forsthauses führte. Von der Straße aus sah er es
dern hin, die stumm im Schatten des Waldes liegen, und auf der Veranda:
(Fortsetzung folgt.)