I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 28


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29. Dektor Graesler
###erenanaien, Badearzt box 4/7
1. Beiblatt.
Veriiner Tagebiatt. Druck und Verlag von Rudolf Mosse in Berlin.
SARNz Darp¬
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isten eingekauft haben.] Bodestraße 2 9/30 in Neukölln gefunden. Die 17jährige Ella
Der gestrige Verhandlungstag im Schiffmann=Prozeß wurde fast
Fischer, die Tochter des Werkmeisters Fischer, war Anfang Januar
vollständig mit den Ausführungen ausgesüllt, die Staatsanwalt
in ein Kinematographentheater in einer Zeit gegangen, in der sie
Abordnung aus
Messerschmidt zu den Schuldfragen des Schiffmann teeffend,
die Wohnung für ihren verwitweten Vater in Ordnung bringen
er Oberprediger war.
machte. Der Staatsanwalt beschäftigte sich eingehend mit der Grün¬
sollte. Als Fischer nach Hause zurückkehrte und die Tochter nicht
dung der Treugesellschaft, die vorgenommen ##ne, um die
er Sperling geführt
vorfand, schickte er seiner 13jährigen Sohn Hans in das Theater,
gesamten Vermögensobjekte Schiffmanns zur Abwendung des Kon¬
nnung des Gemeinde¬
um die Schwester nach Hause zu holen. Beide Kinder kamen jedoch
kurses zu erwerben. Die Gründung erfolgte, um das Vermögen dem
k, sowie ein Oelbild
nicht in die Wohnung ihres Vaters zurück. Alle Ermittelungen
Zugriff det Glaubiger zu entziehen und nach Belieben weiter darüber
nach ihnen blieben erfolglos. Gestern wurde die Leiche des
zu verfügen. Die Umstände, unter denen die Gründung vor sich
ndtag trat gestern
Knaben aus dem Teltowkanal gelandet. Es wird ange¬
ging, lassen schon erkennen, daß die Treugesellschaft eine
nVorsitz des Grafen
nommen, daß die beiden Geschwister aus Furcht vor Strafe gemein¬
hen Vollversammlung
Schiebung gröbster Art
sam den Tod im Teltowkanal gesucht haben.
dlung bildete die Er¬
darstellt. Schiffmann blieb auf diese Weise Herr seines Vermögens,
Die neue Regelung der Bierpreise für die Brauereien, über
hilfskasse und die
die wir berichteten, wird keinen Einfluß auf den Vierpreis trotz seiner Zahlungseinstellung. Die Gelegenheit, Vermögensstücke
sorge. Den Bericht
in den Gastwirtschaften haben. Der mit 31 Mark für den Hekto= zu beseitigen, die sich durch die Treugesellschaft bot, hat Schiffiann
die wir bereits mitge¬
reichlich ausgenutzt. Aber nicht nur Geld und Geldeswerte hat er
liter festgesetzte Großhandelspreis ist bereits seit langer Zein für
berg (Jotsdam). Das
beiseite geschafft, sondern auch andere Gegenstände. So verkaufte er
Groß=Berlin geltend und hat in Groß=Berlin die Preise werer
sse soll von 6 auf
seinen Pelz im Werte von 8000 Mark und seine kostbaren Schmuck¬
im Ausschank noch beim Verkauf von Flaschenbier beeinflußt. Die
n500000 Mark für
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verschwiegen hatte, gab es bald nicht ein weibliches Wesen in
Schlusse seiner Auseinandersetzungen zu verstehen gab. Aber
der Stadt, Frau oder Mädchen, auf das Gräsler nicht einen
gerade durch diese Eröffnung ward sich der Doktor bewußt.
Badearzt
Verdacht geworfen hätte, der sich um so dringender meldete,
daß für ihn noch lange nicht die Zeit der Ruhe gekommen, ja,
ie tadelloser Ruf und Lebenswandel der betreffenden Dame
daß ihm sogar ein heftiger Trieb zu Tätigkeit eingeboren
für die Welt sich darstellen mochte. Jenes Abenteuer war es
wäre; und dies mit Lebhaftigkeit versichernd, stand er nicht
[Nachdruck verboten.]
auch gewesen, das Böhlinger davon abhielt, mit irgendeiner
länger an, dem alten Freund von der Heilanstalt zu be¬
seiner Mitbürgerinnen eine innigere oder gar eine auf Ehe
richten, über deren Ankauf er kurz vor Verlassen des Bade¬
hinzielende Verbindung einzugehen und so war er, als ge¬
städtchens in aussichtsvolle Unterhandlungen eingetreten sei.
ar der weißbärtige
schätzter Rechtsanwalt in einer auf Anstand und Sittenrein¬
Der Rechtsanwalt hörte aufmerksam zu, ließ sich über manche
mit Zigarren zer¬
heit sehr bedachten Mittelstadt, genötigt, auf häufig wieder¬
Einzelheiten nähere Aufklärung geben, schien anfangs den
Tode der Schwester
holten kurzen und gebrimnisvollen Urlaubereisen weitere Er¬
Absichten des Doktors nicht ohne Beifall gegenüberzustehen,
nach, wußte Sräsler
fahrungen zu summelr, die ihn in seiner bitteren Anschau¬
zögerte aber am Ende doch, den Freund ernstlich zu einem
fürchtete sich beinahe,
ung vom weiblichen Geschlecht nur bestärken mußten. Und so
Unternehmen anzueifern, das, abgesehen von ärztlicher Ge¬
die gleichen nichts¬
wäre es von Gräslers Seite unklug gewesen, Sabinens
schicklichkeit und gewandten Verkehrsformen, die er ihm na¬
r der Nächste, den er
Namen in dieses Gespräch zu ziehen deopelt unklug sogar,
türlich in weitestem Ausmaß zugestehen wolle, eine gewisse
Dritten, der Miene
da er das anmutig reine Geschöpf, das sich ihm gewissermaßen
ordnende und geschäftliche Begabung erforderte, von deren
mit eiligem, fast un¬
an den Hals geworfen, doch wieder freigegeben, ja vielleicht
Vorhandensein er bisher keine ausreichenden Proben ab¬
schon für immer verloren hatte. Aus diesen Erwägungen
gelegt habe. Dr. Gräsler, der diese Einwendung mußte
n ihm wohlbekannten
ließ sich Gräsler in eine weitere Unterhaltung über seine Zu¬
gelten lassen, fragte sich, ob es nicht geraten wäre, nine von
hergerichteten Gast¬
kunftspläne lieber nicht mehr ein, erklärte ausweichend, daß
Fräulein Schleheim zu sprechen, die ja diesem Teil der ihm
ger, der, ven seinem
er für alle Fälle noch Nachrichten von seiten des Baumeisters
vielleicht bevorstehenden Aufgabe durchaus gewachsen wäre.
ihn mit freundlicher
abzuwarten gesonnen wäre, und forderte endlich den Jugend¬
Aber der alte Junggeselle, der ihm hier gegenübersaß, wäre
gen teilnahmsvollen
freund, nicht so herzlich als er sich vorgesetzt, zu baldigem Be¬
wohl der letzte gewesen, für eine Herzensgeschichte so be¬
erikens zu erfahren
suche am Burggraben auf, wobei ihm erst einsiel, daß er ihm
sonderer Art das richtige Verständnis aufzubringen. Allzu
ugendfreund mit ge¬
auch noch für seine Mühewaltung bei der Beaufsichtigung der
gut kannte Gräsler Böhlingers Eigenheit, sich über die
den traurigen Fall,
Tapeziererarbeiten Dank schulde. Diesen lehnte Böhlinger
Frauen bei jeder Gelegenheit in wegwerfender, ja zynischer
pas verwundert, sich
bescheiden ab; doch freue er sich jedenfalls, die Räume bald
Weise auszulassen und er hätte es nicht über sich gebracht,
ber zu sehen, dessen
wieder zu betreten, die auch für ihn an Jugenderinnerungen,
eine leichtfertige Bemerkung über Sabine ruhig hinzunehmen.
ein jugendliches im
Aus dem Erlebnis, durch das er zu einem solchen Weiber= leider an allzu fernen, nicht eben arm seien. Sie schüttelten
und verwittert aus¬
Die des
einander die Hände und sahn sich in die Augen.
verächter geworden, hatte Böhlinger dem Jugendfreund
ewegt, schwieg lange,
Rechtsanwaltes schienen feucht werden zu wollen; aber auch
seinerzeit kein Geheimnis gemacht. Auf einer Redoute hier
sich seinem Schreib¬
jetzt verspürte Gräsler nichts von der Rührung, die er den
in der Stadt, wo ein Mal jedes Jahr die bürgerliche Gesell¬
n Ueberlebenden auch
ganzen Tag vergeblich erwartet, und die ihm den dürftigen
schaft sich mit der Welt des Theaters, aber auch mit sittlich
nüber nichts anderes
Nachgeschmack dieser Stunde hätte veredeln können.
noch bedenklicheren Elementen zu begegnen pflegte, hatte Böh¬
des Tages entschlossen
Eine Minute darauf stand er auf der Straße in einem fast
linger, im Fluge gleichsam, die vollkommene Gunst einer
de, entnahm ihr eine
quälenden Gefühl innerer Leere. Der Himmel hatte sich
Dame gewonnen, der niemand auch in den phantastischesten
r Vorweis des Testa¬
aufgeheitert, und die Luft war milder geworden. Dr.
Träumen solche Verwegenheit und solchen Leichtsinn zuge¬
die Erbschaftsange¬
Gräsler spazierte durch die Hauptstraße, blieb vor einigen
traut hätte. Sie selbst, die auch im letzten Rausch die Maske
indeln. Da die Ver¬
Auslagen stehen und empfand eine leise Befriedigung, daß
nicht fallen ließ, hatte sich damals und so für alle Zeit für un¬
terlassen hatte, als
nun auch in seiner Vaterstadt ein moderner Geschmack sich
erkannt gehalten; durch einen merkwürdigen Zufall aber war
Erbe war, lag die
überall deutlich anzukündigen beginne. Endlich trat er in ein
es Böhlinger nicht verborgen geblieben, wer in jener Nacht
e Praxis weiter aus¬
Herrenmodegeschäft, wo er nebst einigen Kleinigkeiten einen
eiden, doch immerhin die seine geworden war. Da er dem Freunde wohl das
(Fortsetzung folgt.) "
er Re# #sanwalt zum Abenteuer erzählt, den Namen der Geliebten aber dauernd Hut zu kaufen gedachte.