I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 24

Badearzt
29. Doktor Graesler
box 4/7
nten Graeskunhnanan u
1. Beiblatt.
Druck und Verlag von Rudolf Mosse in Berlin.
Aninel Lagesiatt.
en den denen enenen en ene une. Dien he. un 1 1.
Der Berliner Asylverein für Obdachlose hielt gestern abend
eingeleitet worden mittelkarten der Stadt Berlin“ gekennzeichneten Geschäften gegen
im Rathause seine Jahresversammlung ab. Wie der Vorsitzende,
Empfangsbescheinigung abzuliefern, und zwar heute, morgen und
hließlich noch, vor
Kaufmann Alfred Boehm, mitteilte, hat das Asyl im letzten Jahre
übermorgen. Nachträgliche Annahme findet nicht statt. Ferner
zu geben, mit dem
unter dem Zwange des Krieges sowohl hinsichtlich der Verpflegung
falls würde eine
wird in der nächsten Woche wieder 350 Gramm Fleisch
als auch der Beheizung zu leiden gehabt. Als in der Frostperiode
gen. Der Gerichts¬
verteilt. — Der Magistrat von Schöneberg verteilt auf Ab¬
vollständiger Kohlenmangel eintrat, wandte sich der Verwaltungs¬
unftmäßige Ueber¬
schnitt 75 der Lebensmittelkarte ½ Pfund Kunsthonig zu 27 Pfennigen
rai mit einem dringenden Gesuch an die städtische Deputation für
zu der Erkenntnis,
oder ¾ Pfund Speisesyrup zu 27 Pfennigen, und auf besonderen
Brennmaterialien und erhielt 300 Zentner Kohlen, die aber ietzt
niv zum Selbstmord
fast verbraucht sind. Versprochene Lieferungen aus Schlesien sind
Bezugsschein für Schwerarbeiter ebenfalls ¾ Pfund Speisesyrup.
wurde abgelehnt,
bisher nicht eingetroffen, doch besteht die Hoffnung, daß es nicht
reichlich Gelegen¬
50=Pfennig=Hamster. In der letzten Zeit verschwinden die
notwendig werden wird, das Asyl zu schließen. Von einer Seite
aten; dem Gerichts¬
50 =Pfennigstücke immer mehr aus dem Verkehr. Eine sinnlose
wurde angeregt, in den Vororten eine größere Agitation für den
edrängt, daß die
Sammeltätigkeit hat sich dieser Münze zugewendet. Welchen Um¬
Verein zu entfalten. Es sei entschieden ein Mißverhältnis, wenn
Berlin allein jährlich 30 000 Mark zur Unterhaltung des Asyls
fang sie angenommen hat, geht aus folgender Zuschrift hervor:
urde hierauf
beisteuere, die gesamten Vororte aber nur 6000 Mark. Diese
„Gestern abend fuhr ich vom Spittelmarkt nach dem Potsdamer
sam, mit angespannter Aufmerksamkeit, und er fühlte sein
sitzen. Er berührte den letzten Gang nicht mehr und eilte nach
Herz immer starrer werden. Alles Holde und Herzliche wollte
Hause, wo ein Patient ihn erwartete, der vor der Abreise Ver¬
ihm blaß, ja, geradezu spöttisch erscheinen; und als er an die
haltungsmaßregeln für den Winter wünschte. Der Doktor
adearzt
Stellen kam, in denen Sabine flüchtig seiner Kühle, seiner Eitel¬
erteilte sie zerstreut, ungeduldig, nahm sein Honorar mit
keit, seiner Pedanterie Erwähnung tat, da war es ihm, als
schlechtem Gewissen in Empfang und verspürte einen dumpfen
wiederhole sie mit Absicht, was sie doch heute morgen schon
Machdruck verboten.]
Groll nicht nur gegen sich, sondern auch gegen Sabine, die so
ihm bis zum Ueberdruß und überdies mit Unrecht vorgeworfen
weit gegangen war, ihm in ihrem Brief Gleichgültigkeit gegen¬
hatte. Wie konnte sie sich's denn nur einfallen lassen, ihn
über seinen Kranken vorzuwerfen. Dann trat er auf seinen
einen Pedanten zu nennen, einen Philister, ihn, der ohne wei¬
öhnte Speisestunde
Balkon, zündete die kaltgewordene Zigarre von neuem an und
teres bereit gewesen war, ihr, und wie gerne, selbst einen
is er als unange¬
blickte in das armselige Gärtchen hinab, wo trotz des trüben
wirklichen Fehltritt zu verzeihen. Und nicht nur, daß sie da¬
Frimmigem Eigen¬
Wetters auf einer weigen Bank, das Nähkörbchen zur Seite,
von nicht das geringste ahnte, sie mutete ihm sogar zu, daß
g zum Gasthof.
seine Hauswirtin wie alltäglich zu dieser Stunde mit ihrer
er deswegen, gerade deswegen gezögert hätte. So wenig kannte
Strickarbeit saß. Die ältliche Frau hatte noch vor drei oder
und einen Herrn
sie ihn. Ja, das war es. Sie verstand ihn nicht. Und von
vier Jahren ganz unverkennbare Absichten auf ihn gehabt;
beim Kaffee saßen
hier schien ihm das ganze Rätsel seines Daseins plötzlich wie
zum mindesten hatte Friedrike es immer wieder behauptet, die
oktor verständnis¬
neu beleuchtet. Denn es war Im nun klar, daß ihn eigentlich
den Bruder stets von heiratslustigen Jungfrauen und Witwen
„Nun, man kann
noch nie jemand wirklich verstanden hatte, weder Frau noch
umlauert glaubte. Weiß Gott, es war nicht so weither damit
tragte Dr. Gräsler
Mann! Nicht seine Eltern, nicht seine Schwester, so wenig als
Sanatorium ge¬
gewesen. Er war ja zum Junggesellen geboren, war ein Son¬
es seine Kollegen und seine Patienten getan hatten. Seine
derling, Egoist und Philister gewesen sein Leben lang. Das
Gekauft?“ wieder¬
Verschlossenheit galt für Kälte, sein Ordnungssinn für Pedan¬
hatte eben auch Sabine sehr wohl empfunden, wie aus ihrem
hängt noch von
terie, sein Ernst für Trockenheit; und so war er als ein Mensch
Briefe mit zwingender Deütlichkeit hervorging, wenn sie sich
fürchterlichen Zu¬
ohne Ueberschwang und Glanz sein Leben lang zur Einsam¬
auch aus mancherlei Gründen, unter denen die sogenannte
und aus neu auf¬
keit vorherbestimmt gewesen. Und weil er nun einmal so war
irte die Speisekarte
Liebe wohl der geringste gewesen war, ihm an den Hals zu
und nicht anders und überdies um so viele Jahre älter als
werfen behauptete. Ja, wenn sie es wirklich getan hätte, dann
— „macht Preise.“
Sabine, darum konnte, darum durfte er das Glück nicht an¬
sähe sich die Sache anders an. Aber das, was er da in der
wollte wahrhaftig
nehmen, das sie ihm darzubringen bereit war, oder sich bereit
Rocktasche knittern fühlte, das war wohl alles eher als ein
genannten Schäden
glaubte und das wahrscheinlich das Glück gar nicht ge¬
Liebesbrief.
seheben, und wenn
wesen wäre. Hastig nahm er einen Briefbogen und begann
stände die Anstalt
Der Wagen, der allabendlich zur Fahrt nach dem Forsthaus
ihr zu schreiben: „Liebes Fräulein Sabine. Ihr Brief hat
wie neu da.
bestellt war, wurde gemeldet. Dem Dr. Gräsler klopfte das
mich ergriffen. Wie soll ich Ihnen danken, ich einsamer alter
Herz. Er konnte sich's ja in diesem Augenblick nicht verhehlen,
Mann.“ Ach, was für Unsinn, dachte er, zerriß das Blatt und
gelte nicht darauf
daß er nur eines zu tun hatte: zu Sabine eilen, zärtlich dankend
begann aufs neue. „Meine liebe Freundin Sabine. Ich habe
en ersten Mai als
wisse man ja, wie die lieben Hände ergreifen, die sich den seinen so innig und
Ihren Brief, Ihren schönen, guten Brief. Er hat mich tief
rückhaltslos entgegenboten, das holde Wesen zur Frau ver¬
bewegt. Wie soll ich Ihnen nur danken. Sie zeigen mir die
Termin sowohl als
langen, auf die Gefahr hin selbst, daß es nur wenige Jahre
Möglichkeit eines Glückes, von dem ich kaum zu träumen ge¬
nerseits fühle sich
oder gar Monate des Glücks wären, die sich ihm eröffneten.
wagt hätte, und darum, lassen Sie es mich gleich in diesem
ichen Dinge einzu¬
Aber statt die Treppe hinunterzueilen, blieb er wie auf den
Zusammenhange aussprechen, wage ich auch nicht, es zu er¬
erlichen Preis und
Fleck gebannt stehen. Es war ihm, als hätte er vorher etwas
greifen, ich meine, nicht sofort zu ergreifen. Geben Sie mir
Absicht, hinzu, „ob
endgültig klarzustellen und vermochte sich nicht zu besinnen,
ein paar Tage Zeit zur Ueberlegung, lassen Sie mich zum Be¬
it ihm unter einer
was es sein könnte. Plötzlich fiel es ihm ein: den Brief Sa¬
wußtsein meines Glücks kommen und, o, liebe Freundin Sa¬
auf, der Stadtrat
binens mußte er noch einmal lesen. Er nahm ihn aus der
bine, fragen auch Sie sich noch einmal, ob Sie denn wirklich
e ein; — doch ein
Brusttasche hervor und begab sich in sein stilles Ordinations¬
und wahrhaftig Ihre holde Jugend mir reifen=Manne anver¬
herstellen, und bald
dtrat, nach kühlem zimmer, um in völliger Ungestörtheit Sabinens Worte noch
(Fortsetzung folgt.)
trauen wollen.
ufrieden am Tische einmal auf sich wirken zu lassen. Und er las. Er las lang¬